Ausbruch der Frauen aus Klischees und Rollen

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Unternehmen und Wirtschaft machen Ernst: Zahlreiche Programme sollen Mädchen für die bisher selten gewählten technischen oder naturwissenschaftlichen Berufe begeistern.

Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin - das sind unter Mädchen die drei beliebtesten Lehrberufe. Metalltechnik hingegen, unter Burschen an erster Stelle der zehn am häufigsten gewählten Lehrberufe, kommt bei den Mädchen - als einziger technischer Beruf - an letzter Stelle. Ein ähnliches Bild findet sich an den technischen Universitäten. An der TU Wien ist nur ein Viertel der Studierenden weiblich, der überwiegende Anteil von ihnen wählt das Studium der Architektur. Unter den Studierenden in den Fächern Maschinenbau und Elektrotechnik ist nur ein Zehntel weiblich. Noch seltener sind Frauen unter Professoren und in Führungspositionen technischer Unternehmen anzutreffen.

Woher kommt es, dass Frauen kaum technische Berufe ergreifen? Sind es festgefügte, überlieferte Rollenbilder und die Sozialisation, die Frauen glauben lassen, nicht für die Technik geschaffen zu sein?

Wie stark das Rollenbild, wonach eine Frau nicht zur Technik passe, heute noch wirkt, weiß die ehemalige Kindergärtnerin Gertrude Schatzdorfer seit jener Zeit, zu der sie das metallverarbeitende Unternehmen ihrer Familie übernommen hat: "Wenn Männer im Betrieb anrufen und eine technische Auskunft erhalten wollen, zum Beispiel über das Laserschneiden oder Abkanten, wollen sie mit einem Mann, einem Techniker, verbunden werden, weil sie glauben, ich weiß das nicht. Für manche Männer ist es schwierig, Frauen und Technik zu assoziieren.“

Frauenförderung heißt Gleichberechtigung

Um ein Umdenken der Gesellschaft herbeizuführen, sieht Schatzdorfer sowohl Männer als auch Frauen gefordert. Ihr Betrieb ist durch zahlreiche Auszeichnungen und Preise für die Förderung von Frauen in der oberösterreichischen Region und darüber hinaus bekannt. Fast die Hälfte der Lehrlinge in Konstruktions- und Metallbautechnik sind weiblich. "Frauenförderung heißt für mich nicht, möglichst viele Frauen im Betrieb zu haben“, betont Schatzdorfer, "sondern eine Gleichberechtigung von Frauen und Männern.“ Dies Gleichberechtigung wird im Familienunternehmen in allen Bereichen gelebt: Schwere Lasten haben weder Frauen noch Männer zu tragen. Dennoch waren anfangs vor allem männliche Führungskräfte gegenüber weiblichen Lehrlingen skeptisch eingestellt. Das hat sich geändert, als sich diese bewährten: "Plötzlich sind männliche Leiter anderer Abteilungen zu mir gekommen“, so Schatzdorfer, "und wollten auch Frauen haben.“

Gegen das falsche Bild, wonach Frauen und Technik nicht vereinbar seien, kämpft auch Doris Bock, Geschäftsführerin des Büromöbel-Herstellers Neudörfler Office Systems und Vizepräsidentin der Industriellenvereinigung Burgenland. Technik sei nicht so schwarz-weiß, wie sie meist gesehen werde, sondern sie sei vielfältiger. "Technik heißt für mich auch“, so Bock, "technische Zeichnungen zu machen oder Renderings (Umsetzung von Skizzen, Anm.), wie bei uns in der Firma. Das sind sehr, sehr interessante Aufgaben.“

Gegenwärtig hat Neudörfler Office Systems eine Maturantin als Tischlerlehrling. Von den männlichen Mitarbeitern wird sie wegen ihres Interesses geschätzt und wegen ihrer Tatkraft: "Sie packt überall an, hebt Platten“, so Bock. Das Mädchen wusste schon während der Schulzeit, dass es - wie sein Vater - Tischler werden will, hat auf dessen Anraten jedoch zuerst maturiert.

Entscheiden sich Frauen nicht für eine technische Lehre, sondern für ein Studium, so finden sie sich umso häufiger unter Männern wieder, je höher sie aufsteigen. Wegen des geringen Anteils an Frauen in hochqualifizierten technischen Berufen und erst recht in Führungspositionen fehlt es jungen Frauen an weiblichen Vorbildern und Förderern. Um diesen Mangel zu beheben, absolvierte Elisabeth Unger-Krenthaller, Marketing Director bei SAP Österreich, das Programm "Zukunft Frauen“, ein Frauenförderungsprogramm des Wirtschaftsministeriums, der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung.

Jungen Mädchen fehlen die Vorbilder

"Gerade in der IT-Branche gibt es wenige ältere, erfahrene, weibliche Vorbilder“, klagt Unger-Krenthaller, "die ganze Branche ist eine junge, weshalb es schwierig ist, Mentoren und Role Models zu finden.“ Ziel des Programms "Zukunft Frauen“ ist es, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen und ein Frauennetzwerk aufzubauen. "In unserem Unternehmen gibt es ein bis zwei Frauen in der obersten Ebene“, stellt Unger-Krenthaller fest. Sie sei daher für eine Quotenregelung, denn nur dann werde sich an Österreichs abgeschlagener Position hinsichtlich des Frauenanteils in Führungspositionen etwas ändern. Unklar bleibt für Unger-Krenthaller, warum eine derartige Regelung in Nordeuropa funktioniere, in Österreich hingegen ein Problem ist: "Man muss einfach ein bisschen etwas wagen. Ich weiß nicht, warum gerade in Österreich nichts unternommen wird.“ Für eine relative oder branchenspezifische Quote spricht sich ebenfalls Evelin Mayr von HP Österreich aus, weil sich sonst in Österreich nichts ändere. Das Unternehmen HP achte auf den messbaren "Diverse Talent“-Faktor, der die Vielfalt und Verschiedenartigkeit von Talenten erfasst und daher hinsichtlich der Schlussfolgerungen je nach Region spezifisch ausfällt: Österreich bräuchte mehr Frauen in den Betrieben, HP Amerika mehr Hispanics.

Programme und Projekte mit flotten Namen wie FIT, SPICI oder FemPower sollen Mädchen für die sogenannten MINT-Fächer begeistern, also für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die technischen Studien haben den Vorteil, dass die Aussichten auf eine berufliche Tätigkeit weitaus besser sind als nach geisteswissenschaftlichen Studien. Zudem verdienen Frauen in der Technik besser. Daher wird versucht, Mädchen technische Berufe nahezubringen, etwa bei Berufsorientierungstagen oder beim "GirlsDay“, wie Ingrid Puschautz-Meidl, Geschäftsführerin der IV-Burgenland berichtet: "Wir predigen überall, dass sich die Einkommensschere ganz schnell schließen würde, wenn mehr Frauen in Technikberufen wären, weil sie dort mehr verdienen würden.“

Aufbrechen von Rollenbildern

In Salzburg hat die Industriellenvereinigung mit SPICI (Successful Professions in Cool Industries) ein Programm entwickelt, das Schülerinnen und Schüler durch Exkursionen in Betriebe für naturwissenschaftliche und technische Berufe begeistern soll. Das Programm "Lust auf Technik“ wiederum richtet sich ausschließlich an Mädchen. Ein Quiz über technische Berufe und Studienrichtungen sowie erste Versuche im Löten, Turmbauen oder Programmieren von Lego Mindstorms Robotern sollen den Mädchen die Scheu vor der Technik nehmen. In Salzburg werden in Bälde in Kindergärten "Spürnasenecken“ angeboten, in denen sich Technik spielerisch entdecken lässt. Die Geschäftsführerin der IV-Salzburg, Irene Schulte, weiß es aus eigener Erfahrung: "Je früher die Förderung einsetzt, desto besser, weil das rollenspezifische Denken so manifest ist. Ich habe selbst zwei Töchter, die vom Kindergarten mit Puppen nach Hause kommen, obwohl sie sonst nie mit Puppen spielen. Wir versuchen mit unseren Programmen, diese Rollenbilder aufzubrechen.“

Soll sich die Berufswahl von Mädchen verbreitern, was unstrittig gewünscht ist, dann muss das gelingen.

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