Esoterik in der Pandemie: Mit Schwingungen gegen das Virus
Ob motiviert durch den Glauben oder das Näschen fürs Geschäft: Esoterik und Energiearbeit boomen seit Jahren. Wie die Szene auf die Pandemie reagiert – und welche Gefahren sich daraus ergeben.
Ob motiviert durch den Glauben oder das Näschen fürs Geschäft: Esoterik und Energiearbeit boomen seit Jahren. Wie die Szene auf die Pandemie reagiert – und welche Gefahren sich daraus ergeben.
Möchte man sich mit dem eigenen Selbst auseinandersetzen – dann wird man im kleinen Geschäft von Nicole Kapolnek im Wiener Raimundhof fündig. Seit 16 Jahren verkauft die ausgebildete Yogalehrerein und Esoterikerin hier Produkte aus den Bereichen Energie, Lebenshilfe, Yoga, Spiritualität und mehr. Von Edelsteinen und Räucherstäbchen über Essenzen und Symbole bis zu Pendeln, Schmuck und einschlägiger Literatur – das Angebot ist riesig. „Ich möchte den Menschen helfen“, sagt Kapolnek über ihr Sortiment, „aber natürlich auch von meinem Geschäft leben können.“ Und für das eigene Wohlbefinden sind Konsumentinnen und Konsumenten bereit, einiges auszugeben. „Die Ohrstecker kosten 73 Euro? Naja, das muss man sich eben leisten“, findet eine Kundin.
Laut der Rechercheplattform Addendum wird die Esoterik-Branche in Österreich auf einen Umsatz von etwa vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Genaue Zahlen gibt es hier nicht, da einerseits die Grenzen der Esoterik nicht eindeutig sind, andererseits auch viel Schwarzarbeit betrieben werde. Allein gemeldete Humanenergetikerinnen und -energetiker gibt es in Österreich laut Wirtschaftskammer rund 18.000, Tendenz steigend.
Esoterik als neue Religion
Das steigende Interesse an der Esoterik erklärt die Psychologin und Psychotherapeutin Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen damit, dass sich zwar viele Menschen von traditionellen Religionsgemeinschaften abwenden, das Bedürfnis nach Spiritualität und Welterklärung jedoch bleibt. „Die Esoterik-Branche bietet hier Ersatz – und das mit einem quietschbunten, konsumorientieren Angebot“, so Schiesser. Neben Produkten förderten Seminare und Ausbildungen, in denen die eigene Besonderheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer propagiert werde, zudem den Gemeinschaftsgedanken, einem „inneren Kreis“ anzugehören. So ist auch der Begriff „Esoterik“ auf die altgriechische Bezeichnung für „dem inneren Bereich zugehörig“ zurückzuführen.
Im Fokus steht dabei das eigene Wohlbefinden, das mit genügend Arbeit an sich und der richtigen Vorstellungskraft optimiert werden kann. „Alles was passiert, ist von uns selbst kreiert. Dieser Gedanke ist sehr präsent“, erklärt Schiesser. „Läuft etwas nicht gut, ist man meist selbst daran Schuld.“
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