Aus für Europas Raucher-Oase

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Tschechien ist eines der letzten Länder Europas, in dessen Beisln noch geraucht werden darf. Das soll sich schon ab 2016 radikal ändern. Beislbesitzer und Brauereien protestieren gegen das geplante strikte Rauchverbot der Regierung - sie fürchten um ihre Existenz.

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Tschechien ist eines der letzten Länder Europas, in dessen Beisln noch geraucht werden darf. Das soll sich schon ab 2016 radikal ändern. Beislbesitzer und Brauereien protestieren gegen das geplante strikte Rauchverbot der Regierung - sie fürchten um ihre Existenz.

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Gute Tage eines Milo s Zeman sehen anders aus. Bei einer Inspektionsreise in die Provinz erfuhr der tschechische Präsident kürzlich von mitgereisten Journalisten, dass die Regierung seine Abwesenheit in Prag gleich zu einem Doppelschlag gegen ihn ausgenutzt hatte.

Zum einen entschied sie, die außenpolitischen Kompetenzen des Präsidenten empfindlich zu beschneiden. Hintergrund dafür sind die wiederholten Moskau freundlichen Alleingänge des Prager Burgherren, die der Regierung zunehmend auf die Nerven gingen, weil sie deren Ansehen in der Europäischen Union untergruben. Zeman soll sich in der Außenpolitik künftig etwas zurückhalten.

Beinahe schlimmer noch war der zweite Schlag, der den Kettenraucher Zeman - aber nicht nur den - trifft: die Regierung leitete einstimmig einen Gesetzesentwurf ans Parlament, der ein striktes Rauchverbot in tschechischen Beisln, ja fast generell in der Öffentlichkeit vorsieht.

Mittel gegen Alzheimer

Zeman hatte sich einem solchen Rauchverbot lange widersetzt. Vor zwei Jahren hatte er eine Zigarettenfabrik in Mittelböhmen besucht und dabei mit mehreren seiner - in erster Linie von ihm - geliebten Bonmots aufgewartet. So erklärte er kurzerhand das Rauchen zu einem "bewährten Mittel gegen Alzheimer". Denn, so der Präsident munter weiter: "Diese Krankheit ereilt einen nicht, weil man als Raucher vorher stirbt."

Andererseits sei das Rauchen so schädlich nun auch wieder nicht, wenn man damit nicht schon in früher Jugend beginne: "Ich beispielsweise habe erst im Alter von 27 Jahren damit begonnen, als es meinem Körper schon nicht mehr schadete, weil er voll ausgewachsen war." Die Kinder sollten sich seine Erfahrung zu Herzen nehmen: "Ab 27 ist Rauchen ohne jedes Risiko."

Das verblüffte sogar die versammelte Führungsetage des Zigarettenbetriebes, die sich selbstverständlich über diese kostenlose Werbung durch den ersten Mann im Staate außerordentlich freuten. Zeman griff den Produzenten argumentativ aber noch weiter unter die Arme: "Ich bin gegen jede administrative Begrenzung des Tabakverbrauchs. Es führt zu nichts anderem als zum Schmuggel von Zigaretten, die dadurch teurer und qualitativ auch noch schlechter werden."

Dass Zeman sich als Präsident über jedes Rauchverbot hinwegsetzt, hatte er schon am Abend seiner Wahl gezeigt. Nach seiner Ankunft im Fernsehen für eine Live-Gesprächsrunde setzte er sich erst einmal in das Foyer des Fernsehgebäudes - in dem das Rauchen seit Jahren streng verboten ist - und verlangte unmissverständlich nach einem Aschenbecher. Ohne Zigarette sei er nicht in der Lage, an der Sendung teilzunehmen.

Nun also der Schlag gegen Zeman und die anderen Raucher in seinem Land. Ein gutes Dutzend Gesundheitsminister hatte ein solches Gesetz schon durchsetzen wollen, war aber stets damit gescheitert. Doch die Reihen der Raucher im Parlament haben sich nach der letzten Wahl gelichtet. So rechnet man damit, dass das Gesetz die beiden Kammern problemlos passieren wird und womöglich schon mit Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten kann.

Die Zustimmung gilt auch deshalb als ziemlich sicher, weil das Gesetz in der Bevölkerung populär ist. Drei Viertel der Tschechen sind Nichtraucher und fühlen sich vor allem in den Wirtshäusern von den Rauchern belästigt. Das Gesetz hat aber auch unter den Rauchern selbst eine beachtliche Anhängerschaft.

Doch es gibt auch die Gegner. "Ein tschechisches Beisl ohne Tabakqualm?", fragen sie. "Heller Wahnsinn!". Die typische tschechische "Spelunke" "verliert ihr Gesicht", ätzte denn auch gleich der (rauchende) Chefkommentator eine große Prager Zeitung.

Fakt ist, dass Tschechien eine der letzten Raucher-Oasen in Europa ist. Den Beislwirten bleibt es derzeit noch selbst überlassen, ob sie die Gäste bei sich rauchen lassen oder nicht. Viele teilten auch ihre Räumlichkeiten in Abteile für Raucher und für Nichtraucher. Das Geld für den Umbau hätten sie sich sparen können, wenn das neue Gesetz kommt.

Wirte protestieren

Die Wirte sind auch die, die besonders laut protestieren. Frantisek Cyprys, der Betreiber des Beisls U Senku in Plzen (Pilsen), steht für viele seiner Zunft: "Das ist ein einziger Dilettantismus. Mir bleiben durch das Rauchverbot mehr Gäste weg, als neue kommen. Vielleicht rettet uns in der warmen Jahreszeit unser Sommergarten. In den Dörfern haben aber die wenigsten Beisln ein Gärtchen. Die können ihre Läden gleich dicht machen."

In der Tat geht es vor allem den Dorfbeisln ans Eingemachte. Auf dem Land gehört es zur täglichen Gewohnheit vieler Menschen, nach der Arbeit ein paar Bierchen und Schnäpse zu kippen und dazu wie selbstverständlich auch zu rauchen. In der warmen Jahreszeit mag es nicht angehen, eine Bank vor die Tür zu stellen, auf der dann die Raucher sitzen können. Denn Beisln stehen zumeist an dicht befahrenen Straßen. Dort würde der Rauchgenuss womöglich durch die Abgase der Autos deutlich geschmälert werden, winken die Wirte sauer ab.

Ähnlich wie die meisten Wirte argumentiert der Chef der tschechischen Assoziation der Hotels und Restaurants, Vàclav Stárek: "In nicht einmal der Hälfte Europas gibt es ein solch flächendeckendes Rauchverbot, wie das bei uns angedachte." Das alles sei völlig übertrieben und durch nichts zu rechtfertigen. Außerdem verliere der Staat massiv an Einnahmen aus der Tabaksteuer, lautet ein weit verbreitetes Argument der Gesetzesgegner.

Tschechiens Gesundheitsminister Svatopluk Nemecek macht freilich eine ganz andere Rechnung auf: "Wenn nur fünf Prozent der Raucher ihr Laster aufgeben, verliert der Staat zwar 2,1 Milliarden Kronen an Steuern; er spart aber 5,5 Milliarden an Kosten für die Heilung von erkrankten Rauchern."

35.000 Euro Strafe

Und im Prager Staatssäckel könnte es zudem noch mehr klimpern: wer das Gesetz verletzt, soll nämlich gleich heftig zur Kasse gebeten werden. Die Rede ist von Geldstrafen von bis zu einer Million Kronen (35.000 Euro).

Die gelten auch gleich noch für eine zweite Verordnung, die die Beislwirte entschieden ablehnen: sie sollen künftig dafür sorgen, dass sich kein Minderjähriger mehr in ihren Räumlichkeiten aufhält, um Alkohol zu trinken. Das Alkoholverbot für junge Menschen unter 18 galt zwar schon seit Jahrzehnten. Aber nunmehr soll es auch scharf kontrolliert werden. Und das in einem Land, wo Wasser oder Cola teurer sind als ein halber Liter Bier. Ein Grund mehr für die Beislbesitzer, um ihr Geschäft zu bangen.

Doch nicht nur die klagen ihr Leid. Zwar hält Tschechien immer noch den Weltrekord im Pro-Kopf-Bierverbrauch; aber es sind von Jahr zu Jahr weniger Liter, die namentlich in den Gaststätten durch die durstigen Kehlen rinnen. Das macht den Brauereien zu schaffen. Die empfinden auch das Rauchverbot als geschäftsschädigend, weil sie wie die Wirte mit weniger Biertrinkern rechnen.

Ob sich die Beislwirte ähnlich wie in Nachbarländern um das Gesetz herum winden, indem sie ihre Etablissements einfach als "Klub mit (rauchenden) Vereinsmitgliedern" weiter betreiben, ist offen. Im Moment sind alle einfach nur baff über die Entschlossenheit, mit der die Regierung vorgeht.

Kettenraucher Zeman will entgegen seiner eigenen Gemütsverfassung das Gesetz unterschreiben. "Gerade weil ich hier einen Interessenkonflikt habe, kann ich gegen das Gesetz nicht reinen Gewissens mein Veto einlegen." Doch bei diesen Worten war ihm deutlich anzusehen, wie sehr er verschnupft ist.

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