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Der Weltuntergang ist abgesagt, die Selbstheilungskräfte der Erde sind längst mobilisiert. Hoffnungslos naive Thesen? Zumindest Bjoern Lomborg, Gottseibeiuns der Umweltbewegung, glaubt daran.

Manche Menschen sind mit reichlich Optimismus gesegnet. Bei manchen grenzt ihr hoffnungsfroher Sinn an Naivität - oder auch an Fahrlässigkeit. Wo genau diese Grenzen im Wesen Bjoern Lomborgs verlaufen, darüber ist in Fachzeitschriften, im Internet (www.lomborg.org und www.anti-lomborg.com) und nicht zuletzt bei den Alpbacher Technologiegesprächen - wo der 37-jährige Däne vergangene Woche referierte - ein heftiger Disput entbrannt. Sein Image als Paria der weltweiten Umweltbewegung hat der an der Universität Aarhus lehrende Statistiker und Politikwissenschafter mittlerweile kultiviert: Nach ersten Veröffentlichungen in Dänemark, die bereits für Entrüstung sorgten, kulminierte im Herbst 2001 Lomborgs Furor über die "Litanei" der Umweltforscher von schwindenden Ressourcen, Nahrungsknappheit und der globalen Klimakatastrophe in dem Buch "The Sceptical Environmentalist" (Titel der neu erschienenen deutschen Ausgabe: "Apocalypse: No! Wie sich die menschlichen Lebensgrundlagen wirklich entwickeln"). Auf 600 Seiten und mit fast 3.000 Fußnoten widerspricht Lomborg darin allen Warnungen der ökologischen Experten.

Lösbare Probleme

"Die Welt wird immer besser", verkündete er auch dem Alpbacher Auditorium. Hätten 1949 noch 45 Prozent der Menschen in den Entwicklungsländern gehungert, seien es heute "nur" mehr 18 Prozent. Auch die Ressourcenknappheit sei eine Mär: Schon 1920 habe es geheißen, dass die Ölvorräte in zehn Jahren aufgebraucht seien. 2000 hieß es, erst in 42 Jahren sei damit zu rechnen. "Je mehr wir verbrauchen, desto mehr bleibt übrig", ätzt Lomborg und führt zu seiner Bestätigung die stetig sinkenden Rohstoffpreise an. Auch die Verschmutzung der Umwelt sei ein lösbares Problem, rechnet der Statistiker vor: Sie steige zwar zu Beginn der des Wirtschaftswachstums, gehe aber in der Folge durch technologische Innovationen zurück. "Wir müssen die Entwicklungsländer reich machen, damit sie sich um ihre Umwelt kümmern können", schlussfolgert Lomborg.

Einzig die globale Erwärmung erkennt er als Dilemma an, das sich nicht von selbst löst. Doch könne man durch verbesserte Solarkraftwerke und andere erneuerbare Energien in den kommenden Jahrzehnten den Kohlendioxid-Ausstoß und damit die Klimaerwärmung viel niedriger ansetzen, als vom IPCC prognostiziert (statt bis zu 5,8 Grad Celsius nur 2 Grad bis zum Jahr 2100). Das Kyoto-Protokoll, wettert Lomborg, sei jedenfalls der "inneffizienteste Weg, die Welt zu retten". Es verursache weltweit Kosten von 200 Milliarden Dollar pro Jahr, "nur um die Häuser in Bangladesch nicht 2100, sondern erst 2106 zu überfluten".

Solche Worte sind Wasser auf die Mühlen der Umweltschützer. "Lomborg macht es sich zu leicht", kritisiert etwa Stephen Schneider, Biologe an der Stanford University und führender Experte bei IPCC in der August-Ausgabe des deutschen Spektrum der Wissenschaft. Lomborg lasse in den von ihm verwendeten Studien nur die günstigsten Szenarien gelten. Vor allem aber ignoriere er die ökologischen Folgen des Klimawandels völlig. Tatsächlich: Wie lässt sich nach dem Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten ihr Wert bemessen? Hinsichtlich solcher Werte, aber auch unliebsamer, späterer Folgewirkungen ist der Markt blind. Vielmehr wird er durch umweltpolitische Maßnahmen erst sehend gemacht.

Mit seinem Pamphlet gegen die Umweltbewegten hat sich Bjoern Lomborg jedenfalls nachhaltiges Interesse gesichert. Auch in Alpbach war es ihm gewiss. Mit der Furche sprach er über seine Interessen, die von Greenpeace und jene von Georg W. Bush.

