Jeder Arbeiter ist ersetzbar
"Eine Utopie für die digitale Gesellschaft" entwirft Richard David Precht in seinem jüngsten Buch "Jäger, Hirten, Kritiker". Die FURCHE ließ sich inspirieren und wirft einen Blick in die nahe (Arbeits-)Zukunft.
"Eine Utopie für die digitale Gesellschaft" entwirft Richard David Precht in seinem jüngsten Buch "Jäger, Hirten, Kritiker". Die FURCHE ließ sich inspirieren und wirft einen Blick in die nahe (Arbeits-)Zukunft.
Menschenleere Lagerhallen, selbstfahrende Autobusse und Roboter, die Pflegeleistungen durchführen - was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden, und jede Tätigkeit, deren Routinen algorithmierbar sind, sind ersetzbar. Die (Arbeits-)Welt steht Kopf.
Der Philosoph Richard David Precht sieht in der Digitalisierung die größte Zäsur der letzten 250 Jahre: Die Ära einer klassischen bürgerlichen Leistungsgesellschaft würde zu Ende gehen und durch ein zweites Maschinenzeitalter ersetzt werden, wird er nicht müde zu betonen: auf Podiumsdiskussionen, in Talkshows und in seinem jüngsten Buch "Jäger, Hirten, Kritiker". Hätte die industrielle Revolution lediglich die menschliche Hand durch Maschinen ersetzt, so ginge es nun um nichts weniger, als das menschliche Gehirn durch künstliche Intelligenz zu ersetzen. Macht das Angst? Ja.
Die Zustände, die die industrielle Revolution unmittelbar bedingt hat, prekäre Arbeitsverhältnisse, schlechte Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, konnten erst nach langem Ringen zu dem Wohlstand führten, den wir heute kennen. Heute sehen wir den langen dunklen Schatten der Digitalisierung schon um die Ecke biegen. Kann man ihn aufhalten? Weniger. Gestalten? Unbedingt. Soweit, so Precht. Von dieser Prämisse ausgehend, wirft der Philosoph in seinem jüngsten Werk "Jäger, Hirten, Kritiker" einen Blick in die nahe Zukunft, fatalistisch, drastisch und leidenschaftlich.
Dass das bedingungslose Grundeinkommen im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung in irgendeiner Form eingeführt werden wird, sieht Precht dabei als gegeben an. Seine Argumentation, vereinfacht gesagt: ohne Arbeit kein Einkommen, ohne Einkommen keine Kaufkraft und in weiterer Folge keine Pensionen. Die Produktion indes läuft und läuft -und läuft immer effektiver. "Die Digitalisierung ist die radikalste Spielart des Kapitalismus", behauptet Precht. Er sieht es als wahrscheinlich, dass die Digitalisierung die Produktivität gewaltig beflügeln wird, die Zahl der Beschäftigten aber nicht steigt. Die Krux neuer digitaler Geschäftsmodelle läge aber vor allem darin, dass sie gar nichts mehr produzieren. Geschäfte über eine Plattform zu machen, statt über herkömmliche Firmen oder Banken, erzeugt keinen Mehrwert. Schon heute hat You-Tube im Vergleich zu seinen Gewinnen kaum Angestellte: keine hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen es sein, bei einem Umsatz von mehreren Milliarden Keine Kleinigkeit also, diese neue Arbeitswelt.