Generation Praktikum: Wie junge, gebildete Menschen verzweifelt nach Jobs suchen
Die "Generation Praktikum" ist auch in Österreich ein Begriff. Ausgestattet mit vielen akademischen Titeln, suchen junge Menschen verzweifelt nach Jobs. Ihr Motto: "Wer will mich? Jung, gebildet sucht ..."
Die "Generation Praktikum" ist auch in Österreich ein Begriff. Ausgestattet mit vielen akademischen Titeln, suchen junge Menschen verzweifelt nach Jobs. Ihr Motto: "Wer will mich? Jung, gebildet sucht ..."
„Mein Leben ist keine Feier. Ich bin trotz Doppelstudium, Promotion mit Auszeichnung und Post-Graduate-Ausbildung kein ,gemachter Mann'. Nach eineinhalb Jahren Jobsuche (= Erwerbslosigkeit, da man als Jungakademiker keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat und somit auch in keiner Statistik aufscheint) fand ich schließlich eine Stelle an einem außeruniversitären Forschungsinstitut als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Während meiner Suche lehnte ich unbezahlte Praktika ab. Viele meiner Kollegen taten dies nicht: Sie dienten gratis monatelang und landeten erst wieder in der Arbeitslosigkeit.
Jetzt habe ich zwar eine Stelle, doch das Engagement ist befristet und die Bezahlung ist nur knapp existenzsichernd. An Familiengründung oder Pensionsvorsorge ist nicht zu denken. Ich gehe nicht 'wie alle jungen Leute' ständig auf Partys, wie Bildungsministerin Gehrer meint, und gründe deswegen keine Familie. Faktum ist, dass ich mir trotz Arbeit eine Familie wirklich nicht leisten kann, und das empfinde ich als persönliches Opfer", sagt Patrick, 29 Jahre, Master of Advanced International Studies in einem Erfahrungsbericht auf der Plattform "Generation Praktikum".
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Die klassische Karriere ist selten geworden. Ein abgeschlossenes Studium, dann ein Einstiegsangebot und schließlich die gut bezahlte Fixanstellung ist für viele Jungakademiker in Österreich ein Wunschtraum. Prekäre Arbeitssituationen sind in der Alpenrepublik keine Randerscheinung mehr, sondern ökonomischer Alltag. Es wäre ja jeder Unternehmer dumm, würde er nicht statt einer Einsteigerposition ein Praktikum anbieten. Der rechtliche Rahmen fehlt: Unter dem Deckmantel Praktikum oder Volontariat kann sich eine unbezahlte, befristete Tätigkeit verstecken. Es gibt keine Kontrollen, ob der Praktikant oder Volontär Fertigkeiten, die er in der Schule oder im Studium gelernt hat, ausprobieren kann (wie es das Gesetz vorsieht), oder ob er als billige Arbeitskraft 40 bis 60 Stunden pro Woche arbeitet.
Die jungen Leute lassen sich bereits mit 350 Euro/Monat oder weniger abspeisen und sind durchaus bereit, unbezahlte Überstunden zu leisten, bestätigt Anna Schopf, Initiatorin der österreichischen Plattform Generation Praktikum. Die wenigsten mucken, denn oft genug hallte der Ruf aus der Wirtschaft, dass die Firmen neben einem Studium auch Arbeitserfahrung erwarten, sonst habe man keine Chance am Arbeitsmarkt. Und Chancen vergeben Chefs immer seltener.
Es muss auch nicht sein, denn die Studenten und Schüler wissen, dass sie Arbeitserfahrung in ihrem Wunscharbeitgebiet bei den Bewerbungen angeben müssen, da spielt dann oft die Bezahlung keine Rolle mehr, Hauptsache man hat endlich ein paar Monate Praktikum im Lebenslauf stehen. Dramatisch wird's jedoch, wenn nach dem Studium ein Praktikum nach dem anderen gemacht wird, nur um ja nicht Arbeitslosigkeit im Curriculum Vitae stehen zu haben, was gemeinhin als reine Faulheit ausgelegt würde. Wer arbeiten will, findet auch Arbeit, nicht wahr?
Arbeit statt Ferien
Irmgard Barosch, Partner und Head of Office der Personalberatungsagentur Iventa in Wien, warnt junge Leute davor, nach dem Studium noch ein Praktikum zu machen: "Das rate ich generell niemandem, wenn jemand ein Studium abgeschlossen hat, dann ab in den Job." Barosch sieht generell die Situation für Jungakademiker am Arbeitsmarkt nicht negativ. Doch es komme darauf an, wie man bei der Suche vorgeht. Es sei besonders wichtig, auf die Stellenausschreibung einzugehen und zu prüfen, ob das eigene Profil mit den Anforderungen in der Ausschreibung übereinstimmt. Es reiche nicht aus, eine standardisierte Bewerbung zu versenden, jede Zusendung muss auf das Unternehmen zugeschnitten sein. "Sich bewerben bedeutet viel Arbeit, aber so bekommt man auch Vorstellungsgespräche, und das ist das Entscheidende", sagt Barosch.
Laut der Personal-Expertin bedarf der Karrierestart Planung auch im Sinne der Praktikumsauswahl. Sie denkt dabei an Praktika in den Sommerferien. Es sei wichtig, dass man sich jedes Jahr um ein Praktikum kümmert. Der Bereich spiele nicht so eine große Rolle, wichtiger sei, dass man arbeite. Bringt der Bewerber Praktika-Erfahrung aus verschiedenen Branchen mit, so bedeute dies für Rekruter und Personalbeauftragte, dass er nicht nur verschiedene Bereiche der Wirtschaft kennen gelernt habe, sondern sich auch in unterschiedlichen Teams integrieren musste.
