Hat der moderne Mensch zu viel Selbstvertrauen?
Viele Menschen misstrauen wissenschaftlichen Expertinnen und Experten sowie Institutionen generell. Dafür gibt es mehrere Gründe. Ist Selbstüberschätzung einer davon? Laut der Soziologin und Politikwissenschaftlerin Anna Durnová ist die Pluralisierung des Wissens aus den Fugen geraten.
Viele Menschen misstrauen wissenschaftlichen Expertinnen und Experten sowie Institutionen generell. Dafür gibt es mehrere Gründe. Ist Selbstüberschätzung einer davon? Laut der Soziologin und Politikwissenschaftlerin Anna Durnová ist die Pluralisierung des Wissens aus den Fugen geraten.
Der moderne Mensch vertraut sich selbst. Dem Lehrer erläutert er die vermutliche Hochbegabung der Tochter, zur Hausärztin bringt er die Selbstdiagnose mit, und der Elektronikfachverkäuferin referiert er die neuesten Onlinetestberichte. Ist die heutige Gesellschaft „zu selbstbewusst“ geworden? Nein, so die knappe Antwort. Die Langversion: Das Vertrauen in Institutionen und Menschen mit Expertise, das Bürgerinnen und Bürgern heutzutage oft fehlt, ist nicht einfach verpufft. Es hat sich verlagert – unter anderem auf die Schultern der und des Einzelnen.
Anna Durnová, Professorin für politische Soziologie an der Universität Wien, spricht von der „Individualisierung von Risiken“, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorangetrieben wurde. Ein Beispiel dafür ist die Erziehung: „Eltern sollen sich um ihre Kinder kümmern und ihnen ein sicheres Leben ermöglichen. Es liegt in ihrer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass ihnen nichts passiert – sei es auf dem Schulweg, in der Freizeit oder im öffentlichen Raum“, so die Soziologin. Sie liefert damit eine systemische Erklärung für die Überbehütung von Kindern, die der Psychologe Jonathan Haidt in seinem Buch „The Anxious Generation“ analysiert.
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