Tradwife, Tradwives, Feminismus, Nara Smith - © M. Schwarz

Läuten die Tradwives das Ende des Feminismus ein?

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Sie sind normschöne junge Frauen, die auf eine Karriere verzichten und sich in den sozialen Medien als Mütter und Hausfrauen inszenieren. Wie präsentieren sich "Tradwives" wie Nara Smith und Rachel Zimmerman, und was bezwecken sie?

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Sie sind normschöne junge Frauen, die auf eine Karriere verzichten und sich in den sozialen Medien als Mütter und Hausfrauen inszenieren. Wie präsentieren sich "Tradwives" wie Nara Smith und Rachel Zimmerman, und was bezwecken sie?

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Das Geheimnis ihres Erfolgs: Sie sind Virtuosinnen des kuratierten Lebens. Ob Nara Smith, Rachel Zimmerman oder Hannah Neelemann, die „Tradwives“ (auf Deutsch "traditionelle Ehefrauen") haben ein Händchen für das perfekte Outfit, die ideale Bildkomposition und das makellose Farbschema. Sie sind normschöne, meist weiße junge Frauen, vorrangig aus den Vereinigten Staaten, die auf eine berufliche Karriere verzichten und sich in den sozialen Medien als Mütter und Hausfrauen inszenieren. Feminin gestylt und stets fröhlich bereiten sie die aufwändigsten Gerichte zu und kümmern sich aufopfernd um ihre Kinder, und all das mit einer demonstrativen Leichtigkeit, die fasziniert – und provoziert.

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Denn die Tradwives beherrschen nicht nur die Kunst des Kochens und Backens. Mit jedem dreifach-gefilterten TikTok-Video und Emoji-überladenen Instagram-Posting vermitteln sie – ob gewollt oder unbeabsichtigt – ein konservatives Frauenbild, das grundlegende Ziele des Feminismus, wie das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit und beruflicher Selbstentfaltung, völlig auf den Kopf stellt.

Wenn Feminismus bedeutet, dass jeder Mensch die gleichen Rechte haben soll, sein Leben zu gestalten – warum sorgen die scheinbar selbstbestimmten Tradwives dann gerade unter Feministinnen für Empörung?

Warum die Tradwives empören

Und damit werfen diese Onlinepersönlichkeiten viele Fragen auf: Wenn Feminismus bedeutet, dass jeder Mensch – unabhängig von seinem Geschlecht – die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben soll, sein Leben zu gestalten – warum sorgen die scheinbar selbstbestimmten Tradwives dann gerade unter Feministinnen für Empörung?

Kritikerinnen dieser neuen Influencerinnen sehen allerdings eine ganze Reihe an Problemen, allen voran: Sie würden gerade den jungen, weiblichen Konsumentinnen von Social Media-Inhalten suggerieren, dass sie sich und ihre Lebensziele ihren Ehemännern unterordnen sollen, und diese könnten so möglicherweise in eine finanzielle Abhängigkeit schlittern.

Aber wer sind diese Frauen, die einen derartigen Sturm der Entrüstung entfacht haben?

Die Sterneköchin im Abendkleid: Nara Smith

„Mein Ehemann hat gerade riesige Lust auf Eiscreme, aber leider ist sie uns ausgegangen“, säuselt Nara Aziza Smith in die Kameralinse. Die 22-Jährige mit dem trendy, schwarzen Pagenkopf steht im schicken Designer-Abendkleid in ihrer weiß-beigen Küche. Rund acht Millionen Menschen verfolgen auf TikTok, wie sie Milch aufkocht, Eier aufschlägt, Zimt und Vanille beimengt und die Mischung – gefühlte 37 Arbeitsschritte später – im Kühlschrank abstellt. Das Schlagwort ist from scratch, auf Deutsch bedeutet das so viel wie „von Grund auf“. Die Botschaft: Wer seinen Ehemann und seine Familie liebt, der liest ihnen ihre kulinarischen Wünsche von den Augen ab und bereitet selbst das komplizierteste Gericht zuhause von Hand zu, anstatt es fertigzubereitet im Supermarkt zu kaufen.

Hinterlegt ist das Video mit einem schwungvollen Jazz-Lied, das an das Jahrzehnt erinnert, dessen Frauen- und Familienbild die in Südafrika geborene und in Deutschland aufgewachsene Nara Smith glaubt zu imitieren: Das Amerika der 1950er Jahre, eine Zeit, in der laut Statistiken etwa die Hälfte aller Frauen Hausfrauen waren. Mittlerweile lebt Smith mit ihrem Ehemann Lucky Blue Smith, optisch ist er eine Mischung aus James Dean und Leonardo DiCaprio, und ihren drei Kindern in Kalifornien. Außerdem ist Smith Mormonin – eine vor allem in US-amerikanischen Bundesstatten wie Utah verbreitete Religion, die traditionelle Rollenbilder vorsieht.

Die Christin in Pastel-Tönen: Rachel Zimmerman

Wer hat sich nicht schon einmal selbst dabei erwischt, etwas Schambehaftetes zu denken? Auch die Amerikanerin Rachel Zimmerman kennt dieses Gefühl: „Es ist für mich überraschend, wie oft ich in mir selbst eine moderne feministische Denkweise entdeckt habe“, gesteht sie auf ihrem Instagram-Kanal @zimcolorado. „Ein paar Mal habe ich buchstäblich vor Schreck nach Luft geschnappt, als mir einige meiner Gedanken und Handlungen bewusst wurden“.

