Damit es nicht zur Scheidung kommt ...
Mediation kann helfen, eine Beziehung wieder ins rechte Lot zu bringen. Vorausgesetzt, das Paar nimmt rechtzeitig die Hilfe in Anspruch.
Mediation kann helfen, eine Beziehung wieder ins rechte Lot zu bringen. Vorausgesetzt, das Paar nimmt rechtzeitig die Hilfe in Anspruch.
Krise, so ist im Fremdwörterbuch zu lesen, bedeutet Entscheidungssituation, Wende- oder Höhepunkt einer gefährlichen Situation. Ehekrisen enden oft in einer Scheidung. Sie können aber auch zu einer Verbesserung der Paarbeziehung oder zu einer Neubesinnung auf die Partnerschaft führen. Paartherapie und Mediation sind da hilfreich .
Jörg Smazinka, diplomierter Eheberater und systemischer Familientherapeut in Wien, unterscheidet zwischen inneren und äußeren Ursachen, die eine Ehe zerstören können. Während die inneren Ursachen auf der psychologischen Seite der Partner zu finden sind, liegen die äußeren Ursachen auf der materiellen Ebene. "Eine typische innere Ursache ist oft die Unabgelöstheit eines oder beider Partner vom Elternhaus. Wenn die Eheleute statt miteinander mit ihren Eltern Koalitionen eingehen, steht die Ehe auf wackeligen Beinen," erklärt der Therapeut. Aber auch Koalitionen mit den Kindern statt mit dem Partner seien massive Störungen.
Alkoholmissbrauch, finanzielle Schwierigkeiten, ein Seitensprung, aber in erster Linie der Familienstress sind Beispiele für äußere Faktoren, die eine Ehe scheitern lassen können. "Dieser Familienstress ist ein wahrer Beziehungskiller. Da ist rundherum mit den Kindern, den alten Eltern, dem Wochenendhaus, dem Hobby und natürlich dem Beruf soviel zu tun, dass das Paar deutlich zu kurz kommt", erklärt Jörg Smazinka. "Und es stimmt nach wie vor, wenn Paarbeziehungen nicht gehegt und gepflegt werden, können sie nicht gut überleben."
Fehlt das klärende Gespräch, das zwischen Eheleuten fix auf dem Programm stehen sollte, so der Paartherapeut, häufe sich mehr und mehr Ballast an. Zunächst werde er vielleicht noch geschickt unter den Teppich gekehrt, aber irgendwann wäre der Teppich zu klein. "Man kann nicht mehr darüber hinwegsehen, wenn man ständig über Unausgesprochenes zu Fall kommt", erläutert Smazinka. Und er rät Paaren, die merken, dass Sand im Getriebe ihrer Ehe ist, rechtzeitig zur Paartherapie zu kommen. "Entweder man sucht eine der vielen Beratungsstellen auf oder man sieht sich nach einem Paartherapeuten um. Hier aus falscher Scham nichts zu unternehmen, kann für die Ehe wirklich das Aus sein."
In der Paartherapie hat man die Chance, die alten, sich ständig wiederholenden Muster zu durchbrechen und neue Formen des Umgangs miteinander zu erlernen. "Das Zuhören auf beiden Seiten kann wieder besser gelingen, der Blick wird von den Defiziten auch zu den Stärken, Vorzügen und Ressourcen des anderen und der Beziehung selbst gelenkt", berichtet die Familientherapeutin Sylvia Jaburek. Natürlich, so sind sich die Therapeuten einig, gibt es auch Beziehungen, die nicht mehr zu retten sind. "Oft sind Ehen schon aus ganz falschen Voraussetzungen geschlossen worden. Kommt eine Ehe etwa aus einer - wenn auch unbewußten - Abhängigkeit vom Partner zustande, oder nur deshalb, weil ein Kind unterwegs ist, oder weil es den Eltern so am besten gefällt, ist sie von Anfang an nicht gesund." Und solche ungesunden Beziehungen finden oft in der Trennung den besten Ausweg. "Es könnte aber selbst für solche Ehen im Rahmen einer Paartherapie einen glücklichen Neubeginn geben", schildert die Paartherapeutin.
Jörg Smazinka gibt seinen Klienten immer wieder Aufgaben auf, die ihre Ehe in ein neues Licht führen sollen: "Es gibt drei Verschreibungen, die wie Medizin für die Ehe sind."
* Ein Abend pro Woche sollte fix für ein längeres und ungestörtes Gespräch zwischen den Ehepartnern reserviert werden.
