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Tradwife: Neuer Name, alte Leier

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Wo liegen die Wurzeln der Debatte rund um die „Tradwife“? Eine Zeitreise durch den FURCHE-Navigator macht klar: Der Begriff ist neu, doch der Streit tobt schon seit Jahrzehnten.

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Wo liegen die Wurzeln der Debatte rund um die „Tradwife“? Eine Zeitreise durch den FURCHE-Navigator macht klar: Der Begriff ist neu, doch der Streit tobt schon seit Jahrzehnten.

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Sie machen selbst Sauerteigbrot, Butter und sogar Zahnpasta, halten Hühner, folgen treu den Lehren der Bibel – und stellen das Ganze ins Internet. Über das Social-Media-Phänomen der Tradwife, also der traditionellen Ehefrau, wird derzeit hitzig diskutiert. Viele der erfolgreichsten Online-Tradwives sind strenggläubige, christliche US-Amerikanerinnen. „Our Husbands are to be the breadwinners as we are to be the breadmakers“, sagt Rachel Zimmerman aus Colorado in einem ihrer Instagram-Videos, während sie in karierter Schürze den Küchenboden fegt. Männer sollen also das Brot verdienen, Frauen sollen es backen. Die Kommentarspalte tobt.

Tradwives und ihre Vorgängerinnen

Der Begriff „Tradwife” mag zwar ein brandneuer Import aus den USA sein, die Debatte, die er entzündet, gibt es hingegen schon lange: Nimmt die Karrierefrau der Hausfrau die Daseinsberechtigung weg? Oder umgekehrt? Hier beweist sich einmal mehr der FURCHE-Navigator als wertvolle Zeitkapsel, was die Meinungen und Ansichten der Menschen von vor fast 80 Jahren betrifft. Viele Argumente sind über die Jahre erstaunlich gleich geblieben; lediglich die Tonalität des Diskurses hat sich etwas geändert.

So äußerte sich die damalige FURCHE-Autorin Anna Harmer bereits im Jänner 1946, nur einen Monat nach der Gründung der Zeitung. In „Mädchenbildung und Mädchenerziehung heute“, schrieb sie, man müsse nach dem Krieg den Staat von Akademikerinnen entlasten, die weder kochen noch logisch denken könnten.

Natürlich sind derartige Texte im Kontext der Nachkriegszeit zu lesen, in der es als oberste Priorität galt, das Land zu stabilisieren. Laut Harmer sei dazu der „Export eleganter Kleider, duftiger Wäsche, guter Stickereien und kunstgewerblicher Arbeiten aller Art“ notwendig. Aufkommenden Strömungen an Frauen, die sich gegen traditionelle Handwerksberufe und für Bildung und Selbstverwirklichung entschieden, wurde dementsprechend mit Argwohn begegnet.

Vom Herabschauen und Verdrängen

1948, zwei Jahre später, räumt Helga Lechner-Kolisko berufstätigen Frauen in ihrem Artikel „Hausfrau und Mutter“ zwar eine Daseinsberechtigung ein, jedoch mit Beschränkungen: „Ich will nicht leugnen, daß heute der Verdienst des Mannes sehr oft nicht zur Haushaltführung ausreicht und die Frau für den Unterhalt der Familie sorgen muß. Dann ist die Berufsarbeit der Mutter eben nötig, aber auch nur dann.“ Viele berufstätige Mädchen würden auf die Arbeit ihrer alten Mutter daheim als eine „ungelernte“ Arbeit herabsehen. Dabei sei die Verdrängung der Frau aus dem handwirtschaftlichen Beruf nicht als „Befreiung“ zu sehen, sondern als sozialer Missstand.

Hier beginnt das Narrativ, das auch heute noch die Debatte rund um die Tradwives beherrscht: dass berufstätige Frauen und Hausfrauen sich gegenseitig ihre Existenzlegitimation wegnehmen würden. Auch 1986, also fast 40 Jahre nach Lechner-Koliskos Text, liest man in dem FURCHE-Artikel „'Nur' Hausfrau und Mutter?“ von Elisabeth Motschmann: „Die Diskriminierung der nichterwerbstätigen Hausfrau – des „Heimchen am Herd“ – wird bekanntlich vor allem von den berufstätigen, den Karrierefrauen besorgt.“

Bei Motschmann ist also nicht mehr nur von einem Herabschauen, sondern von einer systematischen Diskriminierung der Hausfrauen und Mütter die Rede – und das zu einer Zeit, in der Frauen bereits jahrzehntelang um ihre Positionen in der Berufswelt gekämpft haben. Auch 1996, über ein Jahrzehnt später, schrieb Roswitha Wurm-Klose in ihrem Artikel „Vom Mut, eine ‚Nur-Hausfrau‘ zu sein“: „Kein anderer Beruf wird so in Frage gestellt wie der der „Nur-Hausfrau“.“

Frau gegen Frau

Ein Ausflug in den FURCHE-Navigator zeigt: Immer schon werden berufstätige und Hausfrauen von manchen als zwei konkurrierende Lager wahrgenommen, die sich gegenseitig ihre Existenz absprechen möchten. So wurden auch sämtliche in diesem Artikel angeführte Beiträge von Frauen geschrieben.

„Heute ist ein sehr falsches Bild von Feminismus präsent, das vermittelt, dass Feministinnen alles Mögliche verbieten wollen. Dabei wird genau das Gegenteil angestrebt. Es geht um eine Pluralisierung, ein Mehr an Möglichkeiten und nicht um ein Weniger“, sagte Genderforscherin Judith Goetz 2020 in einem Interview mit der FURCHE.

Auch Tradwives spalten ihr Publikum in zwei Lager. Die einen sehen den modernen Feminismus als Verachtung von Care- und Hausarbeit, die anderen sehen ihre Rechte und ihre berufliche Selbstverwirklichung gefährdet. Dabei bedeutet Feminismus im Grunde nur die Freiheit, zu wählen; sich einen Beruf oder eine Berufung auszusuchen, ohne eingeschränkt zu werden oder andere einzuschränken. Tradwives, die auf der einen „wahren, gottgegebenen“ Rolle der Frau beharren, tragen leider kaum dazu bei, dieses Ziel zu erreichen – genauso wenig wie alle, die sich ein „nur“ vor dem Wort Hausfrau nicht verkneifen können.

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