Doch derart „schmutzige“ Ideen wischt die junge Mutter von vier Kindern rasch wieder beiseite. Schließlich wisse sie aus eigener Erfahrung, dass sich Frauen wie auch Männer in „traditionellen Ehen“ mit ihren jeweiligen Stärken perfekt ergänzen würden, so Zimmerman. Ihr Mann würde sie beschützen und finanziell für sie sorgen, während sie sich um den Haushalt kümmere und ihn respektiere.

In einem anderen Beitrag teilt Zimmerman ihre Gedanken zum heutigen Feminismus: „Die modernen Feministinnen haben eine Einstellung, die besagt: Ich will rausgehen und die Ernährerin sein, ich sollte nicht zu Hause bei meinen Kindern bleiben müssen, während mein Mann rausgeht und arbeitet und den ganzen Tag unter Menschen ist. Die Einstellung sagt: Ich fühle mich wertlos, wenn ich zu Hause bei meinen Kindern bin, ich will rausgehen und etwas Großes erreichen, ich will eine Chefin sein und es allen zeigen.“

Doch wann auch immer solche Impulse aufkommen, würde sie sich dagegen wehren, so Zimmerman: „Auch ich habe damit gekämpft, dass sich diese Einstellung einschleicht. Zum Glück nicht so sehr, dass ich überstürzte Entscheidungen treffe, aber dennoch hat sie sich hier und da gezeigt. Aber ich bin so dankbar, dass ich die "Werkzeuge" habe, um diese Einstellung zu bekämpfen. Ich bin so dankbar, dass ich Schwestern in Christus habe, die mich in dem ermutigen, was wirklich wertvoll ist. Ich bin dankbar, dass der Heilige Geist mir sagt, wenn meine Gedanken falsch sind.“

Die Fotos und Stories, die Zimmerman täglich auf ihrem Instagram-Kanal veröffentlicht, sehen übrigens schöner aus als jede Werbekampagne: perfekt inszenierte Porträts der Kinder, Szenen eines liebevollen Familienlebens und naturbelassene Landschaften. Und all das gefiltert durch sanfte Farbtöne von zitronengelb bis zartrosa. (Der neueste Familienzuwachs, ein süßer Corgi-Welpe, macht das Bild perfekt).

Die grazile Übermutter: Hannah Neeleman

Einst träumte Hannah Neeleman von einer Karriere als Balletttänzerin, und absolvierte sogar die hochangesehene Julliard-Schule in New York. Doch ihr Leben hat sich verändert: Gemeinsam mit ihrem Ehemann – beide entstammen mormonischen Familien – bewirtschaftet sie mittlerweile eine Landwirtschaft inmitten der Berge des US-Bundesstaates Utah. Die gutaussehende Neeleman – 2023 wurde sie sogar zur Mrs America gewählt – ist Mutter von acht Kindern, und gibt fast 10 Millionen Followern und Followerinnen Einblicke in ihr Familienleben auf dem Instagram-Kanal @ballerinafarm.

Warum sich die Ambitionen ihrer Jugend so drastisch veränderten, erklärt Neeleman auf ihrer Website „Ballerina Farm“: „Im Sommer vor meinem Abschlussjahr an der Juilliard School lernte ich Daniel kennen und verliebte mich in ihn. Man sagt: "Wenn man es weiß, weiß man es", und ich war mir sicher, dass ich die Liebe meines Lebens gefunden hatte. Wir waren nur ein paar Monate zusammen, bevor wir heirateten. Es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe“, so Neeleman. „Als ich im Herbst zur Schule zurückkehrte, war ich verheiratet und dachte an eine andere Zukunft.“ Auch ihr Ehemann habe seine aufkeimende Sportkarriere als Lacrosse-Spieler aufgegeben, und gemeinsam würden sie sich nun den Traum vom idyllischen Leben auf dem Bauernhof verwirklichen.

Girlboss, mach Platz für die Tradwife!

Mit ihrer Selbstdarstellung und ihren Aussagen sorgen Nara Smith, Rachel Zimmerman und Hannah Neeleman für Aufregung. Es ist nicht auszuschließen, dass ihre Inszenierung schlichtweg ein cleverer Trick ist, um Klicks zu sammeln. Dennoch haben die Tradwives durchaus relevante Fragen aufgeworfen. Ist ihre Ideologie eine legitime Spielart eines modernen Feminismus? Oder ist sie gar die logische Konsequenz einer Gesellschaft, in der mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten, starre Arbeitskonventionen und veraltete Rollenbilder es Frauen schwer machen, Beruf und Familie zu vereinen? Kurzum: Ist die Agenda der frühen Feministinnen gescheitert?

Dass diese Debatte tobt, wird die Tradwives selbst wohl am wenigsten stören. Solange Nara Smith und Co. perfekt ausgeleuchtete Kochvideos und Familienporträts hochladen, werden sie weiterprovozieren – und so auch Aufmerksamkeit und vor allem Einnahmen generieren.

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