Nicht zehn, sondern zwölf Gebote enthält der ethische Kodex für Touristen, der von der "Christian Conference of Asia" formuliert wurde: "Beginnen Sie ihre Reise", heißt es darin, "mit dem aufrichtigen Wunsch, während Ihres Aufenthaltes auch mehr über das Land von heute und seine Menschen zu erfahren."; "Respektieren Sie die Gefühle der gastgebenden Bevölkerung. bedenken Sie, dass Sie durch Ihr Verhalten auch ungewollt verletzend wirken können. Dies trifft vor allem beim Fotografieren zu."; "Wenn Sie es wie zu Hause haben wollen, verschwenden Sie ihr Geld nicht für's Reisen."
Diese "Touristentugenden" sind in jeder Ausgabe der "Sympathie Magazine" nachzulesen. Diese seit 1974 erscheinende Reihe ermöglicht allen, die sich bewusst mit ihrer Reisedestination vertraut machen wollen, einen tiefen Einblick in Kultur, Land und Leute. Im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Reiseführern setzen sich die jeweils einem Land gewidmeten Hefte auch kritisch mit politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, ökologischen und sozialen Problemen des Reiselandes auseinander. In teils sehr persönlichen Reportagen, Regionen- und Personenporträts informieren die 50seitigen "Sympathie Magazine" über den Alltag und die Lebensbedingungen der Bevölkerung und bieten so einen Blick hinter die touristischen Kulissen.
Auch wenn Pauschaltouristen nichts davon wissen: Als Reisender trägt man Verantwortung. Man ist Vertreter seiner Kultur. Man kommt mitunter in Länder, in denen Menschenrechte mißachtet werden, wird vielleicht sogar Zeuge von Menschenrechtsverletzungen. "Der verletzliche Schutz der Würde und der elementaren Lebensrechte von Menschen, deren Land man besucht, ist zu wichtig, als dass er aus Neugierde, durch Interesse am Geschäft, oder an Erholung vernachlässigt werden darf", wird der Leser jedes "Sympathie Magazins" auf die politische Dimension des Tourismus aufmerksam gemacht. Keine Angst: Man müsse "kein Vaclav Havel sein, um für die Menschenrechte einzutreten", es genüge schon, die Augen offen zu halten und das Erlebte und Erfahrene zu Hause an Dritte weiterzugeben, heißt es weiter.
Namhafte Reiseveranstalter und Touristikunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz beziehen die Magazine und geben sie ihren Kunden mit auf die Reise. Auch im Bereich der Schulen, der Erwachsenenbildung und bei Firmen, die Mitarbeiter ins Ausland schicken, werden die "Sympathie Magazine" zunehmend eingesetzt. Herausgeber ist der deutsche Studienkreis für Tourismus und Entwicklung, Förderer sind unter anderen die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium, das Katholische Auslandssekretariat der deutschen Bischofskonferenz, das katholische Missionswerk MISSIO, die evangelischen Organisationen "Tourism Watch" und "Brot für die Welt" und die deutschen Bundesministerien für Entwicklungshilfe, Umwelt und Familie.
"Kap Verde verstehen" und "Kuba verstehen" - die Hefte tragen stets einen Titel dieser Art - gehören zu den neuesten "Sympathie Magazinen".
Verstehen statt Sehen Gerade an Kuba, das zur Zeit im Zusammenhang mit dem unwürdigen Schauspiel um den 6-jährigen Elian Gonzalez in den Blickpunkt der Weltpresse gerückt ist, scheiden sich die Geister. Für die einen ist der karibische Staat eines der letzten "Reiche des Bösen", für die anderen eine der letzten Bastionen gegen Imperialismus und Kapitalismus. Neuerdings sehen viele in der Insel bloß ein Badeparadies. In "Kuba verstehen" erfährt man neben dem zeitgeschichtlichen Hintergrund vor allem etwas über die Kubaner; über ihren täglichen Kampf gegen die zahlreichen Widrigkeiten des Alltags, ihre verzweifelten Bemühungen, die begehrten Dollars aufzutreiben, ihren unerschöpflichen Einfallsreichtum, ihre Offenheit und Neugier, ihre Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft sowie ihr Phlegma ihr Humor, mit denen sie die Tücken des politischen Systems hinnehmen. Ob über die weit verbreitete Santeria, einem Glauben, der sich aus christlichen und afrikanischen Elementen zusammensetzt, oder über die kubanische Son-Musik - die einheimischen und deutschsprachigen Autoren liefern einen breiten Überblick über die Alltagskultur des Landes.
Die Herausgabe von "Kap Verde verstehen" war der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium ein besonderes Anliegen; Kap Verde ist eines ihrer acht Schwerpunktländer. Noch vor wenigen Jahren war die vor der Küste Senegals gelegene Inselgruppe hierzulande kaum bekannt. Kap Verde, das 1975 die Unabhängigkeit von Portugal erlangte, zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und besitzt keine natürlichen Ressourcen. Aus der touristischen Nutzung von Sonne, Strand und Meer verspricht sich das Land ökonomisches Fortkommen. Das "Sympathie Magazin" führt den Leser unter anderem auf die grünen Berge der Insel Santo Antao, den aktiven Vulkan auf Fogo oder das romantische Städtchen Mindelo auf Sao Vicente.
Auf das Beispiel Kap Verde trifft eine asiatische Weisheit zu, die Armin Vielhaber vom Studienkreis für Tourismus und Entwicklung zitiert: "Tourismus ist wie Feuer, mit dem man sich seine Suppe kochen oder sein Haus abbrennen kann." Denn noch sind die Natur und die Gesellschaft der atlantischen Inselgruppe intakt. Ob das so bleibt, liegt auch in der Verantwortung der Reisenden.