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Manchmal dauert es lange, bis sich eine Erfahrung zur bleibenden Erkenntnis verdichtet. Den jüngsten Beleg dafür hat mir die Griechenland-Krise gleich zweimal geliefert.

Erfahrung 1: Unter den Chefredakteuren meiner 25 KURIER-Jahre war auch einer, der "mein" Außenpolitik-Ressort über Nacht mit den Ressorts Innenpolitik und Wirtschaft fusioniert hatte. Denn, so sagte er: "Die sind nicht mehr zu trennen -man kann das Eine nicht mehr ohne das Andere denken!" Was war ich damals betroffen, den Blick über meinen geliebten "Schrebergarten" hinaus weiten zu müssen. Heute weiß ich, wie recht er hatte. Gerade jetzt erleben wir, wie sehr die Schulden eines Landes ganz Europa treffen -und wie sehr sie auf die Innenpolitik aller EU-Partner einwirken.

Erfahrung 2: Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit ich in Alpbach mit einem EU-Kommissar zusammen gesessen bin. Diskretion war vereinbart. Irgendwann sagte er weitblickend: "Natürlich gibt es keine Garantie, dass die EU länger lebt als Sie oder ich. Nicht, dass ich mir das wünsche -aber die Geschichte lehrt, dass Alles seine Zeit hat. Und dass Alles auch Neuem Platz machen muss!"

Solche Perspektiven habe ich lange verdrängt. Und noch immer sehe ich ein Scheitern der EU in weiter Ferne. Aber das politische Vokabular dieser Tage klingt doch weit bedrohlicher als je zuvor -selbst bei erprobten Europäern. Etwa: "Ein Nein der Griechen ist ein Nein zu Europa"(Jean-Claude Junker). Oder: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa"(Angela Merkel). Oder: "Das ist die größte Krise der EU!" bzw. "Bewältigt sie diese Krise nicht, ist sie tot"(2 x Franz Fischler).

Es geht nicht nur um die Griechen

Dabei geht es, entgegen der Tages-Optik, keineswegs nur um die Griechen. Die Krise der EU sitzt viel tiefer. Sie nagt an der ohnedies verblassenden großen Erzählung als Friedensmacht, Wohlstands-und Sozialgemeinschaft. Sie entstellt die Union zum Zentrum politischer Leerläufe bei hohem Tempo. Und sie erstickt alle Visionen im Zank ums Geld.

Unter diesen Vorzeichen wäre ein "Grexit" ein mehrfach fatales Signal:

- Für die Überzeugungskraft des europäischen Projekts.

- Für die gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik -gerade mit Blick auf den Mittelmeerraum, den Orient und auf die orthodox geprägte Südost-und Ostflanke der EU.

- Und für unsere Demokratie- und Geistesgeschichte.

Was Europa jetzt dringend bräuchte, wären mutige Vor- und Querdenker. Kluge Köpfe, die das aktuelle Drama in der EU als Weckruf verstehen, um schonungslos Bilanz zu ziehen, weit reichende Reformen anzudenken -und Europa notfalls auch neu auszurichten.

Unter allen Fehlern der EU-Geschichte, die dabei zutage kämen, war es vermutlich der fatalste, dass die Völker Europas - aus durchaus noblen Gründen -schon zu einer Währungsunion gedrängt wurden, noch ehe sie zu einer Solidarunion bereit und fähig gewesen sind.

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