Gehörlose und Schwerhörige: Wir haben Rechte!
Gehörlose und Schwerhörige wurden in der Covid-19-Pandemie vergessen - aber nicht nur hierbei. Warum ein selbstbestimmtes Leben für Betroffene oft nicht möglich ist. Ein Gastkommentar.
Gehörlose und Schwerhörige wurden in der Covid-19-Pandemie vergessen - aber nicht nur hierbei. Warum ein selbstbestimmtes Leben für Betroffene oft nicht möglich ist. Ein Gastkommentar.
Stellen Sie sich vor, Ihr Auto bleibt auf der Autobahn liegen. Es ist mitten in der Nacht, kaum Verkehr. Sie könnten die Nummer Ihres Verkehrsclubs, der Polizei, der Feuerwehr wählen. Aber was dann? Als gehörlose Lenkerin können Sie dem Abschleppdienst nicht erklären wo Sie sind. Oder weniger drastisch: Sie stecken im Lift eines Wohnhauses fest. Es gibt einen Notrufknopf. Aber am anderen Ende der Leitung sitzt einer, der Sie nur hören, aber nicht sehen kann. Und könnte er Sie sehen: Würde er die Österreichische Gebärdensprache verstehen?
Sie werden denken: „Das sind ja keine Alltagssituationen!“ Nein, Gott sei Dank sind sie das nicht. Aber die Covid-19-Pandemie ist zur Alltagssituation geworden, in der genauso auf gehörlose und schwerhörige Bürgerinnen und Bürger vergessen wurde, wie in anderen Zusammenhängen.
Barrierefreie Kommunikation
Während Anfang 2020 mit der Zunahme an Corona-infizierten Personen Ratlosigkeit, Unsicherheit und Angst um sich greifen, sind Politik und Medien rasch um Aufklärung und Kontrolle bemüht. Hände waschen, Abstand halten, Maske tragen, Abstriche testen, Quarantäne einhalten, Intensivbetten voll, Schulen zu, Grenzen zu, impfen – Wer? Wann? Was? Es vergeht wertvolle Zeit, bis unverzichtbare Information in die Österreichische Gebärdensprache gedolmetscht und in Streams, auf Webseiten in Videos barrierefrei zugänglich gemacht wird.
Es vergeht noch mehr Zeit und bedarf hartnäckiger Interventionen, um zu vermitteln, dass die gehörlosen Mitmenschen nun zwar wüssten, was zu tun sei, nur: Kommunikation mit Maske, das funktioniert nicht. Zahlreiche Anfragen, Nachfragen und Erklärungen an höchste Stelle hat es bedurft, bis die Maskenpflicht für Menschen, die in Gebärdensprache kommunizieren, angepasst wurde: Sie dürfen bei Vorlage ihres Behindertenpassen (sic!) die Maske während der Kommunikation abnehmen. Warum? Weil Gebärdensprache ohne Mimik und Mundbild (das sind die Mundbewegungen beim Formen von Worten und Abbilden von Emotionen) so unvollständig ist wie eine Lautsprache ohne Vokale.
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