"Arbeit ist gemütlicher"

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Karenzväter stehen nicht nur vor finanziellen und beruflichen Hürden, sie durchleben auch Veränderungen im Selbstbild und Identitätskrisen.

Ja, es braucht Mut, sagt Thomas Krauthaufer-Mayrhofer. Aber vorgehabt habe er es schon immer. Früher habe er sogar eine radikalere Meinung vertreten: "Keine Ausreden, Väter geht in Karenz!" Heute nicht mehr, jeder müsse selbst seine Entscheidung treffen. Er wolle kein Vorzeige-Exemplar, kein Missionar sein, aber ermutigen würde er schon, erzählt der 33-jährige Sozialarbeiter, während er zwei Schaukeln mit seinen zweijährigen Söhnen, ein Zwillingspaar, abwechselnd anschubst. Ein gewöhnlicher Vormittag auf einem Wiener Spielplatz für einen Vater in Karenz.

"Es ist anstrengender als Arbeit, Arbeit ist dagegen gemütlich, aber es ist wunderschön und ich habe es nie bereut", sagt er. Vergangenen Herbst fand der Schichtwechsel satt: Die Umstellung vom Beruf mit klaren Arbeitszeiten zur Rolle als Vater, der immer verfügbar sein muss, habe einige Zeit gebraucht, gesteht er, die Arbeit habe ihm gefehlt. Auch seiner Frau erging es ähnlich. Sie begann wenige Monate nach der Geburt der Kinder wieder stundenweise zu arbeiten, er schraubte seine Arbeitszeit zurück, so fiel der Rollentausch leichter.

"Ich habe es nie bereut"

Es bleibt eine Ambivalenz: Nach Beginn der Karenz empfand er auch etwas von Erleichterung - ein Gefühl, Pause vom beruflichen Stress machen zu dürfen. Bald vermisste er den Beruf. Seit Anfang März ist er daher stundenweise als Bewährungshelfer tätig, in der Zeit, wenn seine Frau bei den Kindern sein kann. Ein Paar - ein perfektes Zeitmanagement. Im kommenden Herbst will er wieder voll in seinen Beruf einsteigen. Er freut sich darauf, will aber die Monate bis dahin noch genießen. "Arbeit ist schon ein wichtiger Teil, aber Karriere kann ich später auch noch machen".

Seine Entscheidung, in Karenz zu gehen, wurde in seinem beruflichen Umfeld positiv aufgenommen. Vielleicht sei es im Sozialbereich leichter, vermutet er. Er verdient als Sozialarbeiter nicht viel mehr als jetzt als Karenzvater: Zweimal Familienbeihilfe und eineinhalbmal Kinderbetreuungsgeld, so die Regelung für Zwillinge. Dennoch lässt er das Argument, dass man sich die Karenz nicht leisten könne, gelten. "Das Kinderbetreuungsgeld ist schon wenig", meint er. Die neue Möglichkeit, höheres Kindergeld bei kürzerer Bezugsdauer in Anspruch zu nehmen, zeigt seiner Erfahrung nach schon Wirkung: Sein Bruder, der beim ersten Kind nicht in Karenz gegangen ist, will es nun beim zweiten probieren. Die vielen Spielplatzstunden allein unter Müttern ernüchterten ihn ein wenig: "Ich glaube nicht, dass jemals 50 Prozent der Väter in Karenz gehen werden. Die Wirtschaft hat daran kein Interesse. Es gibt auch Männer, die das grundsätzlich nicht wollen und nie wollen werden."

Die Gründe, warum nicht einmal vier Prozent aller Väter in Karenz gehen, sind vielfältig: Viele Familien können es sich nicht leisten, es mangelt an Vorbildern, und nicht zuletzt bremst das negative Image der Familienarbeit die Motivation so mancher Väter.

Letztendlich geht es aber auch um Rollenbilder, die sich nur sehr langsam verändern. Genau diese wurden von Wissenschaftlern der Grazer Männerberatung unter die Lupe genommen: 20 Männer in Karenz wurden zu Interviews gebeten. Die Männer wurden in zwei Gruppen eingeteilt: jene, die immer schon in Karenz gehen wollten und daher sehr motiviert waren, und jene, die durch andere Umstände, wie Tod der Partnerin oder Verlust des Arbeitsplatzes in diese Rolle gedrängt wurden. "Wenn von Karenzvätern die Rede ist, wird oft übersehen, dass es nicht für jeden Mann eine ganz freiwillige Entscheidung ist", sagt Christian Scambor, Leiter der Forschungsstelle in der Grazer Männerberatung. Die Ergebnisse waren überraschend: Es gab kaum Unterschiede zwischen beiden Gruppen hinsichtlich des Veränderungsprozesses im Selbstbild. Alle Männer gingen mehr oder weniger heftig durch drei Phasen. Phase eins: "Ich fühle mich fehl am Platz". Die befragten Väter würden sich wie im falschen Film, wie im falschen sozialen Setting vorkommen, erläutert Scambor. Die Männer fühlen sich unwohl allein unter Müttern; abwertende Äußerungen oder Zweifel an ihrer Kompetenz als Vollzeit-Vater durch das Umfeld oder Behörden verstärken dieses Gefühl.

Wie soll ein Mann sein?

Phase zwei: "Wann ist ein Mann ein Mann?". Die Phase der Unsicherheit, die manchmal auch krisenhaft erlebt werden kann, wird von einer Phase der Reflexion und des Hinterfragens von Geschlechterrollen abgelöst.

Phase drei: "Ich bin Familienmanager, na und!" Nach gewisser Zeit als Vollzeit-Papa gelingt es den Männern, ihre Karenzerfahrung in ein neu gestaltetes Selbstbild zu integrieren. Man bildet nicht nur Allianzen von Mann zu Mann, sondern auch geschlechterübergreifend von Hausmann zu Hausfrau. "Die ersten Phasen werden in der Diskussion über Väterkarenz oft unter den Tisch fallen gelassen", sagt der Psychologe Scambor. Bis sich das positive Gefühl der Bereicherung einstellt, dauere es meist ein wenig.

Die Zeit nach dem beruflichen Wiedereinstieg der Männer wird ebenso in der Diskussion meist ausgeblendet. Werden die "soft skills", die sich Männer in der Karenz aneignen, auch tatsächlich vom Unternehmen honoriert wie oft in bewusstseinsbildenden Kampagnen betont wird? Noch würden die Männer die Babypause vorwiegend als Karriereknick erleben, meint Scambor.

Alfred Trendl, Unternehmensberater und "Väterkarenz-Consultant", arbeitet daran, das zu ändern und berät Unternehmen auch in Bezug auf familienfreundliche Maßnahmen. Vor allem der "Papa-Monat" wäre, wenn umgesetzt, ein "kleines Zeichen mit großer Wirkung", ist Trendl überzeugt (der Vorschlag wird derzeit innerhalb der Regierung diskutiert). Die einmonatige Berufsfreistellung nach der Geburt könne eine längere Karenz "schmackhaft" machen und vielleicht den entscheidenden Riss verursachen, der Rollenbilder aufbricht.

Väterkarenz

Ende 2007 bezogen 6150 Männer Kinderbetreuungsgeld (3,68 Prozent aller Bezieher/innen). Die Zahl stieg in den vergangenen Jahren stetig leicht an. Väter, die Kindergeld beziehen, haben folgende Berufe bzw. Beschäftigungssituationen: 21,3 Prozent sind Selbstständige, 17,2 Prozent Bauern, 8,6 Prozent Studierende, 7 Prozent Notstandshilfebezieher, jeweils 6 Prozent Arbeiter und Beamte, 5,6 Prozent Arbeitslosengeldbezieher, 2 Prozent Vertragsbedienstete, jeweils 1,8 Prozent Angestellte und Hausmänner.

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