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"Jeder dritte Biss in Schokolade hat den Beigeschmack von Sklaverei", kritisieren die Journalisten Hans Weiss und Klaus Werner in ihrer neuen Publikation "Schwarzbuch Markenfirmen. Die Machenschaften der Weltkonzerne". Ihre Attacke richtet sich nicht nur gegen die bösen Multis, sondern auch gegen die Konsumenten, die sich von Billigstpreisen und Firmenlogos blenden lassen.

Bayer, TotalFinaElf und McDonald´s - das ist das Dreigestirn der Übelsten der Üblen, glaubt man der Aufstellung von Hans Weiss und Klaus Werner in ihrem Buch "Schwarzbuch Markenfirmen. Die Machenschaften der Weltkonzerne".

50 Multis und ihre Praktiken haben die beiden Journalisten genauer unter die Lupe genommen, denn: "Die größte Verantwortung liegt dort, wo die größte Macht liegt. Und das sind die Konzerne", stellt Autor Werner fest. Die Liste der Untaten ist lang, fast so lang wie die Liste der Unschuldsbeteuerungen und salbungsvollen Beschwichtigungen der Beschuldigten, die sie auf ihre Homepages stellen. Dennoch: Kinderarbeit, Kooperation mit Militärregimes, Missachtung elementarer Menschenrechte, Verwüstung ganzer Landstriche - das alles scheint zum Produktionsalltag der Multis zu gehören, auch wenn die beiden Autoren mitunter 100prozentige Beweise für ihre Vorwürfe schuldig bleiben müssen.

Zwölf Millionen Kinder unter 14 Jahren mühen sich weltweit unter unmenschlichen Bedingungen für die Erzeugung billiger Exportware - sei es bei der Kakaoernte durch "Gastarbeiter" aus Mali an der Elfenbeinküste für Nestlé oder in Asien bei der Herstellung von Spielzeug für ihre Altersgenossen, die sich bei McDonald´s vergnügen. "Jeder dritte Biss in Schokolade hat den Beigeschmack von Sklaverei", schreiben die Autoren.

Das alles ist nicht ganz neu, aber offensichtlich hat sich im Lauf der Jahre nicht viel verändert: Während die Multis Milliarden Euro in die Werbung stecken, bekommen die Arbeiter in den asiatischen oder mittelamerikanischen "Nähbatterien" nicht einmal den Lohn, um sich und ihre Familien durchs Leben zu bringen. Ausgebeutet werden aber nicht nur die Menschen in den Ländern der Dritten Welt. Auch die Natur muss daran glauben, wenn es darum geht, den Profit zu erhöhen und die Herstellungspreise zu drücken.

Als Beispiel besonderer Skrupellosigkeit taucht in dem Buch immer wieder der Shell-Konzern auf: Die sang- und klanglose Versenkung der Ölbohrinsel "Brent Spar" in der Nordsee war 1995 wegen der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht gelungen, aber wer erinnert sich heute noch an das Todesurteil gegen den nigerianischen Dichter Ken Saro Wiwa im selben Jahr? Wiwa stand an der Spitze der Protestbewegung gegen die Umweltzerstörung durch Shell in seiner Heimat. Dem Konzern mit der Muschel im Logo wird vorgeworfen, immer noch eng mit dem terroristischen Regime der nigerianischen Regierung zusammenzuarbeiten.

Andere kooperieren mit Rebellen. Der Chemieriese Bayer etwa tut es im Kongo. Es geht um das Metall Tantal, das im Coltan-Erz vorkommt und in Kondensatoren von Mobiltelefonen und Pentiumrechnern eingesetzt wird. Wie ein Krimi liest es sich, wenn Klaus Werner, der vor einem Jahr "Prost Mahlzeit! - Essen und Trinken mit gutem Gewissen" verfasst hat, beschreibt, wie er sich im Internet als Rohstoffhändler ausgibt und unmoralische Angebote legt. Ohne große Bedenken beißen Bayer und Samsung über Mittelsleute an. Trotz der Hinweise, dass das Metall über die Rebellen bezogen werde, von denen bekannt ist, dass sie rücksichtslos plündern und Schulmädchen vergewaltigen. Nicht nur das: Ein gehöriger Teil des Preises geht offenbar in die Bewaffnung der Kämpfer, wie Werner bei einer Reise an die Originalschauplätze feststellen musste. "Die westlichen Konzerne gießen Öl ins Feuer und wärmen sich daran die Hände", schreibt er.

