Narr Fasching - © Illustration: iStock/duncan1890 (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Barbara Haid: „Starre Rollen aufbrechen“

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Der Fasching spaltet wie kaum ein anderes Fest. Warum der Brauch des Verkleidens dennoch heilsam sein kann, erklärt die Psychotherapeutin Barbara Haid.

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Der Fasching spaltet wie kaum ein anderes Fest. Warum der Brauch des Verkleidens dennoch heilsam sein kann, erklärt die Psychotherapeutin Barbara Haid.

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Fasching ist die Zeit der Verkleidung. Doch was macht die Maske mit der menschlichen Psyche? Warum es guttut, ab und an aus den gewohnten Alltagsrollen auszubrechen und warum wir uns auch ohne Maske häufig verstellen, erklärt Barbara Haid, Psychotherapeutin am Landeskrankenhaus Hall.

DIE FURCHE: Im Fasching erwachen die Narren in uns. Warum ist der Brauch des Verkleidens so beliebt?
Barbara Haid:
Im Fasching können wir dem Alltag entfliehen, aber nicht nur das. Er befördert uns auch wieder zurück in unsere Kindheit. Kinder spielen unheimlich gerne verschiedene Rollen, sie sind fantasievoll und lustig. Im Fasching dürfen auch wir unserer Fantasie freien Lauf lassen. Es ist ein Gefühl der Unbeschwertheit, der Freiheit.

DIE FURCHE: Hat der Fasching für die Psyche sogar etwas Heilsames?
Haid:
Wenn wir uns verkleiden, entfliehen wir den vielen Erwartungen und Normen, die wir im Alltag erfüllen müssen. Wir nehmen eine sogenannte Gegenrolle an. Ein schüchterner Mensch fängt hinter der Maske plötzlich an, laut zu singen, was er es sich sonst nie trauen würde. Im Clownkostüm ist dieses Verhalten plötzlich möglich. Wenn die Hemmungen jedoch komplett fallen, dann ist das natürlich auch nicht heilsam, sondern zeigt auf, dass die Alltagsrollen vielleicht zu starr sind. Da muss man dann genauer hinsehen. Aber das Heilsame am Fasching ist auf jeden Fall, dass er uns erlaubt, für eine begrenzte Zeit jemand Anderes zu sein. Und danach, und auch das ist wichtig, kehrt man gerne wieder in seine Ursprungsrolle zurück.

DIE FURCHE: Beim Thema Fasching und Verkleiden teilen sich die Meinungen: Manche Menschen lieben es, sich zu verkleiden und albern zu sein, andere halten den Fasching für überholt und unnötig. Was würden Sie zweiteren raten?
Haid:
Natürlich wäre es schön, wenn man Menschen, die bislang noch Faschingsmuffel sind, motivieren könnte, sich zu verkleiden. Im Fasching geht es ja auch darum, etwas Neues auszuprobieren und locker zu lassen. Menschen, die sehr rational sind, lehnen dieses Fest häufig ab. Das ist verständlich, denn im Fasching gibt man Kontrolle ab, es ist eine verkehrte Welt. Und wer ein großes Grundbedürfnis nach Kontrolle, Ordnung und Strukturen hat, wird sich da nicht wohlfühlen. Natürlich ist es vergeudete Zeit, jemanden zum Spaß zu zwingen, aber ich rate auch diesen Menschen, sich zumindest einmal zu überwinden.

DIE FURCHE: Braucht es den Fasching, um aus den Alltagsrollen auszubrechen? Warum fällt uns das in der Regel so schwer?
Haid:
Unser Alltag ist voll von Normen und Wertesystemen, wie „Mann“ oder „Frau“ sein sollte. Man sollte geordnet, strukturiert, leistungsstark und tough sein. Wenn man all das befolgt, ist es natürlich nicht so leicht, daraus auszubrechen. In der Psychotherapie geht es sehr oft darum, neue Rollen anzunehmen. Man spricht von einer Rollenerweiterung. Natürlich bleibt man im Kern dieselbe Person. Aber manche Rollen, die zu starr und kopflastig sind, sollen aufgebrochen und in spielerischere Rollen umgewandelt werden. Da gehört es zum Beispiel auch dazu, faul zu sein oder ein bisschen wilder zu sein. Pippi Langstrumpf dient häufig als gute Inspiration zur Rollenerweiterung. Mit ihrem Lied „Faul sein ist wunderschön“ hat sie der Faulheit eine Huldigung gewidmet. Und das ist wichtig, denn Faulsein hat in unserer Gesellschaft eine nicht so hohe Bewertung. Gleichzeitig brauchen wir aber auch die Auszeit. Denn wenn man immer nur in seinen vernünftigen, erwachsenen, klaren Rollen wäre, dann käme es zu einer Überlastung dieser Rollen und dann kommt die Psyche in eine Schieflage. Das äußert sich dann in Form von Migräne, Gastritis, chronischen Bauchschmerzen oder natürlich auch psychisch. All das kann passieren, wenn wir in unseren Rollen zu starr sind.

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