Experiment Wissenschafterkarriere

Werbung
Werbung
Werbung

Der Weg zu einer Professur ähnelt einem großen Experiment - das schiefgehen kann. Die Furche fand nur drei Wissenschafter, die über das Scheitern schreiben wollten.

Hier sollte der Kommentar eines Professors stehen. Stattdessen gibt es eine kleine Historie des Scheiterns von Thomas Mündle.

Die Idee war ganz einfach: Zwei Nachwuchswissenschafter und zwei Professoren sollten etwas über die Möglichkeit des Scheiterns in der Wissenschaft schreiben. Aufgrund eines Missverständnisses hat es mit dem Kommentar eines Herrn Professors nicht geklappt. Das war am Freitag. Doch ließ sich an diesem Tag kein anderer Kommentator mehr finden. Warum?

Professor 1 war trotz zahlreicher Versuche telefonisch unerreichbar. Die Sekretärin von Professor 2 teilte höflich mit, dass der Professor heute völlig verplant sei und es die ganze nächste Woche sehr schlecht aussehe. Professor 3 entschuldigte sich, dass er gleich in eine Sitzung müsse und bis Juni dann im Ausland sei. Doch er war so nett einen Kollegen zu empfehlen.

Dem Kollegen - Professor 4 - fiel zum Thema Karriere sogleich einiges ein. "Als Mediziner dürfen Sie nicht zu gut sein, weil in den Berufungsverfahren nehmen wir nur die Dritt- oder Viertgereihten. Weil neben so einem richtigen Topwissenschafter, der was weiß und auch was leistet, sehen wir doch blass aus. Und wenn Sie als Nachwuchstalent ins Ausland gehen. Gut so. Wir holen Sie sicher nicht mehr zurück", meinte er leicht zynisch. Doch einen Kommentar dazu verfassen - und namentlich genannt werden- das wollte er nicht.

Bei Professor 5 - einem Philosophen - versuchte ich es mit einer Provokation: Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung habe kürzlich die "prinzipielle Geringschätzung der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften in der Öffentlichkeit" festgestellt. Wie das denn sein könne, wenn doch gerade diese Fächer das so notwendige Orientierungswissen für unsere Zeit bieten sollen? Der Professor erwiderte, dass Qualitätsmängel in seinem Fach ein spannendes Thema seien, er sich aber dazu nicht öffentlich äußern möchte - auch um sich nicht den Zorn seiner Kollegen zuzuziehen. "Aber in ein paar Jahren bin ich pensioniert, dann kann ich leichter sagen, was ich denke."

Professor 6 - Biowissenschafter an einer prominenten Adresse - beklagte sich bitter über die Ablehnung seines Forschungsantrags: "Beim ersten Mal wurde das Projekt abgelehnt, weil ein Gutachter forderte, dass wir Vorarbeiten leisten. Nachdem wir - ohne Entgelt - ein halbes Jahr Experimente gemachten hatten, reichten wir erneut ein und wurden abermals abgelehnt, weil wir diesmal andere Gutachter zugeteilt bekamen." Für einen Kommentar war er nicht zu gewinnen. "Ich will es mir ja nicht mit dem FWF (Anm. dem Wissenschaftsfonds) verscherzen."

Der Autor ist als Wissenschafter "gescheitert" & schreibt als Furche-Redakteur gerne über Wissenschaft.

Sabine Frühstück ist nicht gescheitert, sondern Professorin geworden - in den USA.

Die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften tun sich traditionell um einiges schwerer als beispielsweise Brückenbauer, Mathematiker oder Mediziner, gute von sehr guter Arbeit zu unterscheiden, und neigen dazu, von Widersprüchen, Förderungs- und Selektionsstrategien geprägt zu sein, die Frauen systematisch benachteiligen.

Will man das wissenschaftliche Potenzial von Frauen nutzen, müssten die notwendigen Schritte zuallererst von der Institution Universität gesetzt werden. Für eine unbedingt notwendige Maßnahme halte ich die Einführung eines regelmäßigen, internationalen, anonymen und leistungsbezogenen Evaluierungsverfahrens, das an die Etablierung von langfristigen Karrieremöglichkeiten gekoppelt ist. Dafür gibt es gute Modelle, beispielsweise an der University of California. Ein solches Verfahren würde helfen, all jene "persönlichen" Faktoren bei Bestellungs- und Beförderungsverfahren auszuhebeln, die mit der Qualität der geleisteten Arbeit in Forschung und Lehre nichts zu tun haben. Auf diese Weise würde automatisch wahrscheinlich der entscheidenste Beitrag zur Gleichbehandlung von Frauen geleistet und außerdem der internationale Charakter, den Wissenschaft haben sollte, gestärkt. Karrieren nicht willkürlich zu befristen (das neue österreichische Modell), ohne dass sie an ein annähernd objektives Leistungsschema gekoppelt sind, halte ich für beinahe genauso tödlich für wissenschaftliche Produktivität, wie Karrieren willkürlich nicht zu befristen (das alte österreichische Modell).

Bis man sich mit einem leistungsbezogenem System anfreunden kann, kann die oberste Devise angehender Wissenschafterinnen nur bleiben, Unabhängigkeit anzustreben. Frauen können sich nicht darauf verlassen, dass Professoren ihnen gegenüber ihre Mentorenrolle mit der gleichen Gewissenhaftigkeit erfüllen wie ihren männlichen Kollegen gegenüber. Frauen sollte sich spätestens im Dissertationsstadium ein eigenes Netzwerk aufbauen, das aus Kolleg/inn/en besteht (anderen Dissertand/inn/en beispielsweise, mit denen man Geschriebenes austauscht), das aber auch über die Grenzen des eigenen Instituts, der eigenen Universität und des eigenen Landes hinausreicht. Frauen sollten sich regelmäßig in Situationen versetzen, in denen sie sich mit anderen messen und im Vergleich sehen können (wie beispielsweise bei einem Konferenzvortrag) und daher zu einer Selbsteinschätzung gelangen, die nicht von ein oder zwei Professoren im eigenen Institut überdeterminiert ist.

Die Autorin hat in Wien studiert und ist Professorin für japanische Kulturwissenschaften an der University of California, Santa Barbara.

Die Scientific Community spricht nicht über Scheitern, findet Nikola Langreiter.

Wird in der Wissenschaft über das Scheitern gesprochen, geht es meist um einige wenige und spektakuläre Fälle: Plagiate, Fälschung und Betrug, fatale Irrtümer. Davon abgesehen können Wissenschaft und Scheitern nicht zusammengehen.

Für ein Forschungsprojekt haben wir 25 Wissenschafter/innen im deutschen Sprachraum und in Bulgarien interviewt. Unter anderem untersuchten wir diese Gespräche in Hinblick auf das Thema Scheitern. Gegen unsere Erwartungen glichen, respektive unterschieden die Erzählungen dazu nur nach zwei klassischen Kategorien: Generation und Geschlecht.

Das Leben von Wissenschafter/inne/n ohne fixe Anstellung hat viel mit Pleiten, Pech und Pannen zu tun. Obwohl die "Freien" außerhalb universitärer Strukturen arbeiten, sind die Kriterien für Erfolg an jene althergebrachten Universitätskarrieren angelehnt, die sich heute kaum mehr verwirklichen lassen. Scheitern ist vorprogrammiert.

Auch in Auseinandersetzungen mit Gender und Wissenschaft ist das Phänomen präsent. Sie legen vielfach nahe, dass Frauen hier nur scheitern können. Es hat wohl auch mit diesen Diskursen zu tun, dass Professorinnen und "Freie" Scheitern viel eher thematisieren als ihre etablierten Kollegen.

Wenn Frauen und Männer vom Scheitern sprechen, dann auf ganz andere Art und Weise. Unabhängig von der Position präsentieren Männer sich als Individuen, die ihre durchaus brüchiger gewordenen Berufsverläufe autonom und erfolgreich gestalten. In dieses Erzählmuster lassen sich weder Misserfolge und Krisen noch private Erfahrungen integrieren. Wissenschafter scheitern nicht, sie orientieren sich um. Frauen hingegen erzählen viel über äußere Hindernisse und Herausforderungen, über wiederholtes Scheitern auf allen Ebenen. Das trifft auch auf jene zu, die eine glatte Uni-Karriere absolviert haben. Letztlich erscheinen sie umso erfolgreicher: Sie haben es trotzdem geschafft. In Konsequenz scheitern - aus autobiografischer Perspektive - also Wissenschafterinnen ebenso wenig wie ihre Kollegen. Besprechbar wird das ganz alltägliche Scheitern in seinen zahlreichen Facetten innerhalb der Scientific Community damit nicht.

Die Autorin ist freie Wissenschafterin und Biografieforscherin.

Für Bernhard Egger ist Scheitern in der Wissenschaft Programm.

Zuallererst ein herzliches Dankeschön an meinen ehemaligen Studienkollegen und jetzigen Furche-Redakteur Thomas Mündle, der beim Thema "Scheitern in der Wissenschaft" gleich an mich gedacht hat. Aber das nehme ich nicht persönlich: Scheitern ist in der Wissenschaft Alltag, ja sogar Programm. Versuch und Irrtum - am besten lernt man aus Fehlern, auch aus den Fehlern anderer. Überhaupt sind viele der größten Entdeckungen Zufallsfunde, man findet etwas, wonach man gar nicht gesucht hat.

Ich forsche an Plattwürmern. Diese Tierchen sind wahre Regenerationskünstler. Denn sie verfügen über Stammzellen, die sich in jede beliebige Körperzelle ausdifferenzieren können. Wenige Wissenschafter beschäftigen sich mit diesen totipotenten, also "allmächtigen" Stammzellen, es gibt keine Lobby zur Unterstützung der eigenen Interessen. Das macht die Bewilligung von Projektanträgen noch schwieriger. Ohnehin wird vom FWF (Anm. dem Wissenschaftsfonds) nur zirka jedes fünfte Projekt finanziert; der Großteil der Anträge wird also abgelehnt. Gleichzeitig ist der Erfolgsdruck hoch - publish or perish. Publiziert werden nur die Sensationen, die wissenschaftlichen Durchbrüche. Je angesehener die Fachzeitschrift ist - gemessen in der Einheit "Impact Factor" -, desto eher findet man eine neue Stelle. Leider werden seit einigen Jahren an österreichischen Universitäten nur noch befristete Stellen für wissenschaftliches Personal ausgeschrieben. Läuft die Stelle nach zwei bis vier Jahren aus, muss man sich eine neue Arbeitsstelle suchen, oft im Ausland. Da ist dann auch das Scheitern der Familie vorprogrammiert und es verwundert nicht, dass nicht nur der wissenschaftliche Nachwuchs, sondern auch der Nachwuchs von Wissenschaftern ausbleibt. Nach wie vor ist kein Kollektivvertrag für Wissenschafter in Kraft, der wenigstens Mindeststandards garantieren würde.

Aber Forschung macht Spaß, und wenn ich untergehe, dann nur mit voll gesetzten Segeln. Letztendlich scheitert nur derjenige, der selbst aufgibt, auch in der Wissenschaft.

Der Autor hat eine (befristete) Assistentenstelle am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung