Entwarnung für Pille und Hormontherapie
Bei einer wissenschaftlichen Tagung in Salzburg stand vergangene Woche die Bedeutung der Hormone für die Frauengesundheit im Mittelpunkt. Fazit: Eine Hormonersatz-Therapie verlängert das Leben.
Bei einer wissenschaftlichen Tagung in Salzburg stand vergangene Woche die Bedeutung der Hormone für die Frauengesundheit im Mittelpunkt. Fazit: Eine Hormonersatz-Therapie verlängert das Leben.
Für viele Frauen ist der Begriff "Wechseljahre" (Klimakterium) mit Schrecken verbunden. Depressionen, Gelenkschmerzen oder Schweißausbrüche sind einige der Beschwerden, mit denen Frauen in dieser Zeit zu kämpfen haben. Ein Indiz dafür ist beispielsweise die Verschreibungsrate von Psychopharmakas: Sie steigt bei Frauen zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr in Österreich um 400 Prozent.
Ein Ausweg aus der Vielzahl von Beschwerden ist die Hormonersatztherapie, die aber von vielen Frauen, etwa aus Angst vor einem erhöhten Brustkrebsrisiko, abgelehnt wird.
Diese Ängste bestehen zu Unrecht, Hormone haben den "Schrecken" verloren; so der Tenor der Wissenschaftlichen Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, bei der vergangene Woche in Salzburg die Bedeutung der Hormone für die Frauengesundheit im Mittelpunkt stand.
Ärzte aus dem In- und Ausland diskutierten die zentrale Frage: Wird durch die Einnahme der Pille oder durch eine Hormonersatztherapie während der Wechseljahre das Krebsrisiko erhöht? Die Antwort der Ärzte fällt für Frauen sehr positiv aus: Eine Hormonersatztherapie könne die Lebensqualität deutlich steigern und das Leben grundsätzlich verlängern.
"Die generelle Krebssterblichkeit nimmt unter Hormonsubstitution (Ersatztherapie) um 29 Prozent ab", berichtet Universitätsprofessor Paul Sevelda, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im Wiener Krankenhaus Lainz und Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie. Und damit nicht genug: "Überwältigend sind die Ergebnisse bezüglich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, denn hier sank die Sterblichkeitsrate um 53 Prozent. Die Sterblichkeitsrate bezogen auf alle Erkrankungen reduziert sich um 37 Prozent. Das bedeutet insgesamt für Frauen eines: länger und gesünder leben."
Sevelda appelliert bei einer Pressekonferenz in Wien, bei der die wichtigsten Ergebnisse der Salzburger Tagung vorgestellt wurden, daß die Diskussion um die Hormonersatztherapie nicht von emotionalen Argumenten getragen werden sollte. "Aus meiner Sicht ist es die Aufgabe des Arztes, eine objektive Bewertung abzugeben. Denn viele Frauen lehnen von vorn- herein eine Hormonersatztherapie ab, weil es leider viele irrationale Ängste in bezug auf Brustkrebs gibt", so der Gynäkologe.
Minimale Zunahme von Brustkrebs Daß diese Ängste nicht ganz unbegründet sind, geben die Ärzte zu. Die Brustkrebshäufigkeit nimmt bei einer Hormonersatztherapie minimal zu. Von jeweils 1.000 Frauen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr, die keine Hormone nehmen, müssen statistisch gesehen 45 damit rechnen, an Brustkrebs zu erkranken. Bei Frauen, die fünf Jahre eine Hormonersatztherapie bekommen haben, sind es 47, und bei zehn Jahren 51 Frauen, die an Brustkrebs erkranken. Bei mehr als 15 Jahren Einnahmedauer liegt die Zahl der Erkrankungen bei 57 Patientinnen. Jedoch, so Sevelda, würde sich durch die Hormonersatztherapie die Biologie des Tumors verändern. Er sei meist weniger aggressiv. "Die Chance bei einer Erkrankung zu überleben, ist um 20 Prozent höher als bei jenen Frauen, die keine Hormone bekommen haben."
"Es muß jedoch gegenüber diesem relativ geringen Risikoanstieg der enorme Nutzen bezüglich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Osteoporose (Knochensubstanzverlust) beim Hormoneinsatz in Betracht gezogen werden", erklärt Universitätsprofessor Wolfgang Urdl von der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Graz. Vorsicht sei allerdings bei jenen Frauen geboten, bei denen mindestens zwei nahe Verwandte an Brustkrebs erkrankten. In diesem Fall muß eine genetische Veranlagung angenommen werden.
Um generell das Risiko für alle Frauen zu minimieren, fordert Sevelda eine regelmäßige, präventive Mammographie, unabhängig von der Hormonsubstitution, ab dem 40. Lebensjahr in einem Abstand von ein bis zwei Jahren. "Obwohl die entsprechenden Daten diesbezüglich klar und eindeutig sind, fehlt dieser wichtigen Maßnahme zum Wohle der Frauen noch immer die nötige gesundheitspolitische Unterstützung" kritisiert Gynäkologe Sevelda.
35 Prozent weniger Dickdarmkrebs Ein verstärktes Augenmerk auf die Früherkennung von Brustkrebs (Mamma-Karzinom) wäre schon alleine deshalb sinnvoll, da die Zahl der Brustkrebsfälle - vor allem bei jüngerer Frauen - steigt (siehe Grafik). Gero Luschin-Ebengreuth von der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Graz: "Die Häufigkeit nimmt aus verschiedenen Gründen zu. Zunächst ist das Mamma-Karzinom eine Art ,Zivilisationserkrankung' (siehe Kasten). Weiters ist aufgrund des sich ändernden Lebensrhythmus der Frauen die Zahl der älteren Gebärenden ansteigend und die Anzahl der jüngeren Frauen mit Brustkrebs nimmt ebenfalls zu." Mit rund 4.400 Fällen pro Jahr ist der Brustkrebs eine der häufigsten Krebsarten der Frau. In rund 40 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung tödlich. Wenn Brustkrebs früh erkannt wird, sind die Überlebenschancen signifikant besser.
Drastisch gesenkt - um 35 Prozent - wird durch die Hormonersatztherapie das Risiko von Dickdarmkrebs (2.100 Frauen sind davon jährlich betroffen). Die Sterblichkeitsrate sinkt gleich um mehr als die Hälfte.
Auch die Pille hätte wesentlich mehr Vorteile als Nachteile, meint Universitätsprofessor Heinrich Salzer, Vorstand der gynäkologischen-geburtshilflichen Abteilung des Wiener Wilhelminenspitals und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. So würde die Gefahr an Eierstockkrebs zu erkranken um 50 Prozent reduziert, wenn die Pille fünf Jahre lang eingenommen wurde. Besonders erfreulich: dieser "Schutz" hält auch noch etwa zehn Jahre nach Beendigung der Einnahme an. Ähnlich ist die Situation beim Gebärmutterschleimhautkrebs.
Für jede Hormonbehandlung gilt letztlich, empfiehlt Universitätsprofessor Johannes Huber, Vorstand der Klinischen Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Sterilitätsbehandlung der Universitätsfrauenklinik Wien, daß sie individuell auf die Patientin abgestimmt sein muß, denn: "Wie die zugeführten Hormone im Körper verarbeitet werden, ist von Frau zu Frau verschieden. Daher ist die wichtigste und sensibelste Kontrolle die Befindlichkeit der Frau. Das Problem der Hormonersatztherapie besteht generell nicht in der ,Gefährlichkeit' der Hormone, sondern in der potentiellen Gefahr einer Fehldosierung. Da müssen sich die Gynäkologen zusammenreißen und entsprechend reagieren," so Huber.
Brustkrebs Neuerkrankungen 1995 pro 100.000 Frauen Wien 79,1 Niederösterreich 89,1 Burgenland 84,6 Steiermark 102,7 Oberösterreich 80,8 Tirol 102,2 Salzburg - Voralrberg 10,6 Brustkrebsneuerkrankungen in Österreich 1983-1995 1983 3443 1984 3673 1985 3635 1986 3596 1987 3763 1988 4500 1989 4880 1990 3802 1991 4079 1992 4209 1993 4496 1994 4344 1995 4459