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Anmerkungen zu zwei - vor allem innerhalb der ÖVP geführten - Sommerdebatten.

Solange wir ein Gesetz haben, das eine straffreie Abtreibung ermöglicht, halte ich es nicht für richtig, keine Angebote in Kliniken zu machen. Das ist unehrlich", erklärte der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger in einem Gespräch mit dieser Zeitung (Furche Nr. 32, S. 4). "Einem katholischen Moraltheologen sollte Besseres einfallen", empörte sich daraufhin ein Leser (s. S. 12). Aber auch einem katholischen Moraltheologen kann zunächst, wie jedem am Diskurs Beteiligten, nichts anderes einfallen, als ebendies festzuhalten: Die bestehende Rechtslage durch die Praxis zu unterlaufen, ist unredlich. Wer aber eine Änderung dieser Rechtslage will, soll das sagen.

Dann freilich kann man - nicht nur als katholischer Moraltheologe - schon noch einiges hinzufügen (was auch Rosenberger teilweise getan hat): vor allem, dass es wohl von Anfang an eine Illusion war, die feine - und wichtige! - Unterscheidung von "straffrei" und "erlaubt" würde bewusstseinsprägend wirken. Natürlich gilt Abtreibung längst nicht bloß als ein im Sinne einer Güterabwägung straffrei gestelltes Handeln, wird nicht als Unrecht oder ethisches Problem empfunden, sondern schlicht als weithin akzeptierter, gängiger Eingriff für den - subjektiv definierten - Extremfall. Und dann wäre noch zu erwähnen, worauf Helmut Schüller in seiner dieswöchigen Kolumne hinweist (S. 11): dass die Realisierung der seinerzeit in Aussicht gestellten "flankierenden Maßnahmen", welche insbesondere die qualitative wie quantitative Ausgestaltung der Beratung betreffen sollten, vielfach zu wünschen übrig lässt.

Der Mainstream der öffentlichen Meinung ist von solchen Überlegungen wohl kaum angekränkelt. Aber gerade wenn man die Frage nach dem Anfang des menschlichen Lebens für nicht entscheidbar hält, gibt es gute Gründe für besondere Behutsamkeit und Zurückhaltung.

Das alles ändert freilich nichts daran, dass die geltende (Fristen-)Regelung im Hinblick auf die bei der Schwangerschaft einzigartige Verwobenheit zweier "Interessen" nicht zur Disposition stehen sollte. Allen möglichen Einwänden zum Trotz ist der beschrittene Weg der Versuch, einem fundamentalen Dilemma auf legistischer Ebene einigermaßen gerecht zu werden. Ihn zu verlassen wäre wohl nur um einen hohen gesellschaftlichen Preis möglich. Nocheinmal: Wer diesen Preis zahlen will, soll das auch artikulieren.

Weniger tiefgehend, dafür ideologisch weit mehr aufgeladen erscheint die Debatte um die sogenannte "Homo-Ehe" (s. S. 5). Dabei müsste es doch gar nicht so schwierig sein: Man soll ruhig den vom biblischen Menschenbild inspirierten Begriff der Ehe für die coram publico (und coram deo) besiegelte Verbindung für Frau und Mann reservieren. Aber es darf für Homosexuelle, die ihrer Beziehung coram publico eine verbindliche Form geben wollen, keine formalen, juristischen Benachteiligungen gegenüber Heterosexuellen geben. (Ob hier für ein allfälliges coram deo nicht auch noch eigene Formen zu entwickeln wären, müsste sich die Kirche überlegen.) Dies ganz einfach deshalb, weil es Homosexualität als Phänomen nun einmal gibt - die Frage ihrer Entstehung (genetisch/sozial) tut dabei nichts zur Sache. Wer diese Veranlagung besitzt, ist nicht ohne seelische Verwundungen "heil-" oder "normalisierbar".

Im Übrigen spricht einiges dafür, hier die Kirche im Dorf zu lassen. Nicht umsonst kursiert der Witz, dass nur noch zwei Gruppen heiraten wollen: Geistliche - und Schwule. Der Anteil der Heiratswilligen unter den Homosexuellen wird nicht wesentlich höher sein als bei der Gesamtbevölkerung, die Anzahl der potenziell Betroffenen erscheint also einigermaßen überschaubar.

Interessant ist, dass die Debatten beider Themen in den letzten Wochen sehr stark innerhalb der ÖVP geführt wurden. Die Partei ist gut beraten, sich auch bei grundlegenden gesellschaftlichen Fragen ihrer Positionen zu versichern; dabei sind Nachjustierungen durchaus wünschenswert. Wenn man solche vornimmt, dann sollte es freilich aus Überzeugung geschehen. Nur das kann Glaubwürdigkeit und Authentizität verleihen. Das angestrengte Schielen nach liberalerem, urbanerem Image wird vom Publikum relativ leicht entlarvt werden.

rudolf.mitloehner@furche.at

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