"Es ist nicht anzuraten, in den Ferien nur Ferien zu machen", sagt Barosch. Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre und das süße Studentenleben, das landläufig als Periode mit viel Müßiggang betrachtet wird, stößt manchen schon bitter auf. Barosch ist aber fest der Überzeugung, dass es bezahlte Praktika gibt, doch diese sind zu Weihnachten bereits vergeben. Wer erst nach Neujahr zu suchen beginnt, ist meist schon zu spät dran für "Geld-Jobs". Und ein richtiger Job solle es schon sein. Der Betrieb müsse den Praktikanten integrieren und mit wirklichen Aufgaben versehen.
Positiv ist eine Initiative der Volkshilfe. Die "Jobfabrik" unterstützt junge Menschen mit Lernbehinderungen und Entwicklungsrückständen bei ihrem Start ins Berufsleben. In einem Qualifizierungsbetrieb werden Jugendliche möglichst nahe an der wirtschaftlichen Realität ausgebildet.
Das mit der richtiger Arbeit nehmen einige Unternehmen sehr ernst, was dazu führt, dass Praktikanten mitunter zwar viel lernen, aber für einen Hungerlohn eine voll bezahlte Arbeitskraft ersetzen. Susi (Name geändert), 22, hat während ihres Studiums der Internationalen Wirtschaft ihr Pflichtpraktikum bei einer Agentur in München im PR-Bereich absolviert. Praktikanten erhalten dort ein Gehalt von rund 400 Euro. Ist die Firma mit den Praktikanten zufrieden, kann daraus ein Volontariat werden, das mit 600 bis 800 Euro pro Monat bezahlt wird. (In Österreich ist ein Volontär gesetzlich betrachtet an keine Arbeitszeiten gebunden, der Betriebsinhaber hat kein Weisungsrecht und der Volontär ist nicht in den Betrieb eingegliedert. Es besteht somit einerseits keine Arbeitsverpflichtung, anderseits aber auch kein Rechtsanspruch auf Entgelt; Anm.).
Nach gut einem Jahr mit einem Verdienst, der in keiner Weise existenzsichernd ist, schafft man, wenn man Glück hat, den Sprung zum Juniorberater. Der Jobeinstieg ist geschafft. In dieser Position winkt ein Vertrag mit einem Nettogehalt von zirka 1300 Euro, zwölfmal im Jahr. Ein Betrag, der zwar die Existenz sichert, aber in einer "teuren" Stadt wie München die Pläne bezüglich Familie oder Pensionsvorsorge in weite Ferne rückt. Nicht zu denken an Luxus wie mehrwöchige Urlaube und dergleichen. Vor allem in Branchen, die bei jungen Leuten als "cool" gelten wie Werbung, Public-Relation, Marketing oder Journalismus ersetzen Langzeitpraktikanten oder atypisch Beschäftigte oft Vollzeitarbeitskräfte.
Atypisch Beschäftigte
Negativ ist die Entwicklung, dass atypisch Beschäftigte in Österreich immer mehr werden. Darunter fallen unter anderem Selbstständige mit einem freien Dienstvertrag oder so genannte neue Selbstständige mit Werkverträgen. Dies trifft vor allem junge Menschen beim Einstieg ins Berufsleben. Laut Österreichischem Gewerkschaftsbund waren im Jahresdurchschnitt 2005 bereits 107.000 Personen atypisch beschäftigt. Die Arbeitssituation ist für "Atypische" prekär, da es keine kollektivvertraglichen Mindestlöhne und-gehälter gibt. Auch sonst gilt das Arbeitsrecht für diese Personen nicht, das heißt kein Krankenstand und kein Weihnachts-und Urlaubsgeld. Oft liegt eine Scheinselbstständigkeit vor, da der Dienstgeber vorschreibt, wann die Arbeit zu erledigen ist, Anwesenheit verlangt und den Mitarbeiter dennoch nicht anstellt.
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
Das Schlagwort Generation Praktikum bezeichnet für Josef Lentsch, Leiter des Karriereservice der Universität Wien, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes: "Fachkarrieren gibt es immer weniger. Die Patchwork-Karrieren nehmen zu, denn niemand weiß, was in zwei bis drei Jahren passiert. Konnte man früher nur mit BWL und Jus in der Wirtschaft Fuß fassen, so gilt das heute nicht mehr. Die Konkurrenz am Arbeitsmarkt nimmt zu, aber auch der Druck für Firmen den Richtigen zu finden."
Begleiteter Start ins Berufsleben
Positiv ist eine Initiative der Volkshilfe. Die "Jobfabrik" unterstützt junge Menschen mit Lernbehinderungen und Entwicklungsrückständen bei ihrem Start ins Berufsleben. In einem Qualifizierungsbetrieb werden Jugendliche möglichst nahe an der wirtschaftlichen Realität ausgebildet. Das bedeutet, dass reale Kundenaufträge in den Trainingsprojekten bearbeitet werden. In der Vermittlungsphase sammeln die Teilnehmer Berufserfahrung mittels Firmenpraktika. Weiters gibt es auch Firmenkooperationen, bei denen die Einschulung direkt im Betrieb stattfindet. Kooperationen gibt es mit: Austria Trend Hotels & Resorts, McDonald's und Spar. Bei Austria Trend werden die Jugendlichen beispielsweise ein Jahr in verschiedenen Bereichen trainiert und erhalten abschließend einen Arbeitsplatz als angelernte Mitarbeiter.
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