Österreichs Geburtenrückgang ist dramatisch, so dramatisch, daß ihn die ansonsten ziemlich antriebsschwache Koalition nicht länger ignorieren kann.
Die ÖVP war von Anfang an auf Kinder und Familie abonniert, allerdings immer mit dem fatalen Beigeschmack, daß Familien nur mit hauptberuflichen Müttern funktionieren. Das Thema Kinder wurde dort immer gegen die Berufstätigkeit der Frau ausgespielt.
Die SPÖ macht den umgekehrten Fehler: Sie spielt die Berufstätigkeit der Frau gegen das Kinderthema aus. Dabei könnte das alte sozialdemokratische Musterland Schweden auch hier als Vorbild dienen: die Berufstätigkeit der Frauen ist deutlich höher als die in Österreich, aber auch die Geburtenrate übertrifft die österreichische bei weitem. Berufstätigkeit der Frauen und Kinderreichtum schließen einander nicht aus, wenn der Staat materielle und institutionelle Hilfe leistet.
Diese Hilfen (Kindergärten und Ganztagsschulen) sind in Österreich noch immer äußerst unzureichend - trotz langjähriger SPÖ-Regierung und trotz Frauenvolksbegehren.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, Kindern ein Existenzminimum zu sichern, war ein erster, wichtiger Schritt. Und auch die ÖVP-Forderung "Karenzgeld für alle" ist im Prinzip sinnvoll (wie übrigens auch die Kreisky'sche Geburtenbeihilfe eine sinnvolle Maßnahme war). Würde man das Karenzgeld in Kindererziehungsgeld umbenennen, dessen Höhe so bemessen, daß Mutter und Kind davon auch wirklich leben können, und würde der Staat für die nichtberufstätigen Mütter einen Ersatzbeitrag in den FLAF einzahlen, wäre man in diesem Streit schon weiter.
Der Umgang mit Kindern sagt viel über den Zustand einer Gesellschaft aus - ob sie ihr Verhältnis zur Vergangenheit geklärt hat, welche Werte den sozialen Kanon dominieren, wie sie auf die Zukunft zugeht. Mehr Kinder wären nicht nur ein Weg, den Generationenvertrag aufrechtzuerhalten, sie würden auch das Klima im Land ändern: es würde lebensbejahender, zukunftszugewandter, menschenfreundlicher. Ein Klima, das man derzeit in Österreich vermißt.
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