Argumentierend

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Wenn man im LiF auf Religion zu sprechen kommt, bricht ein Stück Unaufgeklärtheit durch.

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Wenn man im LiF auf Religion zu sprechen kommt, bricht ein Stück Unaufgeklärtheit durch.

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Es ist rührend, wieviele sich mit Blumen an das politische Kranken- oder Sterbebett des LiF begeben. Überlebt die Partei Heide Schmidts die kommenden Wahlen? Braucht Österreich das Liberale Forum? Die so fragen, wollen vielleicht ein kräftiges Ja hören. In der immer stärker an Winner-Images ausgerichteten österreichischen Gesellschaft bekommen die Fragen nach dem politischen Schicksal des LiF aber die Färbung eines bemühten Abschiednehmens. Das kann auch Absicht sein.

Ist jedoch die Ausgangsfrage eine echte und nicht hinterhältige Frage, so kann ein einfaches Ja gesagt werden. Meine Begründung mag paradox klingen: Österreich braucht weiterhin eine große Koalition und - gegen deren Defizite - eine starke, rational argumentierende Opposition, zu der ich neben dem LiF die Grünen unter Van der Bellen zähle. Ich teile Schmidts Argument, daß eine schwarz-blaue Koalition rechnerisch schwieriger wäre, wenn die Liberalen da sind. Das Argument reicht freilich nicht aus, um das LiF zu wählen, denn zur Verhinderung einer kleinen ÖVP-FPÖ-Koalition gibt es auch andere Optionen.

Mich fasziniert am Programm und an den Persönlichkeiten des LiF das Anknüpfen an die Tradition der Aufklärung gegen die historische Überwucherung des Liberalismus durch nationalistische Strömungen. Das LiF unterstellt sich, wenigstens programmatisch, einer Argumentationspflicht und ist in diesem Sinne sehr traditionalistisch in einer Gesellschaft, der populär formulierte Positionen und gut verkaufbare Profile genügen. Diese Argumentationspflicht dürfte innerparteilich sehr anstrengend sein, bedeutet politisch eine Einengung des Wählersegments auf höhere Bildungsschichten, scheint mir der beste Schutz gegen das Abgleiten oppositioneller Politik in wilde Polemik, Verdächtigung, Inkriminierung, Feindbilder zu sein. Von jenen politischen Strategien haben sich die Protagonisten/-innen des LiF gelöst oder gebrauchten sie gebremst (zum eigenen Schaden).

Es gibt aber eine markante Ausnahme: dann, wenn Heide Schmidt auf Religion, genauer auf die katholische Kirche zu sprechen kommt. Da bricht ein Stück Unaufgeklärtheit durch. Nirgends in den Grundsatzerklärungen des LiF findet sich eine Differenzierung zwischen dem unübersehbaren Phänomen einer geschlossenen, mit simplen Feindbildern operierenden, dialogfeindlichen Religiosität und dem Freiheits- und Sozialpotential im Christentum, das sich 2000 Jahre lang gegen alle Versuche machtpolitischen und individualitätsfeindlichen Mißbrauchs durchgehalten hat. Mich stört als Mitglied der katholischen Kirche, wenn pauschal mit der Fundamentalismus- oder Dogmatismuskeule auf meine Kirche gezeigt wird, in der es nicht weniger Konfliktkultur und vernünftiges Wissen gibt als in den Parteien. Die Position des LiF wäre konsistenter, wenn aufgenommen würde, daß der Fundamentalismus die Kehrseite des libertinistisch mißverstandenen Liberalismus ist, von dem sich das LiF abzusetzen versucht. Es müßte der Führung des LiF einleuchten, daß ein im rational geprägten Bildungssystem gelehrtes und vermitteltes Christentum für die demokratische Gesellschaft kompatibler ist als eine aus Universitäten und Schulen gedrängte, kommerzielle TV-Religion.

Wenn nicht mehr zwischen Christentum und etwa Scientology unterschieden werden kann, wird es das LiF mit Individuen zu tun haben, vor denen es sich mehr fürchten muß als vor Haider & Krenn, den beiden Gottseibeiunsen des LiF. Die führenden Mitglieder des LiF sind mit Argumenten und auf Differenzierung ansprechbar. Das ist für mich entscheidend, daß wir sie in der Politik brauchen. Welch schreckliches Wort! Wer argumentiert, den brauche ich nicht bloß, den mag ich, als Gegner in entscheidenden Fragen. Der Logik Schmidts: Wer uns im Parlament haben will, der muß uns wählen - widerspreche ich. Ich habe mich (Wechselwähler) nach Wahlen stets über den Erfolg von ein, zwei Parteien mitgefreut, die ich nicht gewählt hatte, und dabei fühlte ich mich liberal.

Der Autor ist bischöflicher Referent für Wissenschaft und Kultur in der Diözese Graz.

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