Lücke, die (feminin)
FOKUSFrauen im Film: Schweigen heißt nicht Bedeutungslosigkeit
Die Filmindustrie schnürt Frauen ein enges Korsett. Ob bei der Rollenverteilung oder der Anzahl der Sprechminuten – die Lücke ist unübersehbar. Doch Schweigen heißt nicht gleich Bedeutungslosigkeit.
Die Filmindustrie schnürt Frauen ein enges Korsett. Ob bei der Rollenverteilung oder der Anzahl der Sprechminuten – die Lücke ist unübersehbar. Doch Schweigen heißt nicht gleich Bedeutungslosigkeit.
Dieser Text könnte ein weiterer von vielen in den vergangenen Jahren – glücklicherweise – vielerorts bereits erschienenen und wertvollen Texten werden, der Statistiken zitiert. Zum Beispiel über den immer noch geringen Anteil von Frauen in den Berufen Regie, Produktion, Festivaldirektion und den noch geringeren Anteil von Frauen über 35 im Bereich Hauptrolle. Statistiken, die sich von Jahr zu Jahr leider kaum unterscheiden und deutlich machen: Hier klaffen große Lücken, die nur durch tiefgreifende strukturelle Veränderungen gefüllt werden können. Momentan stehen für jede dieser Lücken sofort mindestens fünf Männer bereit, die sich ihrer Verantwortung für Kindererziehung, Pflegearbeit, Haushalt und so weiter, ohne groß zu fragen, einfach entledigt haben – und denen der schier nicht zu tilgende Gender-Pay-Gap darin auch noch recht gibt.
Doch anstelle einer Statistik werde ich diesen Text kapern für eine persönliche Sicht auf das Thema. In meiner bisherigen Laufbahn als Filmkritikerin und Kulturjournalistin habe ich es immer wieder erlebt, dass Kollegen, also Männer, ungefragt etwas getan haben und dafür in 99 Prozent der Fälle Beifall ernteten, völlig irrelevant, ob die Qualität ihrer „Leistung“ gen null tendierte oder nicht. Nun geht es mir gar nicht um Beifall, sehr wohl aber um das Gefühl, mich zu benehmen, als hätte ich das volle Recht dazu, meine Meinung auch ungefragt zu äußern und ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass mein Gehabe auf kein nennenswertes Hindernis stoßen wird. Gelernt habe ich das nie. Auch als Kind der Achtziger musste ich es mir erst ganz bewusst angewöhnen, mir „Rechte“ „rauszunehmen“, die für Männer stets Gegebenheiten waren. Und ich habe mich daran noch immer nicht gewöhnt. Das erste – und womöglich einzige – Hindernis, worauf ich mit dieser Haltung also stoße, bin ich selbst, eine Frau.
Bilder machen Leute
Als Filmkritikerin setze ich mich seit 20 Jahren beruflich mit Frauen in der Filmindustrie auseinander – und ich sehe, wie Bilder sowohl Frauen als auch Männer „machen“. Deshalb appelliere ich für eine Schule des Sehens, für visuelle Bildung schon im Kindergarten. In soziopolitischem und kulturellem Kontext bilden Darstellungen und Wahrnehmungen von Weiblichkeit und „Frausein“ sowie von Männlichkeit und „Mannsein“ das immaterielle Fundament für ein gesellschaftliches, kulturelles und nicht zuletzt wirtschaftliches System, das Mädchen wie Buben von klein auf schon ganz bestimmte Rollen zuschreibt – und ganz bestimmte Rollen nicht zuschreibt, um das Gefüge nicht zu gefährden.
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