* Einmal im Monat sollte das Paar irgendwohin gehen, wo es bisher nur selten oder gar nicht war. Da kann es zu völlig neuen und interessanten Erfahrungen kommen. Wie erleben wir uns im Autokino? Wie gefällt es uns im Museum? Wie fühlt sich das Tanzen in einem Tanzlokal an? Oder wie schmeckt uns indisches Essen? Damit gelingt vielleicht der Ausbruch aus der lähmenden Routine.
* Mindestens ein- bis zwei Mal im Jahr sollte sich das Paar ein verlängertes Wochenende allein an einem anderen Ort gönnen. Das Paar kann sich wieder ungestört auf der Paarebene (und nicht wie meist sonst auf der Elternebene) bewegen. Da sind Ruhe und Platz für intensive Gespräche, für Zärtlichkeit, und auch die Sexualität darf ohne Störungen ihren Raum einnehmen.
Durch diese Verschreibungen, so ist der Paartherapeut überzeugt, können neuer Schwung, neue positive Verhaltensmuster und Gefühle die Ehe beleben. Überhaupt sieht Jörg Smazinka das Gelingen einer Ehe sehr pragmatisch. Für den Therapeuten lassen sich fünf wichtige Regeln in Geboten zusammenfassen: * Es soll klare Regeln und Normen für die Familie und auch für das Paar geben. Es muss beispielsweise feststehen, wie lang man nach einem Streit einander böse sein darf. Oder es sollte zwischen den Eheleuten eine Abmachung geben, wie oft einer den anderen sexuell zurückweisen darf, ohne verletzend zu werden.
* In den verschiedenen Bereichen soll feststehen, wer die Letztverantwortung hat. Daran sollte genau festgehalten werden. So können Machtspielchen, die oft eskalieren, zwischen den Ehepartnern hintangehalten werden.
* Geben und Nehmen sollte in allen Bereichen ausgeglichen sein.
* Das Paar muss sich als Paar abgrenzen können. Die einzige gesunde Koalition innerhalb einer Familie ist die zwischen Mann und Frau. Koalitionen mit den Eltern oder Kindern gegen den Partner sind schwere Belastungen für die Ehebeziehung.
* Für das Gelingen einer Ehe sind Konfliktbewältigungsmechanismen in reicher Auswahl nötig. Und daran fehlt es den meisten Paaren.
"Mediation kann für Ehepaare in Krisen sehr viel tun", meint die Wiener Mediatorin Beate Danczul. Bei der klassischen Scheidungsmediation gehe es um die gemeinsame Regelung der einvernehmlichen Scheidung, so die Fachfrau. Aber das, was Mediation so griffig und zielführend mache, sei die Schule der Konfliktlösung. Und die zu lernen sei für jedes Paar, auch wenn es noch gar nicht an Scheidung denke, eine enorme Bereicherung.
Bei der Mediation, die sich deutlich von Therapie abgrenzt, werden die Ehepartner für Konflikte sensibel gemacht. Die alte Methode des "Unter-den-Teppich-Kehrens" wird durch wache Wahrnehmung von Problemen ersetzt. "Wenn ich keine Angst vor Konflikten habe, wenn ich sie mir ansehe und mit meinem Partner fair darüber reden kann, können sie nie so groß und gefährlich für meine Beziehung werden", erklärt die Mediatorin. "Anhand einer Konfliktbewältigung unter Hilfestellung eines Mediators lernt das Paar, fair und zielführend zu kommunizieren und zu streiten."
Oft, so die Mediatorin, ist am Ende einer Mediation von den Eheleuten zu hören: "Warum sind wir nicht schon früher gekommen, wir hätten uns viel an Ärger und Verletzungen ersparen können."
Beate Danczul fasst ihre Tipps für faires, gesundes Streiten zusammen: * Ich-Botschaften senden (ich bin verärgert, wenn du mich warten lässt), * auf Anklagen verzichten (du bist ein Lügner), * sofort mitteilen, wenn etwas nicht verstanden wird, * in der Gegenwart bleiben und nicht Fehler in der Vergangenheit immer wieder aufwärmen, * Achillesfersen nach Möglichkeit respektieren und nicht angreifen * nicht unterbrechen oder ins Wort fallen, * Beschimpfungen vermeiden, sie verletzen und lenken von einer konstruktiven Konfliktlösung ab, * einen Konsens oder einen Kompromiss anstreben, zu dem beide im gleichen Maß ja sagen können.
Beziehung haben, Beziehung leben und auch um Beziehung ringen, könnten Auftrag und tiefer Sinn jeder Ehekrise sein. Krisen bewußt wahrnehmen, sich ihnen stellen und auch nötige Hilfe in Anspruch nehmen, könnte helfen, diese zu bewältigen. Jedenfalls ist es den Versuch wert - bevor es zur Scheidung kommt.