Die Furche: Sind Sie schon an die Entrüstungen im Publikum gewöhnt, wenn Sie referieren?

Bjoern Lomborg: Die Leute werden bei diesem Thema schnell emotional. Meine Ausgangsposition ist es aber, die Fakten aufzuzeigen. Man kann ohne Fakten nicht argumentieren, auch nicht über die globale Erwärmung.

Die Furche: Die USA haben das Kyoto-Protokoll aufgekündigt. Durch Ihre Thesen machen Sie sie zu "good guys"...

Lomborg: Die Amerikaner haben die richtige Entscheidung getroffen, allerdings auf einer falschen Basis. Ausschlaggebend für die Entscheidung gegen Kyoto waren wohl die Verpflichtungen George W. Bushs gegenüber den Ölfirmen, die seinen Wahlkampf finanziert haben. Aber der Punkt ist doch: Wenn wir bereit sind, 350 Milliarden Dollar pro Jahr auszugeben, um den Entwicklungsländern zu helfen, dann sollten wir es wenigstens mit Erfolg tun. Das Problem mit der amerikanischen Vorgangsweise ist aber, dass die Leute sagen: Wir steigen aus Kyoto aus, und dafür kaufen wir uns größere Autos. Ich finde das ignorant.

Die Furche: Dennoch haben Sie offensichtlich ein Problem mit der Umweltbewegung. Warum?

Lomborg: Ich bin glücklich, dass es die Grünen gibt. Ohne Greenpeace hätten wir niemanden, der gegen die Auswüchse von Geld und Macht kämpfen würde. Wenn Wirtschaftsunternehmen sagen: "Sorgen Sie sich nicht so sehr um die Umwelt!", dann haben sie sicher ein Interesse. Aber wenn Greenpeace sagt: "Wir werden alle sterben, wenn wir nicht unsere Umwelt erhalten!", dann sollten wir sie zwar anhören, aber auch sie haben ein Interesse. Niemand traut Wirtschaftsunternehmen, aber jeder traut Greenpeace! Wir glauben, Greenpeace erzählt uns nur die Wahrheit. Sie lügen ja auch nicht - zumindest nicht absichtlich, aber sie erzählen auch nur jene Fakten, die mit ihren Interessen harmonieren.

Die Furche: Die zunehmenden Naturkatastrophen sind für viele Experten bereits Anzeichen für einen Klimawandel. Sie aber meinen, diese wären nur zu fünf Prozent auf die Klimaerwärmung zurückzuführen. Wie kommen Sie zu dieser Überzeugung?

Lomborg: Diese Annahme basiert auf einer Reihe von Studien, die zeigen, dass bei Stürmen oder Überschwemmungen die Folgen durch strukturelle Eingriffe des Menschen in die Umwelt viel größer sind als die Folgen der globalen Erwärmung. Die Umstände, dass viel mehr Menschen in hochwassergefährdeten Zonen wohnen und dass wir vermehrt Dämme bauen und Feuchtgebiete zerstören, sind Hauptgründe für diese Ereignisse. Auch wenn die globale Erwärmung die Katastrophen in mehr als fünf Prozent der Fälle auslöst, erreichen wir bei einem Stopp vergleichsweise wenig. Die tatsächliche, politische Herausforderung ist, den Menschen zu sagen: Ja, das ist ein großartiger Platz zum Wohnen - aber Sie können hier nicht bauen!

Die Furche: Sie betrachten als Statistiker in Ihren Analysen nicht hunderttausende von Jahren, wie etwa Geologen, sondern nur rund hundert Jahre. Lässt dieser enge Blickwinkel seriöse Extrapolationen in die Zukunft zu?

Lomborg: Wir reden darüber, was in den nächsten 50 oder 100 Jahren relevant sein wird. Versetzen Sie sich aber in einen Menschen des 19. Jahrhunderts und versuchen Sie, die heutigen Probleme zu lösen: Sie wüssten es nicht. Versetzen Sie sich in einen Wikinger: Sie hätten keine Ahnung. Wir haben keine Ahnung, wie die Welt in tausend Jahren aussehen wird. Aber wir wissen: Wenn wir heute die Leute ausbilden und schulen, werden sie fähig sein, die Probleme zu lösen.

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