Werbung
Werbung
Werbung

Film gehört längst zum kulturellen Erbe. Doch dieses Erbe ist bedroht, weil die Digitalisierung der Filmproduktion die Archivierung gefährdet.

Die meisten Stummfilme sind unwiederbringlich verloren. Schätzungsweise nur jeder fünfte Streifen aus der Frühzeit der Filmgeschichte ist bis heute zumindest in Teilen erhalten geblieben. Möglicherweise droht dem aktuellen Filmschaffen ein ähnlich massiver Schwund. "Die digitale Filmproduktion der Gegenwart droht in ein kulturgeschichtliches Schwarzes Loch zu fallen“, warnt Alexander Horwath, Direktor des Österreichischen Filmmuseums in Wien.

Festplatten sind keine Archive

Der Grund für den drohenden Verlust liegt in der digitalen Revolution. Die klassischen Filmrollen aus Sicherheitsfilm, der sich um 1950 endgültig durchsetzte, sind ein hervorragendes Speichermedium. Sie halten bei guter Lagerung mindestens ein Jahrhundert und die aufeinanderfolgenden Einzelbilder, aus denen eine Filmrolle besteht, lassen sich mit relativ einfachen Maschinen - Filmprojektoren - in bewegte Bilder verwandeln. Seit Filme nicht mehr auf klassischem Negativmaterial gedreht und auf Filmrollen verbreitet werden - Film-Fundamentalisten wie Horwath sprechen nicht mehr von "Film“ sondern von "digitalen Laufbildern“ - ist Film ein flüchtiges Medium geworden. Es gibt kein greifbares Medium mehr, Bild- und Tonmaterial wird fast nur noch digital aufgenommen und in Form elektronischer Dateien auf Festplatten gespeichert.

Jeder Computernutzer weiß, wie schnell Dateien aufgrund eines Hardwareschadens oder eines simplen Bedienungsfehlers für immer verloren gehen können. Und Festplatten, die mangels Alternativen zum Speichern digitaler Filme verwendet werden, sind als Speichermedium denkbar ungeeignet. Festplatten sind für Dauerbetrieb ausgelegt; werden sie länger nicht benutzt, geben sie bald den Geist auf. "Wir haben Festplatten nach einem Jahr wieder angesteckt: Sie haben nicht mehr funktioniert und alle darauf befindlichen Daten waren verloren“, sagt Regisseur Georg Misch, Ko-Geschäftsführer der Wiener Produktionsfirma Mischief Films: "Da hat für uns das Digitale Dilemma begonnen.“ So wird die Problematik in Fachkreisen genannt.

In Hollywood werden digitale Filme zwecks sicherer Archivierung auf 35-Millimeter-Film zurückbelichtet. Für kleine Produktionsfirmen ist das jedoch viel zu teuer. Bei unabhängigen Produktionsfirmen und Filmarchiven setzt sich international derzeit das System "Linear Tape Open“ (LTO) durch. Dabei werden digitale Daten auf einem robusten Magnetband mit solider Fehlerkorrektur und vielfachen Kontrollmechanismen gespeichert. Nach Angaben der Hersteller beträgt die Haltbarkeit der Bänder 30 Jahre, bei temperaturkontrollierter Lagerung mehr als 50 Jahre. Mischief Film hat nun als Erster in Österreich ein Angebot für eine effektive Filmdatensicherung auf die Beine gestellt: "Digital.Film.Safe“. Gegen Entgelt werden digitale Filmdaten auf LTO kopiert, auf Wunsch können die Kopien im Österreichischen Filmmuseum oder im Filmarchiv Austria unter optimalen Bedingungen gelagert werden.

Keine Ideallösung

Eine Ideallösung ist das nicht. "30 Jahre sind im archivarischen Denken eine kurze Zeit“, räumt Misch ein. Außerdem kann er nicht garantieren, dass es dann noch die zum Lesen der LTO-Bänder notwendigen Laufwerke geben wird.

Ein Problem, das Kunstsammlungen und Museen in Zusammenhang mit längst vergessenen Video-Formaten aus den 1970er Jahren nur allzu gut kennen. Auf den Bändern aus jener Zeit ist zwar noch Information gespeichert - doch es gibt keine funktionierenden Geräte mehr, um die Aufzeichnung eines Happenings oder den visuellen Part einer Videoinstallation abzuspielen. Misch: "Wir müssen trotzdem jetzt damit beginnen, das Filmschaffen der letzten Jahre auf diesem Weg zu sichern. Nichts tun und hoffen, dass es bald ein perfektes Archivierungssystem gibt, ist die schlechtere Lösung.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung