Auf den Winzer kommt es an

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Willi Bründlmayer, der Philosoph unter Österreichs Spitzenwinzern, im Gespräch über sich und seine Arbeit.

Die Furche: Ihr Charisma bestehe darin, dass Sie eigentlich gar kein richtiger Winzer sind, hat ein Fachjournalist einmal über Sie geschrieben ...

Willi Bründlmayer: (lacht) Da möchte ich doch dagegen halten, dass ich hier in Langenlois geboren bin und nach 50 Jahren noch immer in Langenlois lebe und zeit meines Lebens mit Weinbau zu tun gehabt habe. Aber es mag schon sein, der typische Weinbauer - der herkömmlichen Vorstellung entsprechend - bin ich nicht.

Die Furche: Wie sieht der aus?

Bründlmayer: Als ich 15, 20 Jahre alt war, da hatte der typische österreichische Weinbauer eine blaue Nase, einen entsprechenden Körperumfang und im Leben, das außer dem Wein nicht sehr viel Lust bot, hart zu kämpfen. Eben deswegen habe ich mich damals schon gefragt, ob das wirklich der Beruf ist, den ich machen will. Ich habe auch gesehen, dass viele Junge, die in den elterlichen Betrieb eingetreten sind, Probleme gehabt haben, ihre Vorstellungen zu verwirklichen, weil die ältere Generation nicht loslassen wollte und die Jungen jahrelang einfach billige Arbeitskräfte geblieben sind. Ich wollte mir dieses Schicksal ersparen und habe Ausschau nach Berufsalternativen gehalten. Letzten Endes bin ich aber doch in den Weinbau zurückgekehrt - und ich bin mit dieser Entscheidung sehr glücklich.

Die Furche: Die Landwirtschaft hat heute ganz offenkundig ein Imageproblem: Der Bauer gilt als Inbegriff des Rückständigen, des Inflexiblen - gewissermaßen das Gegenmodell zum Zeitgeist, der Flexibilität und Mobilität erfordert; noch dazu sieht er sich mit dem Vorwurf konfrontiert, in einer übersubventionierten Branche tätig zu sein. Der Wein-Bauer, der ja nur eine Sonderform des Landwirtes ist, hat dieses Imageproblem nicht - im Gegenteil, der Winzer ist, so scheint es, auf der Höhe der Zeit. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz? Hat das mit Vermarktung zu tun?

Bründlmayer: Auf jeden Fall. Als ich im Betrieb angefangen habe, war eine meiner ersten Aktivitäten, das Etikett so umzustellen, dass groß der Name des Weinguts - "Bründlmayer" - zu lesen ist und alles andere - Jahrgang, Sorte, Lage - deutlich kleiner. Auf den Etiketten der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre stand groß die Sorte, der Winzer hat sich sehr bescheiden zurückgenommen. Ich bin überzeugt, dass die Persönlichkeit des Winzers das wichtigste Kriterium für die Qualität der Flasche und damit der Name auch der wichtigste Etikettenbestandteil ist.

Die Furche: Aber erklärt das schon alles? Ist es nicht trotzdem verwunderlich, dass einige der Winzer fast so etwas wie Medienstars geworden sind, während die Landwirtschaft an sich so eine extrem negative Presse hat?

Bründlmayer: Das wäre nicht unbedingt notwendig. Ich glaube, da wären auch für die restliche Landwirtschaft sehr viele Entwicklungsmöglichkeiten gegeben, die ja ansatzweise ohnedies schon wahrgenommen werden. Aber ich denke, dass der Weinbau hier wirklich Vorreiter ist. Es ist ein Glück für meine Winzergeneration, dass wir auf eine Schicht sehr interessierter Konsumenten gestoßen sind. Dieses Interesse an feinem Essen und Trinken, an einer verfeinerten Essenskultur, das kam zu Beginn der achtziger Jahre und wurde natürlich von den Winzern mit Begeisterung aufgenommen.

Die Furche: Viele Bauern sehen im offenen EU-Markt, erst recht einer erweiterten Union, eine massive Bedrohung. Wie sieht das für die Weinbauern aus?

Bründlmayer: Für den Weinbau hat sich aus meiner Sicht der Beitritt zur EU positiv ausgewirkt. Jeder hat Angst davor gehabt, aber man sieht heute, dass, wenn man sich der Konkurrenz aussetzt, man verschiedene notwendige Entwicklungen vorwegnimmt. Ich habe viele Freunde in der Schweiz, die in einem geschützten Markt operieren, und sehe, dass die durch den Schutz des Marktes sehr viele Entwicklungen verschlafen oder verspätet nachholen und so nicht auf der Höhe der Zeit sind, während Österreich durch den Konkurrenzdruck im Qualitätsdenken schon sehr weit entwickelt ist.

Die Furche: Sie haben die Verfeinerung der Ess- und Trinkkultur angesprochen. Was waren die Ursachen für diese Entwicklung? Wieso ist das ein Small-Talk-Thema geworden? Heute gehört es ja schon zur bildungsbürgerlichen Grundausstattung, die wichtigsten Winzer zu kennen, so wie man früher Schriftsteller, Komponisten und Wissenschafter kennen musste ...

