"Angst hemmt, Lob und Sport machen kreativ“

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Der Grazer Psychologe Andreas Fink über die schwierige Messbarkeit von Kreativität, die Grenze zwischen originellem Denken und Wahnsinn sowie kreative Geistesblitze jenseits von Büros, Hörsälen und Schulen.

Das Gespräch führte Doris Helmberger

Was passiert im Gehirn, wenn wir kreativ denken? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Psychologe Andreas Fink von der Karl-Franzens-Universität Graz seit vielen Jahren. Bei der Internationalen Pädagogischen Werktagung Salzburg wird er am 9. Juli über "Kreativität und Kreativitätsförderung aus Sicht der Neurowissenschaften“ sprechen. Die FURCHE hat ihn zum Interview gebeten.

Die Furche: Herr Professor Fink, denken hochkreative Menschen anders als nicht so kreative?

Andreas Fink: Die Neurowissenschaften haben insgesamt nur sehr bescheidene Methoden zur Verfügung, um das komplexe Merkmal der Kreativität zu untersuchen. Wir können mit hochmodernen Geräten wie Magnet-Resonanz-Tomographen leider keine hochkreativen Komponisten oder Maler bei ihrer Tätigkeit untersuchen. Aber wir können bei sehr einfachen Aufgaben Unterschiede zwischen mehr und weniger kreativen Personen finden.

Die Furche: Nämlich?

Fink: Es gibt de facto im Hirn kein Kreativitäts-Areal, das man im Scanner lokalisieren könnte. Für die Kreativität verantwortlich sind vielmehr jene, ganz gewöhnlichen Gehirnnetzwerke, die man auch von ganz anderen kognitiven Prozessen kennt, und die dürften bei besonders kreativen Personen eben effizienter funktionieren. Aber den "Kreativitätsmuskel“ haben wir noch nicht gefunden …

Die Furche: Kreativ denken heißt auch, abseits der Norm denken. Wo verläuft die Grenze zwischen Kreativität und Geisteskrankheit?

Fink: Der Übergang von "normal“ zu "pathologisch“ ist fließend. Wir sind alle entlang dieses Kontinuums angeordnet. Es gibt aber Studien, wonach es ähnliche Denkmuster bei gewissen, psychopathologischen Personen und Hochkreativen gibt. Gerade schizotype Menschen zeichnen sich oft durch bizarre Gedankengänge aus. Dieses Verlassen konventioneller Denkpfade braucht man manchmal auch beim kreativen Denken.

Die Furche: Der Torrance-Test ermittelt den "CQ“ ("Creativity Quotient) eines Menschen, und der 1995 von Klaus Urban entwickelte "Test zum schöpferischen Denken - Zeichnerisch (TSD-Z)“ wird weltweit verwendet. Lässt sich Kreativität wirklich messen?

Fink: Ja, aber Kreativitäts-Tests kommen punkto Messgenauigkeit nie und nimmer an Intelligenztests heran - einfach weil es bei Kreativität nicht nur eine einzig richtige Antwort auf eine Frage gibt. Hier muss man sich also andere Indikatoren überlegen: etwa die Ideenflüssigkeit, also die Anzahl der Ideen in einer bestimmten Zeiteinheit, oder die Ideenflexibilität - ob also Ideen in unterschiedliche Kategorien fallen -, oder die Originalität einer Idee. Wenn man unterschiedliche Methoden zusammenfasst - etwa auch Selbst- und Fremdeinschätzungsverfahren sowie biografische Ansätze - kann das schon gut gelingen.

Die Furche: Gibt es bestimmte Techniken, mit deren Hilfe man kreatives Denken fördern kann?

Fink: Eines vorweg: Wir können nicht die herausragende Kreativität im Sinne von Picasso oder Einstein heranzüchten, da muss schon eine bestimte Persönlichkeitsstruktur gegeben sein, zu der etwa auch Durchhaltevermögen gehört. Aber wir können mit relativ einfachen Ansätzen die geistige Flexibilität trainieren. Es gibt viele Brainstorming-Methoden, andere Ansätze nutzen positive Anreize, etwa durch Humorinterventionen oder unerwartete Belohnungen. Dahinter steht der Botenstoff Dopamin, der das Belohnungszentrum des Gehirns stimuliert. Wir wissen, dass eine kritik- und angstfreie Atmosphäre kreatives Denken fördert und Druck sowie Stress hemmend sind. Es hat sich auch gezeigt, dass sportliche Betätigung förderlich ist. Das kurzzeitige Ausbrechen aus Denkroutinen ist hilfreich, um den neuen Ideen den Startschuss zu geben.

Die Furche: Es ist also kein Zufall, wenn man die besten Einfälle dann hat, wenn man mit dem Rad von der Arbeit nach Hause fährt?

Fink: Nein. So schön unsere Büros, Hörsäle oder Schulen häufig sind: Wir sind hier in der Regel nicht sonderlich kreativ - sondern eher dort, wo man es nicht erwartet.

Die Furche: Das ist eine schöne Botschaft für die Ferien. Aber was heißt das für unsere Schulen?

Fink: Natürlich würde man sich hier noch mehr Kreativitätsförderung wünschen. Auch eine angstfreie Atmosphäre ist wichtig. Allerdings gibt es auch die Maxime: Ohne Fleiß kein Preis. Man muss schon auch arbeiten. Das kreative Chaos kann nicht auf Dauer produktiv sein, sondern man braucht geordnete Rahmenbedingungen, wo man sich bestmöglich entfalten kann. Und dazu gehört auch so etwas wie schulischer Alltag.

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