Fischer, Fischler – und die Volkswahl
Die FURCHE-Herausgeber
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Es war beim FURCHE-Heurigen Ende Juni: Heinz Fischer war unter den Gästen – und seine Anwesenheit nährte das Geraune um die nächste Präsidentenwahl. Dass er noch einmal antreten wird, stand außer Zweifel. Aber gegen wen? Gibt es – so die Flüsterfrage – überhaupt jemanden, der ihm Paroli bieten kann? Der (oder die) imstande wäre, der Volkswahl – als Votum zwischen verschiedenen Bewerbern und Amtsvorstellungen – auch diesmal Sinn zu geben?
Es war ein Parlamentarier, der an diesem Abend einen gemeinsamen Kandidaten von VP und Grünen ins Spiel brachte. Als demokratisch herzeigbare, kraftvolle Alternative. Und auch, um Fischer nicht am Ende mit FPÖ- und BZÖ-Bewerbern allein zu lassen. Ein Name lag schnell auf der Hand: Franz Fischler.
Frage nach Sinn der Volkswahl
Inzwischen hat sich der EU-Tiroler bewusst aus dem Spiel genommen: mit seinem Vorschlag, dieses eine Mal auf die Volkswahl zu verzichten und dafür das Parlament zur Wiederwahl Fischers antreten zu lassen. Zugegeben, es war nicht Fischlers überzeugendste Idee: Wer würde schon einer solchen Anlass-Änderung der Bundesverfassung zustimmen?
Was aber bleibt, ist die Grundsatzfrage um den Sinn der Volkswahl des Bundespräsidenten. Und der interessierte Blick auf Nachbarn wie Deutschland – mit seiner Wahl des (verfassungsmäßig schwächeren) Staatsoberhauptes durch die Bundesversammlung. Die Idee unserer Verfassungsväter ist bestechend schön: Über das höchste Amt im Staat entscheiden die Bürger direkt. Das gibt dem Präsidenten enorme Autorität. Nur: Wo, außer bei Staatskrisen, darf er sie nutzen? Gehört nicht Rollenverzicht zu den Grundtugenden in der Hofburg? Und: Entsprechen Wähler-Mobilisierung und Aufwand diesen realpolitischen Begrenzungen?
Ich erinnere mich an Gespräche mit Kurt Waldheim: Ohne Volkswahl wäre ihm (und Österreich) der monatelange öffentliche Vernichtungsfeldzug wohl erspart geblieben. Umgekehrt: Ohne Wissen um seinen Rückhalt im Volk (54 Prozent) hätte er die sechs Jahre kaum durchgehalten.
Ich erinnere mich auch an Überlegungen bei Kirchschlägers und Klestils Wiederwahl: Wie viel Überparteilichkeit verträgt eine Volkswahl?
Fischers unbeschwerter Sommer
Wer die Präsidentenwahlen seit 1951 mit den jeweiligen Mehrheiten im Parlament vergleicht, erkennt bald: Eine Kür durch die Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) statt der Volkswahl hätte manch andere Kandidaten und Wahlsieger (samt späterer Wiederwahl) gebracht. Ob das den politischen Weg unseres Landes verändert hätte, ist reine Spekulation – und ist als Argument gegen den demokratischen Wert der Volkswahl plus Zuwachs an Freiheit und Autorität für den Wahlsieger sicher zu leichtgewichtig.
Für 2010 gilt also: 1. Die Volkswahl bleibt – übrigens erstmals im gesamten Bundesgebiet ohne Wahlpflicht. 2. Die Demokratie ist kein Einspar-Faktor. 3. Überzeugende Alternativen zu HF sind weiter gefragt – auch wenn die VP die Präsidentenwahl „eigentlich schon verbockt hat“ (© VP-Schützenhöfer). 4. Ein schwarz-grüner Probelauf ist nicht in Sicht. Und Heinz Fischer kann 5. den Rest-Sommer unbeschwert genießen.
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