Angst bei und vor der Polizei

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Geplante Einsparungen beunruhigen nicht nur die Polizei. Dasselbe gilt für die wiederholten Vorwürfe des Amtsmissbrauchs.

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Geplante Einsparungen beunruhigen nicht nur die Polizei. Dasselbe gilt für die wiederholten Vorwürfe des Amtsmissbrauchs.

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Die Angst geht um, war zu hören, denn weitere Polizei- und Gendarmeriedienststellen sind von Planstellenabbau und Postenstreichungen betroffen. Mehr als eine Milliarde Schilling will die Regierung bei der Exekutive einsparen. Radikale Überstundenkürzungen sind bereits beschlossen, über eine Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie aus Kostengründen wird laut nachgedacht.

Noch mauert Innenminister Ernst Strasser und disqualifiziert die Sparvorschläge als "Wortspenden im Sommerloch". Mit dem Budgetloch kontert hingegen sein Parteifreund, Staatssekretär im Finanzministerium Alfred Finz, und erinnert daran, dass schon manche Vorschläge zuerst als Sommeridee verworfen, dann aber doch über kurz oder lang verwirklicht wurden.

Vom "Schlachten heiliger Kühe" spricht der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum, im Gespräch mit der Tageszeitung Standard. Der Vergleich ist angebracht. Denn ganz im Gegensatz zur landesweiten Begeisterung für jede Einsparungsmaßnahme bei der Beamtenschaft an sich, wird ein möglicher Sparkurs für die Exekutive schon weniger selbstverständlich goutiert.

Sparen heißt in diesem Fall nämlich weniger Polizeipräsenz, und weniger Präsenz bedeutet mehr Angst - sei sie nun begründet oder unbegründet - in jenen Teilen der Bevölkerung, die sich regelmäßige Patrouillen erwarten, die besser schlafen können, wenn das Wachzimmer ums Eck rund um die Uhr besetzt ist. Die Angst vor Einsparungen bei der Polizei überschneidet sich hier mit der Angst vieler Staatsbürger - oder soll man in diesem Fall besser Wählerinnen und Wähler sagen - vor weniger Präsenz der Sicherheitskräfte. Beide Befürchtungen addieren sich und ergeben ein gewichtiges Argument, dass die Polizeigewerkschafter sicher noch nützen werden. Einer von ihnen, der freiheitliche Personalvertreter Heinz Laussermayer, warnte schon vorsorglich - auch in Richtung seiner Partei auf der Regierungsbank: "Irgendwann ist der Boden des Fasses erreicht."

Ein eher ungewohntes Bild, dafür ein willkommener Übergang zu einem weiteren Thema. Wieder geht es um die Polizei, wieder geht es um Angst. Doch nicht die Angst unter den Polizisten, sondern die Angst vor ihnen, gehört angesprochen. Und gleich vorweg: Hier ist kein Boden welcher Art auch immer in Sicht, hier droht das Fass überzulaufen.

Dass so etwas nie mehr passiert, dass es ein tragischer Einzelfall bleibt, der Konsequenzen zeitigt, der Bewegung hin zum Besseren bringt - so lauteten die Hoffnungen nach dem Erstickungstod von Marcus Omofuma vor einem Jahr. Tragisch genug, wurde beklagt, dass es zu dieser Katastrophe kommen musste, um ein Umdenken zu provozieren.

Mit dem Umdenken scheint es nicht weit her zu sein. In erschütternder Regelmäßigkeit werden Foltervorwürfe gegen die Polizei laut. Von Beschimpfungen, Drohungen, Schlägen ist die Rede: aufgeplatzte Augen, Kopfwunden, Blutspuren in der Unterhose, ... Ein mutmaßlicher Drogendealer wird in seinem Auto erschossen. Der von den Polizisten geschilderte Tathergang ist voller Widersprüche, trotzdem dauert es Wochen, bis eine umfassende Untersuchung eingeleitet wird. Umstrittene Todesfälle von Gefangenen in Wiener Polizeikommissariaten innerhalb der letzten Monate sind weiters anzuführen. Nicht der Vollständigkeit halber, die ist nicht zu erreichen, sondern um auf die Vielfalt der Anschuldigungen hinzuweisen.

"Personen mit geringer Beschwerdemacht" heißt der Fachausdruck, unter dem Ausländer, Obdachlose, Drogenabhängige, Menschen mit niedrigem sozialen Status subsumiert werden können. Zumeist sind sie die Betroffenen, die Ankläger, wenn Anschuldigungen gegen die Polizei vorgebracht werden. Ein Grund dafür ist sicher, dass die Kriminalitätsrate in diesen Bevölkerungskreisen höher liegt als anderswo, sie mehr in Kontakt mit der "Kieberei" stehen und Auseinandersetzungen dadurch eher möglich sind.

Personen mit geringer Beschwerdemacht kommen aber auch dann unproportional öfter zum Handkuss, wenn Kriminalität als Veranlagung betrachtet wird und soziopolitische Überlegungen ausgeklammert bleiben. Erkennt der um Recht und Ordnung bemühte Polizist in den Angehörigen sozialer Randgruppen nur mehr "kriminell veranlagte Elemente", die zu seinen persönlichen Gegnern werden, die es auszumerzen gilt, dann ist der Weg zu Überreaktionen und ungerechtfertigen Übergriffen nicht weit.

Nicht die berüchtigten schwarzen Schafe in der Polizei sind das größte Problem. Dringender Handlungsbedarf ist vielmehr gegeben, wenn Beamte bei bestimmten gesellschaftlichen Gruppen nur schwarz sehen, und Gewalt zum Ventil zu werden droht.

"Die Institution, die stärker ist, hat Vorleistungen zu erbringen. Und das ist die Polizei", fand Erik Buxbaum bei einem Treffen von afrikanischen Mitbürgern und Polizisten deutliche Worte. Wichtig wäre nur, dass diese Erkenntnis nicht beim Generaldirektor stehen bleibt, sondern in jeder Wachstube Einzug hält.

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