Auf dem Landweg nach China - © FischGärtnerei

Sorgepapa statt Spielevater

19451960198020002020

Seit der Einführung des Papamonats vor sechs Jahren gehen weniger Väter in Karenz. Erich Lehner, Psychoanalytiker und Vorsitzender des Dachverbands der Männerarbeit in Österreich (DMÖ), erklärt, warum – und was es heute heißt, ein guter Vater zu sein.

19451960198020002020

Seit der Einführung des Papamonats vor sechs Jahren gehen weniger Väter in Karenz. Erich Lehner, Psychoanalytiker und Vorsitzender des Dachverbands der Männerarbeit in Österreich (DMÖ), erklärt, warum – und was es heute heißt, ein guter Vater zu sein.

Werbung
Werbung
Werbung

Wie gestaltet sich Vaterschaft heutzutage? Eine Möglichkeit, intensiv Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, ist die Elternkarenz. Seit 1990 gibt es diese Möglichkeit auch für Väter. Laut einer Studie der Arbeiterkammer aus dem Vorjahr gehen jedoch bei acht von zehn Paaren Männer weder in Karenz, noch beziehen sie Kinderbetreuungsgeld. Zehn Prozent gehen in Karenz, nehmen sich dafür aber weniger als drei Monate Zeit. Der Psychoanalytiker, Theologe und DMÖ-Vorsitzende Erich Lehner beschäftigt sich seit über zwei Jahrzehnten mit Männlichkeitsforschung und dem Rollenbild von Vätern.

DIE FURCHE: Was ist im Jahr 2023 ein „guter Papa“?
Erich Lehner:
Ein guter Papa ist unseren Forschungen zufolge einer, der dem Kind zugewandt ist und es präsent im Leben begleitet. Für die Beziehungsqualität zum Kind ist Sorgearbeit entscheidend: Spielen, Reden und Ausflüge-Machen sind das eine, aber wenn ich für das Kind sorge, indem ich etwa koche, putze und wasche, wird die Bindung erhöht. In der Forschung haben wir lange überlegt, warum das so ist, und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass das Kind ein vertieftes Vertrauen entwickelt, dass auch der Vater sorgen kann, wenn es ihm schlecht geht bzw. seine Bedürfnisse äußert. Für die Entwicklung des Kindes ist wesentlich, dass zumindest zwei Personen ihm eine vertiefte Bindungsmöglichkeit bieten. So können sie verschiedene Beziehungen eingehen und zwei Lebenswelten kennenlernen. Das können nach dem traditionellen Familienbild Mutter und Vater sein, aber natürlich auch andere Konstellationen.

DIE FURCHE: Hat sich das Vaterschaftsbild in den letzten Jahrzehnten stark verändert?
ehner:
Vor allem ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sagen viele Männer, sie möchten in ihrer Familie präsenter sein, als es ihr Vater damals war. Das stammt daher, dass Männer in Kriegszeiten gefehlt haben und auch in der Nachkriegszeit – nicht nur physisch – abwesend waren. Viele Väter waren vom Krieg geprägt bzw. beim Wiederaufbau eingesetzt. Auch der Feminismus trug sehr dazu bei, dass bei Männern ein Umdenken stattgefunden hat – auch wenn diese ihn nicht immer begrüßten. Die Forderungen der Frauen haben sich auch auf die Männer ausgewirkt, sodass für sie die Familie stärker in den Mittelpunkt gerückt ist: zwar noch nicht in den Strukturen, aber zumindest schon in der Haltung und einer gewissen Offenheit dafür.

DIE FURCHE: Aktuelle Zahlen zeigen, dass Männer immer noch weniger und auch kürzer in Karenz gehen als Frauen. Woran liegt das?
Lehner:
Es herrscht immer noch ein Männerbild, das nicht den sorgenden Mann, sondern den berufstätigen Mann unterstützt. Die Folge ist, dass Arbeitsstrukturen nicht darauf ausgerichtet sind, dass Männer Sorgearbeit übernehmen. Wir sehen, dass es für viele Männer ein Problem ist, ihre Elternzeit gegenüber den Arbeitgebern durchzusetzen. Wenn wir Männer heute zudem fragen, warum sie nicht oder nur kurz in Karenz gehen, hören wir meist zwei Gründe: ein befürchteter Karriere- sowie Gehaltseinschnitt. Hier muss etwa mit Schulungen im Bereich Karenzmanagement in Betrieben nachgebessert werden. Für Männer ist beispielsweise sehr wichtig, dass ihnen der Arbeitgeber sagt: Wir wollen, dass du in Karenz gehst. Viele Männer brauchen das proaktive Herangehen und die spürbare Sicherheit, wieder zurückkehren zu können. Zum Gehaltseinschnitt muss man sagen, dass es natürlich Gruppen gibt, für die das drastisch ist. Es gibt aber auch Gruppen, die den Einschnitt kaum oder gar nicht spüren würden. Die Sozialwissenschafterin Edit Schlaffer rechnete bereits in den 1990ern aus, dass sich die finanziellen Einbußen tendenziell in der Höhe eines größeren Urlaubs belaufen.

DIE FURCHE: Sie sprechen finanzielle Einbußen in Höhe eines Urlaubs an. Wir sparen meist auf verschiedene Dinge: Kleidung, Auto, Reisen. Warum scheint die Zeit mit den eigenen Kindern nicht so wichtig, um darauf zu sparen?
Lehner:
Es stimmt natürlich: Man spart auf einen Urlaub, weil er einem wichtig ist. Also könnte man auch auf diese Zeit zu Hause bei den Kindern sparen, wenn es eine Priorität ist. Das kann jedoch nicht für alle gelten. Wer wenig verdient, für den sind finanzielle Einschnitte existenzgefährdend. Hier ist auch die Politik gefragt, sich zu überlegen, wie sie finanziell unterstützen kann.

DIE FURCHE: Seit der Einführung des Papamonats 2017, der es Vätern ermöglicht, sich vier Wochen freistellen zu lassen, gehen noch weniger Väter daraufhin in Karenz. Ist der Papamonat noch eine sinnvolle Maßnahme?
ehner:
Die Grundüberlegung war, dass beide Elternteile rund um die Geburt beim Kind sein können. Gerade in der Anfangszeit ist das für den Bindungsaufbau wichtig. Man hat angenommen, dass die Bereitschaft, nach dem Papamonat in Karenz zu gehen, größer wird. Dem ist aber offensichtlich nicht so. Hier muss man wohl an der Konstruktion schrauben. Der Papamonatsbetrag wurde beispielsweise bis 2023 vom späteren Kinderbetreuungsgeld abgezogen. Das war nicht förderlich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung