Begreifen kommt von "Greifen"

19451960198020002020

Mit allen Sinnen lernen: Darum geht es im Privat-Oberstufenrealgymnasium "Mary Ward" in Krems. Seit heuer bietet man mit "Life Sciences" auch einen neuen Schwerpunkt an. Ein Schulbesuch.

19451960198020002020

Mit allen Sinnen lernen: Darum geht es im Privat-Oberstufenrealgymnasium "Mary Ward" in Krems. Seit heuer bietet man mit "Life Sciences" auch einen neuen Schwerpunkt an. Ein Schulbesuch.

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Aquarium gehört nicht unbedingt zum typischen Inventar einer Schule. Schade eigentlich, denn mit seiner Hilfe kann man nicht nur die Schönheit und Vielfalt der Natur studieren, sondern auch lernen, was Verantwortung bedeutet. Hier, im "Mary Ward"-Privat-Oberstufenrealgymnasium mitten in der Kremser Altstadt, hat man diese Art des ganzheitlichen und praxisorientierten Lernens hingegen schätzen gelernt: Jedes Jahr ist eine Klasse für die Pflege des Aquariums und seiner Bewohner verantwortlich. Vier mal pro Woche müssen die Schülerinnen und Schüler so viel Futter ins Wasser streuen, wie der große Putzerfisch und seine kleineren Konsorten in einer Minute fressen können. Ein Mal pro Monat ist auch ein Teilwasserwechsel fällig - amt Abfischen abgestorbener Pflanzenteile, Entfernen des Algenbelags und Reinigung der Filteranlage. In den Ferien werden diese Arbeiten vom Schulwart oder von Lehrern übernommen. Aber auch Schülerinnen und Schüler kommen und helfen freiwillig mit.

"Den Menschen in den Mittelpunkt stellen"

Verantwortung für die Umwelt übernehmen: Dieser Aspekt steht im Fokus der katholischen Privatschule, die sich (neben ihrem musisch-kreativen Zweig) vor allem mit ihrem Ökologie-Schwerpunkt einen Namen gemacht hat. Mit Beginn des heurigen Schuljahres wird der Öko-Schwerpunkt des Oberstufenrealgymnasiums freilich auf das umfassendere Thema "Life Sciences" ausgeweitet: "Wir möchten dadurch den Menschen noch stärker in den Mittelpunkt rücken", erklärt Sandra Köhl, die Direktorin der Schule. In neuen Fächern wie Humanbiologie, Gesundheitspsychologie, Kommunikation und Konfliktlösung sowie Naturwissenschafts-Laboren in Biologie und Chemie erhalten die 15- bis 18-Jährigen dabei neue Einblicke in das Wunder Leben.

36 Schülerinnen und Schüler haben sich heuer erstmals auf dieses Abenteuer eingelassen: die eine Hälfte in reinen "Life Sciences"-Klassen, die andere in typengemischten Klassen mit musisch-kreativer sowie lebenswissenschaftlicher Ausrichtung. Die Highlights aus dem auslaufenden Ökologie-Zweig bleiben dabei erhalten, betont Direktorin Köhl: Dazu gehört nicht nur die Pflege des Aquariums, dazu gehören auch die Projekttage der Sechsklässler in den Donau-Auen. Betreut von Rangern des Nationalpark-Instituts können sie hier vier Tage lang mit allen Sinnen in die Wildnis vor ihrer Haustür eintauchen -ausgerüstet mit Netzen, Sammelbehältern und Gummistiefeln. "Kleinlebewesen nehmen wir mit zum Mikroskopieren, alles was heikel ist, lassen wir wieder frei", erklärt Waltraud Buchinger, die an der Schule Biologie und das Wahlpflichtfach Gesundheitslehre unterrichtet. Höhepunkt ist eine Schlauchbootfahrt auf der Donau und ihren Seitenarmen.

Dass Jugendliche durch bewegende Erlebnisse und lebenspraktische Bezüge nachhaltiger lernen, liegt für Buchinger auf der Hand: "Es ist etwas Anderes, ob man etwa die Herzkammern anhand eines Lehrbuches erklärt - oder ob man bei einem Herzen in der Sezierwanne sieht, wie fein die Herzkranzgefäße sind und wie leicht sie durch Rauchen oder übermäßige Ernährung verlegt werden können." Auch Direktorin Sandra Köhl betont die Praxis-und Erfahrungsorientierung ihrer Schule: "Wenn die Schülerinnen und Schüler emotional betroffen und ergriffen sind, dann erst beginnt das Lernen", ist sie überzeugt.

Die Hinwendung zum einzelnen Menschen mit seiner individuellen Erlebnisund Erfahrungswelt ist freilich nicht nur den neuesten lernpsychologischen Erkenntnissen geschuldet - sie wurzelt auch im traditionellen Leitbild der katholischen Privatschule. "Der Mensch ist das Ziel der Erziehung" heißt es etwa in den fünf zentralen Erziehungsprinzipien; oder: "Wissen und Können werden durch Übung gefestigt und vernetzt". Formuliert wurde all das von der Namensgeberin der Schule, der 1585 im englischen Yorkshire geborenen Ordensfrau und Reformerin Mary Ward. Zwei Grundgedanken bestimmten ihr Lebenswerk: die Idee eines klausurfreien Ordens für Frauen (im Sinne der Jesuiten); und die Vorstellung, Mädchen aus allen Schichten eine christliche Schulbildung zu ermöglichen. Realisiert wurden diese Visionen im Orden der "Englischen Fräulein", der seit 2004 in Analogie zum Jesuiten-Orden die Bezeichnung "Congregatio Jesu"(CJ) trägt, sowie in zahlreichen Schulgründungen. 1709 wurde eine Niederlassung in St. Pölten gegründet, 1722 jene in Krems.

Heute werden im "Schulzentrum Mary Ward Schulen Krems", zu dem neben dem Oberstufenrealgymnasium auch eine Volksschule, eine Neue Mittelschule und ein Hort gehören, längst Burschen und Mädchen gemeinsam unterrichtet -wobei etwa drei Viertel der Schüler noch immer weiblich sind. Ordensfrauen unterrichten hier hingegen keine mehr, sie leben heute im "Maria Ward Haus" am Lilienhof, einem Seminarzentrum am Rande St. Pöltens. Um den Geist Mary Wards und das Charisma des Ordens weiterzutragen, hat die Vereinigung von Ordensschulen Österreichs im Jahr 2000 die Trägerschaft für die Schulen übernommen (siehe Kasten). Das Feiern christlicher Feste gehört ebenso zum Selbstverständnis der katholischen Schule wie die Mitarbeiterschulung in ignatianischer Pädagogik sowie Orientierungstage für Schüler am Lilienhof.

Individualisierte Oberstufe

Den Menschen in den Mittelpunkt stellen: Dieses Motto, das inhaltlich für den neuen "Life Sciences"-Schwerpunkt gilt, prägt auch die generelle, pädagogische Haltung an der Schule, betont Direktorin Sandra Köhl: "Es geht eben nicht nur um Leistung, sondern der Mensch selbst hat einen Wert." Wobei die familiäre Atmosphäre an der Schule mit ihren 140 Schülerinnen und Schülern einen solch individuellen Zugang beträchtlich erleichtert. Mehr Individualität soll nicht zuletzt auch die "Neue Oberstufe" (NOST) bringen: Als eine der ersten Schulen in Niederösterreich hat man in Krems beschlossen, die "NOST" schon jetzt mit dem neuen "Life Sciences"-Schwerpunkt einzuführen. Ab der 6. Klasse wird dabei der Stoff semesterweise gebündelt und kann bei negativer Beurteilung separat wiederholt werden, ohne den Klassenverband verlassen zu müssen. Auch eine individuelle Lernbegleitung ist vorgesehen.

Dass dies am ORG "Mary Ward" in Krems schon bisher praktiziert wurde, zeigt das erfreulich gute Abschneiden bei der letzten Zentralmatura. Auch die jetzigen Achtklässlerinnen blicken optimistisch in die Zukunft: Pia etwa, die sich in ihrer vorwissenschaftlichen Arbeit mit dem italienischen Projekt "Nemos Garten" und dem Unterwasser-Biosphären-Anbau von Basilikum beschäftigt, will später in Wien oder Krems Biotechnologie studieren. Und Sonja, die sich mit den Einflüssen der Massentierhaltung auf den Klimawandel auseinandersetzt, zieht es zum Studium der Architektur und erneuerbarer Energien in die USA. Zuvor stehen in der Biologie-Laborübung aber noch Enzym-Untersuchungen an Bananenschalen an. Hauptsache praktisch eben.

DIESE SEITE ENTSTAND IN KOOPERATION MIT DEN ORDENSGEMEINSCHAFTEN ÖSTERREICHS. DIE REDAKTIONELLE VERANTWORTUNG LIEGT BEI DER FURCHE.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung