Assistent statt Heimalltag

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Behinderte Menschen beklagen mangelndes Interesse an ihren Anliegen

Es sind nicht unsere Behinderungen, die uns unqualifizierter und unflexibler machen, sondern die Rahmenbedingungen", beklagt Dorothea Brozek. Die Rollstuhlfahrerin präsentierte bei der kürzlich in Wien stattgefundenen Tagung "Vom schönen Schein der Integration - Menschen mit Behinderung am Rand der Leistungsgesellschaft" ihren Weg, Selbstbestimmung umzusetzen. Ihr Projekt, das 2002 gegründet wurde, nennt sich Wiener Assistenzgenossenschaft (WAG). Behinderten Menschen werde eine maßgeschneiderte Dienstleistung angeboten, um abseits von Einrichtungen selbstbestimmt leben zu können, erklärt Brozek. Die Assistenzgenossenschaft beschäftigt acht Mitarbeiter in der Organisation, davon sind sechs behindert. 190 Assistenten betreuen hundert Kunden, welche die eigentlichen Arbeitgeber sind.

Dorothea Brozek erklärt das Projekt an ihrem eigenen Fall: Sie leidet an einer Muskelerkrankung. Am Ende ihres Studiums schlug man ihr wegen der Verschlechterung ihres Zustandes einen Heimplatz vor. Die damals 28-Jährige wollte das auf keinen Fall. Ihre persönliche Begleiterin wird nach Kollektivvertrag bezahlt, es herrscht ein normales Arbeitsverhältnis. Brozek fordert eine Vereinheitlichung des Assistenzsicherungsgesetzes. "Was nützt mir die Assistenz am Arbeitsplatz, wenn ich morgens nicht aus dem Bett komme."

Brozek belagt zudem das mangelnde mediale Interesse an der Tagung sowie an Behindertenanliegen schlechthin. "Die Medien unterstützen uns nicht", kritisiert auch Erwin Riess, seit zwanzig Jahren Aktivist der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung. Der Rollstuhlfahrer zieht eine negative Bilanz der bisherigen Errungenschaften. Ob diese Regierung tatsächlich etwas für Behinderte erreichen werde, würde sich bald zeigen, so Riess und verweist auf die Pflegedebatte. Es müsse zu einer drastischen Erhöhung des Pflegegeldes kommen. Den Mangel an wissenschaftlichen Studien zur Lebenssituation behinderter Menschen beklagt auf der Tagung Emmerich Tálos. Der Politologe kritisiert, dass es der Behindertenpolitik an Nachhaltigkeit fehle.

bog

Veranstaltungstipp: Ringvorlesung: Inklusion-vom Schlagwort zum Menschenrecht. www.uni-graz.at/evrwww/RingvorlesungNeu.html

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