Bründlmayer: In der Nachkriegszeit ging es zunächst einmal um die Grundbedürfnisse; als die gedeckt waren, kam man zu den nächstwichtigen Dingen. Zuerst ist die Frage: Habe ich was zu essen? Ist die positiv beantwortet, dann ist die nächste Frage die nach der Qualität. Und natürlich gehört das, was man zu sich nimmt, was man mit seinen Sinnen wahrnimmt, zum Existenziellen. Zudem hat es auch etwas mit dem typisch Österreichischen zu tun: Man kann sich mit Wohnungen, mit Autos, mit allem möglichen beschäftigen - aber sich mit seinen persönlichen Sinnen zu beschäftigen, das ist schon etwas, was dem Österreicher besonders liegt, auch einem Italiener oder Franzosen. Ich glaube, der Österreicher ist hier ein Mittelglied zwischen mediterraner, slawischer und germanischer Kultur und sinnliche Wahrnehmung entspricht uns sehr.

Die Furche: Zu diesem Verfeinerungstrend gibt es auch eine gegenläufige Bewegung: eine Nostalgie, die sich nach einer vorgeblich verlorengegangenen Ursprünglichkeit zurücksehnt. Es gibt eine Renaissance des "Authentischen", die sich etwa darin niederschlägt, dass Leute sagen, der Schankwein im Viertelliterglas mit Henkel sei das Eigentliche. Ist da etwas dran?

Bründlmayer: Ich bin persönlich ein Freund der Erhöhung der Vielfalt. Ich freue mich, wenn es das Henkelglas gibt und wenn es genug Leute gibt, die sich um alte Rebsorten und dergleichen mehr kümmern; ich bin also einerseits sehr froh, wenn Altes erhalten wird - und wir leisten dazu auch einen Beitrag, andererseits finde ich, ist es auch zu begrüßen, wenn Initiativen gesetzt werden, dass man nicht immer am gleichen Stand stehen bleibt, sondern tiefer geht, verfeinert, Neues ausprobiert und neue Schritte setzt. Beides ist sehr interessant.

Die Furche: Zu den Entwicklungen der letzten Jahre gehört auch der Kult um den Jungwein ("Junger Österreicher", "Steirischer Junker"), der demnächst wieder landauf, landab präsentiert werden wird. Vinophile meinen, eigentlich sei das noch kein richtiger Wein, sondern mehr ein Marketinggag. Wie stehen Sie dazu?

Bründlmayer: Ich bin kein Freund des Anbietens von extrem jungen Weinen. Die Erzeugung von solchen Weinen erfordert einen großen technischen Aufwand, einen großen Aufwand in Bezug auf Filtration und Stabilisierung des Weins. Warum soll man sich das antun, nur damit man etwas möglichst früh auf den Markt bringt? Ich bevorzuge den langsamer reifenden Wein. Ein ganz leichter Grüner Veltliner bis Anfang Jänner - das geht sich aus.

Die Furche: Ein anderer zu beobachtender Trend ist der zum Rotwein. In fast allen Magazinen erschienen in jüngerer Zeit seitenlange Geschichten über "die neuen Roten", die bereits Kultstatus erlangt haben. Dabei galt Österreich ja immer als klassisches Weißweinland ...

Bründlmayer: Da ist einmal zu beachten, dass die ideale Rotweinzone weiter südlich liegt als die ideale Weißweinzone. Während für den Weißwein kühles Klima wichtig ist, um Frische und Aroma zu erhalten, ist für den Rotwein diese Feinheit des Aromas nicht der allerhöchste Wert, da sind auch tiefe Farbe, reife Gerbstoffe und Wärme gefragt, der Rotwein braucht ein oder zwei Grad Celsius Jahresdurchschnittstemperatur mehr. Jetzt ist es aber so, dass sich das Klima erwärmt. Man redet davon, als ob das in der Zukunft läge - wenn man aber zurückblickt bis in die fünfziger Jahre, so hat sich das Klima in Langenlois und in anderen Anbaugebieten schon fast um ein Grad Celsius erwärmt. Die Blühtemperatur ist jetzt fast um zwei Wochen früher als damals. Wir sind damit einen mächtigen Schritt in Richtung Rotweinklima gegangen. Meiner Meinung nach sind wir noch immer im idealen Weißweinklima, aber wir streifen jetzt schon an das ideale Rotweinklima an. Wir nähern uns der südlichen Zone des Weißweinklimas und der nördlichen Zone des Rotweinklimas und können im Moment - und wahrscheinlich auch in den nächsten 20 Jahren - beides in ziemlich guter Qualität machen.

Die Furche: Das heißt, ein angenehmer Nebeneffekt des ansonsten nicht so angenehmen Treibhauseffektes ...

Bründlmayer: In diesem Spezialfall ist es von Vorteil.

Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner.

Die Weine von Willi Bründlmayer können im Heurigenhof (3550 Langenlois, Walterstr. 14; Tel. 02734-2883; Do., Fr. ab 15 Uhr, Sa., So. ab 13 Uhr; Wintersperre von Anfang Dezember bis Ende Februar) verkostet und zu Ab-Hof-Preisen gekauft werden.

www.bruendlmayer.at

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