Gefälscht & geschönt

Nicht minder spannend und deprimierend lesen sich die Recherchen von Hans Weiss, der mit dem Buch "Bittere Pillen - Nutzen und Risiken von Arzneimitteln" bekannt geworden ist. Auch er hat zur Informationsbeschaffung die Identität gewechselt. Als "Pharma-Consultant" machte er sich im Internet auf die Spur der Pharmaindustrie und ihrer Praktiken. Ohne Hemmungen werden da Forschungsergebnisse gefälscht oder geschönt, wenn es darum geht, neue Medikamente auf den Markt zu bringen.

Doch kein Pharma-Deal gelingt, wenn nicht auch die Gegenseite mitspielt: in Ungarn konnte Weiss mit Klinikchefs in Verbindung kommen, die bereitwillig Patienten für Tests mit noch nicht zugelassenen Medikamenten zur Verfügung stellen wollten. Nicht nur das: Eine Anzahl der Probanden sollte für die Versuchsreihe Placebos erhalten, obwohl es für deren Leiden wirkungsvolle Mittel auf dem Markt gibt. Doch es blieb nicht bei der Willenserklärung: Wie Weiss von seinen vorgeblichen Partnern in spe erfuhr, sind solche Vorgänge durchaus üblich und die Honorare hoch. Einer der Klinikchefs wollte auch noch einen Kurzurlaub für sich und seine Mitarbeiter als "Investigator Meeting" in Sizilien oder Irland herausschinden. Ähnlich machtlos steht der Verbraucher beim Bereich Erdöl den Konzernen gegenüber. Kaum ein Multi, der nicht Dreck am Stecken hat.

Schlimm steht es auch um die Lebensmittelerzeugung: In Nicaragua ruinieren sich die Landarbeiter auf Bananenplantagen mit Pflanzengiften, die anderswo verboten sind, die Gesundheit. "Chiquita", Nachfolgerin des unseligen Konzerns "United Fruits", der mit amerikanischer Hilfe bei Militärputschen Landreformen in Mittelamerika verhindern konnte, spielt dabei eine unrühmliche Rolle.

Boykott genügt nicht

Schlimm steht es auch um die Herstellung von Bekleidung: Nach dem ungeschriebenen Gesetz, nur beim Billigsten zu produzieren, werden unter unwürdigen Bedingungen in den asiatischen "Tigerstaaten", in China oder Zentralamerika die Stücke im Akkord genäht: In Hinterhöfen, ohne Schutzeinrichtungen, sieben Tage in der Woche, monatelang.

Was können die Konsumenten tun? Genereller Boykott wäre zu einfach, warnen die Autoren: Den Arbeitern ist meist nicht geholfen, wenn der in der Öffentlichkeit überführte Konzern die schäbigen Produktionsbedingungen zugibt und den Zulieferer wechselt. Dann werden die Arbeiter sofort gekündigt und haben gar nichts mehr. Gezielte Intervention bringt wesentlich mehr. Jeweils eine Doppelseite ist daher jeder der angeklagten Firmen gewidmet. Dort sind auch die Adressen zu lesen, an die klare und massive Aufforderungen zu besseren, fairen Produktionsbedingungen gerichtet werden können. Dazu gibt es Hinweise auf Alternativen: Transfair und Dritte-Welt-Läden vertreiben "sauber" hergestellte Ware.

Ein wenig hilflos wirkt in der sowohl übersichtlichen wie auch deprimierenden Rundumschau über unserer globalisierten Wirtschaft lediglich der Hinweis, weniger mit dem Auto zu fahren, um die Ölmultis zu boykottieren. Wie schreiben Weiss und Werner in ihrem Vorwort? "Dieses Buch wird Sie wütend machen." Stimmt genau.

Schwarzbuch Markenfirmen. Die Machenschaften der Weltkonzerne.

Von Klaus Werner/Hans Weiss. Deuticke Verlag, Wien 2001; 350 Seiten mit Abbildungen, öS 291,-/e 21,14

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