Der langlebige Mensch wird zum Regelfall. Er ist im sogenannten dritten Lebensabschnitt relativ gesünder und aktiver als in früheren Zeiten. Er hat mehr Chancen, aus der „späten Freiheit“ (eine begriffliche Schöpfung von Leopold Rosenmayr) etwas zu machen. Er könnte auch länger arbeiten; in Österreich geht er – der langlebige Mensch – im Durchschnitt mit 58,3 Jahren in Pension; lang vor dem Regelpensionsalter.
Dazu wird der heute länger lebende Mensch teilweise gedrängt – ältere Arbeitnehmer sind relativ teuer; teilweise wird er zu diesem Schritt in die Pension ermutigt, auch von der Politik, die – etwa wie Bürgermeister Michael Häupl – nichts dabei findet, wenn Bedienstete der Gemeinde Wien in den frühen Fünfzigern „ausscheiden“. Wie lautete seine Antwort auf eine Frage nach dem frühen Pensionsantritt der Gemeindebediensteten: „Das geht niemand etwas an“, sagte er kürzlich.
In den meisten anderen OECD-Ländern liegt das Pensionsalter weit höher. Die Skandinavier wären erstaunt, wie kurz die österreichische Lebensarbeitszeit ist. Hierzulande wird man bestaunt und gelegentlich verblüfft angesehen, wenn man mit 65+ noch einer offiziellen Arbeit nachgeht und dafür Steuer zahlt.
Die demografische Entwicklung spricht freilich dafür, dass schon in naher Zukunft (etwa in fünf Jahren) ältere Arbeitskräfte gesucht sein werden. In manchen Branchen, auf manchen Qualifikationsstufen wird es zu wenig Arbeitskräfte und Nachwuchs geben. Andere Länder tragen dieser Entwicklung schon Rechnung: durch berufliche Weiterbildung im höheren Alter, durch Nutzung des Erfahrungsschatzes reiferer Menschen. Arbeit gibt auch den späteren Jahren mehr Leben: durch erhöhtes Selbstwertgefühl, durch die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, durch das Gefühl, etwas zu leisten. „Arbeit“, so heißt es, „ist auf Dauer noch immer die am wenigsten langweilige Beschäftigung.“ Man sollte aufhören, sie als „Job“ zu bezeichnen und sie mit „hackeln“ gleichzusetzen.
* Der Autor ist Sozialforscher, GfK Austria
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