Um die Hintergründe für Abtreibungen zu erfahren, startete die Aktion Leben eine Bürgerinitiative für eine österreichweite Abbruchsstatistik.
Sie wird seit Jahren von verschiedensten Organisationen gefordert. Bis heute, 40 Jahre nach dem Erlass der so genannten "Fristenregelung“, die einen Schwangerschaftsabbruch bis zum dritten Monat straffrei stellt, ist Österreich neben Luxemburg das einzige Land innerhalb der EU, in dem keinerlei Aufzeichnungen über Abtreibungen geführt werden.
Die Lebensschutzorganisation Aktion Leben nahm diesen Umstand zum Anlass, eine parlamentarische Bürgerinitiative zu starten: Um ungewollt Schwangere besser unterstützen zu können, sollen nicht nur die genauen Zahlen zu den vorgenommenen Abbrüchen, sondern auch die Beweggründe der betroffenen Frauen erfasst werden. "Nüchtern betrachtet gibt es keinen Grund dafür, warum die Situation in Österreich so ist. In anderen Ländern sind solche Statistiken gesetzlich verankert, dort gibt es keine Debatten darüber“, erklärte Gertraude Steindl, Präsidentin der Aktion Leben, bei einer Tagung anlässlich der Bürgerinitiative. Wisse man mehr über die Motive der abbrechenden Frauen, könne man präventiv besser auf sie eingehen und die Zahl der Abbrüche so möglicherweise reduzieren. Auch der Arbeits- und Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal unterstrich die Absonderlichkeit dieser Wissenslücke hierzulande: "Alles wird in diesem Land gezählt: Bienenvölker, Hühner, nur nicht die Schwangerschaftsabbrüche.“
Bei der geforderten Statistik sollen behandelnde Ärzte gesetzlich dazu verpflichtet werden, nach Abbrüchen einen Statistikfragebogen auszufüllen. Nach Schweizer oder deutschem Vorbild könnten hier unter anderem Informationen zu Alter, Familienstand, Anzahl der bisherigen Kinder sowie auch die Art des Eingriffes festgehalten werden. Die Motiverforschung stellt den zweiten Teil der Erhebung dar, die Teilnahme an Gesprächen über die Gründe einer Abtreibung soll aber auf freiwilliger Basis erfolgen. Laut der Soziologin Cornelia Helfferich, die momentan im Auftrag der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auch an einer umfassenden Datenerhebung ("frauen leben 3“) zu diesem Thema arbeitet, ist es für diese Befragungen unbedingt notwendig, die verschiedenen Lebensphasen von Frauen zu erforschen: "Was bedeutet es für eine junge Frau oder eine Frau mit Kindern, ungewollt schwanger zu sein und wie hoch ist die Akzeptanz der Schwangerschaft in einem bestimmten Lebensumfeld? All das müssen Ärzte wissen, um ihre Patientinnen im Sinne der Prävention auch richtig beraten zu können.“ (siehe auch Interview Seite 14).
Unsicherheit durch Lebensumstände
Erste Auswertungen der deutschen Studie zeigen, dass in Deutschland jede zweite ungewollte Schwangerschaft ausgetragen wird. Ausschlaggebend für die Entscheidung für oder gegen ein Kind ist oftmals die Partnerschaft: Junge Frauen seien oftmals noch in der "Suchphase“ - und nicht sicher, ob der momentane Lebensgefährte für ein gemeinsames Kind geeignet ist. Frauen mittleren Alters hingegen stellten den richtigen Zeitpunkt einer Schwangerschaft oftmals aufgrund von Schwierigkeiten in einer bestehenden Partnerschaft in Frage. Die Mehrheit der Befragten gab an, dass Schwangerschaften auch ein berufliches Risiko darstellen: "Hier geht es aber nicht mehr so wie früher um die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern um die Angst davor, dass Frauen mit Kindern gar nicht erst eine Arbeitsstelle finden“, so Helfferich.
Für eine österreichische Version dieser Motivbefragung sei laut Rotraut Perner, Supervisorin und Psychoanalytikerin, auch das Abfragen des Wissens über die Fortpflanzung notwendig. Dieses würde hierzulande auch im schulischen Bereich noch immer nicht ausreichend vermittelt und sei ein erster Grundstein der Prävention: "Was bis jetzt unter den Tisch gekehrt wurde“, so Perner, "muss endlich zum Thema gemacht werden.“
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