"Allen ein Achtmilliardstel des Planeten"

19451960198020002020

Angesichts der Digitalisierung werden soviele Jobs verloren gehen, dass es ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht mehr geht, meint Christian Tod, dessen Film "Free Lunch Society" nun anläuft.

19451960198020002020

Angesichts der Digitalisierung werden soviele Jobs verloren gehen, dass es ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht mehr geht, meint Christian Tod, dessen Film "Free Lunch Society" nun anläuft.

Werbung
Werbung
Werbung

Am 5. Mai startet der Dokumentarfilm "Free Lunch Society" in den heimischen Kinos. DIE FURCHE hat mit Regisseur Christian Tod darüber diskutiert, ob es tatsächlich so etwas wie einen "free lunch" für alle geben sollte.

DiE FurchE: Wie sind Sie eigentlich auf den Titel "Free Lunch Society" gekommen?

christian Tod: Es gibt den Spruch: "There ain`t no such a thing as a free lunch", der von den Neoliberalen gebraucht wird. Sie wollen jede Diskussion über Umverteilung im Keim zu ersticken, um den Sozialstaat abzuschaffen und Ausgaben zu kürzen.

Die Furche: Sie haben viele Grundeinkommens-Befürworter in den USA interviewt. Erstaunlich, gerade dort ist man doch mehrheitlich für mehr Markt als Staat.

Tod: Gleichzeitig haben die USA aber einen der teuersten Sozialstaaten.

DiE Furche: Dafür ist er nicht sehr effizient. Tod: Genau. Die USA geben 1 Billion Dollar für bedarfsorientierte Sozialprogramme aus, staatliche Pensionsleistungen und Sozialversicherung nicht mitgerechnet. Der Republikaner Paul Ryan erklärt in meinem Film: Wenn man diese Summe, die jetzt für Sozialhilfe aufgewendet wird, an alle armen Amerikaner auszahlen würde, würde jeder arme Amerikaner 22 000 Dollar im Jahr erhalten - eine beeindruckende Zahl. Viele Liberale sind interessiert an einem Grundeinkommen, das nicht mehr kosten sollte als der Sozialstaat. Sie sehen das Grundeinkommen im Lichte der Eigenverantwortlichkeit als Alternative zu einem paternalistischen und bürokratischen Sozialstaat.

DiE FurchE: Das Grundeinkommen wird kontrovers diskutiert - ob als sozialromantische Utopie, neoliberale Axt an den Wurzeln des Sozialstaates oder als visionäre Reform.

Tod: Je nach Art und Umfang zeigt das Grundeinkommen sehr verschiedene ideologische Gesichter. In den 1960er Jahren gab es in den USA die umfangreichsten Sozialexperimente der Geschichte dazu, von denen heute kaum mehr jemand weiß. Es wurde damals von verschiedenster Seite propagiert. Das Konzept wurde aus einer Position der Stärke und des Wollens und nicht aus einer Mangelperspektive heraus diskutiert, so wie es bei uns heute gerne gesehen wird.

Die Furche: Im Silicon Valley sprechen sich viele High-Tech-Unternehmer für ein Grundeinkommen aus. Wieso diese Gruppe?

Tod: Leute wie Tesla-Chef Elon Musk, Facebook-Mitgründer Chris Hughes oder Startup-Guru Sam Altman sind Grundeinkommensaktivisten. Sie sehen, dass durch die Computerisierung viele Jobs wegfallen werden und in Zukunft ein Grundeinkommen unausweichlich wird. Viele Großkonzerne befürchten, dass durch die Automatisierung Konsumenten wegbrechen, betrachten das Grundeinkommen als Lösung zum Erhalt der Kaufkraft.

Die Furche: Welche Motive sind für Sie ausschlaggebend?

Tod: Ich bin überzeugt, dass es in der Natur des Menschen liegt, etwas für sich und seine Gemeinschaft schaffen zu wollen - den individuellen Talenten entsprechend. Das Grundeinkommen würde ermöglichen, dass die Menschen sich von klein auf entfalten könnten und nicht mehr gezwungen wären, in der Ausbdilung geformt zu werden nach den Anforderungen des sogenannten Marktes. So wären sie auch der Gesellschaft und der Wirtschaft am nützlichsten.

Die Furche: Also die calvinistische Wirtschaftsethik als Wirtschaftsbremse?

Tod: Absolut. Diese Haltung behindert die Arbeitsleistung heutzutage massiv. Bei den Skeptikern des Grundeinkommens steckt das Leistungsbild dahinter, dass man den Menschen nichts zutraut, ihnen nicht vertraut und bereits mit Sanktionen droht, bevor etwas passiert ist. Dabei leistet der Mensch viel mehr als den eingeforderten Durchschnitt, wenn der Druck wegfällt.

Die Furche: Was würden Sie sich von der Einführung eines Grundeinkommens in Österreich erhoffen?

Tod: Ich meine, es würde zu einer Explosion von Innovation kommen. Die Demokratie und die Zivilgesellschaft würden massiv gestärkt werden. Die Menschen hätten mehr Zeit und Energie, sich einzubringen.

Die Furche: Was würde das Grundeinkommen für den österreichischen Sozialstaat und seine Finanzierung bedeuten?

Tod: Laut den meisten Finanzierungsmodellen würden Teile des Wohlfahrtsstaats zugunsten des Grundeinkommens wegfallen. Es wäre jetzt schon möglich, mit demselben Budget, das für den Sozialstaat zur Verfügung steht, und einer Einkommensteuerreform, ein Grundeinkommen für alle Erwachsene von 1500 Euro im Monat zu finanzieren, und dabei staatliche Krankenleistungen, Bildungssystem und alle nicht monetären Sozialleisten beizubehalten. DiE FurchE: Im Film sprechen Sie mit Menschen aus Alaska, denen seit den 1980ern Geld aus dem "Alaska Permanent Fund" bezahlt wird. Wie sind die Erfahrungen?

Tod: Alle Bürger, auch schon Babys, erhalten dort Dividende in selber Höhe auf die Gewinne aus der Erdölindustrie -jährlich zwischen 1500 und 3000 Dollar je nach Ölpreis. Wir haben eine vierköpfige Familie besucht, die das Geld in einen Collegefonds für die Kinder einzahlt, was sonst unleistbar für sie wäre. Alaska ist das einzige Beispiel weltweit für eine regelmäßige Cash-Zahlung an Bürger aus der ethischen Begründung heraus, dass Gewinn aus Bodenressoucen allen zusteht. Es ist ein Menschenrecht, dass jeder Anspruch auf ein Achtmilliardstel des Planten hat.

Die Furche: Sie haben sich auch das namibische Grundeinkommens-Experiment vor Ort angeschaut.

Tod: Derzeit finden viele Experimente in Entwicklungsländern statt. In Namibia hat es sich seit 2008 verselbstständigt. Dort bekommen 1000 Bewohner eines sehr armen Dorfes ein monatliches Grundeinkommen ausbezahlt. Durch die Infusion von Geld ist die Kaufkraft gestiegen, die Arbeitslosigkeit gesunken, das Durchschnittseinkommen hat sich verdoppelt, das Unternehmertum sogar vervierfacht. Kriminalität und Wilderei sind massiv zurückgegangen. Auch die Gesundheits- und Bildungssituation der Menschen ist jetzt viel besser.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung