"Bei diesem Prozess macht man sich verletzlich"

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Flache Hierarchien, Transparenz nach innen und nach außen: Der Medienwissenschafter Fritz Hausjell verficht Public Value Management für öffentliche Anstalten wie den ORF.

Die Furche: Seit einem Jahr nimmt der ORF das Wort Public Value in den Mund, er hat auch ein Kompetenzzentrum dafür. Wie beurteilen Sie das?

Fritz Hausjell: Ich halte es für notwendig und hätte mich gefreut, wenn der ORF das schon früher aufgegriffen hätte. Es ist ein Verdienst des jetzigen Führungsteams, das jetzt anzugehen. International ist das schon ein Stück früher diskutiert worden.

Die Furche: Ist Public Value für den ORF aber nicht bloß ein Feigenblatt, um die Existenz zu rechtfertigen?

Hausjell: Nein. Es wäre höchstens dann ein Feigenblatt, wenn die Prinzipien des Public-Value-Management mittelfristig nicht realisiert würden. Derzeit spricht aber alles dafür, dass man es ernsthaft angeht. Natürlich ist die Umstellung eines klassischen Managements zum Public-Value-Management mit Schwierigkeiten verbunden. Außerdem hat der ORF - wie die meisten öffentlichen Rundfunkanstalten Europas - einen diffizilen Auftraggeber: Er ist eigentlich ein öffentliches Unternehmen, das aber stark von der Politik gesteuert wird. Da wäre gerade Public-Value-Management eine Chance gegenüber einem zu starken Zugriff der Politik.

Die Furche: Wieweit ist man da beim ORF schon?

Hausjell: Auf dem Weg, würde ich sagen. Da sind noch viele Schritte zu tun. Das ist ein Prozess, der sich nach außen wie nach innen richtet. Nach außen, weil mit denen, die den ORF nutzen, Verständigung erzielt werden muss, was als Public Value zu definieren ist. Das ist ja nicht etwas Starres, Überzeitliches, sondern erwächst aus der Frage der gesellschaftlichen Notwendigkeiten und aus dem, wie die Gesellschaft definiert, was der öffentliche Rundfunk leisten soll. Auch nach innen ist das kein sehr einfacher Prozess. Dort geht es um die Einbindung der Mitarbeiter bei der Erreichung der Zieldefinitionen. Es geht darum, dass man diese im Gesamtteam als notwendig erkennt - nicht weil man von oben überzeugt wird, sondern weil man es gemeinschaftlich erarbeitet. Das heißt: flachere Hierarchien, mehr Transparenz.

Die Furche: Was ist anders als beim klassischen Management?

Hausjell: Public-Value-Management macht mehr nach außen transparent als es klassisches Management tut, es kann aber auch angreifbarer machen als klassisches Management, wo nur bestimmte Ziele kommuniziert werden und nicht die Diskussion dieser Ziele. Ein Umstellungsprozess, der schwierig ist. Der erste Schritt ist, im Haus breite Unterstützung zu bekommen, das Verständnis zu bekommen, damit das mitgetragen wird. Da sind viele Schritte zu tun.

Die Furche: Dem ORF werden aber zur Zeit große Managementschwächen vorgeworfen: "Management by chaos". Entscheidungen sind vielleicht öffentlich, aber trotzdem nicht transparent.

Hausjell: Das ist Teil dieses Prozesses. Das kann natürlich in Übergangsphasen von außen so gesehen werden. Es gibt Mitbewerber und auch politische Gruppen, die ein Interesse daran haben, das so darzustellen. Es gilt zu unterscheiden, was wirklich Chaos ist und was als Chaos dargestellt wird. Oder was in diesem Wandlungsprozess als Chaos wahrgenommen wird, es aber nicht ist, sondern eben ein wesentlicher Teil des Transparentmachens von Entscheidungsprozessen. Denn beim Public-Value-Management geht es auch darum, sich mit uns Mediennutzern auf Augenhöhe auseinanderzusetzen. Das kann ich nur, wenn ich weiß, welche Diskussionen es im ORF gibt. Bei diesem Prozess macht man sich auch verletzlich. Deshalb verstehe ich, dass ein Management diese Schritte langsam tut. Es ist ein gesellschaftlicher Lernprozess innerhalb und außerhalb der Organisation. Das ist für die Gesellschaft die große Chance in einem Unternehmen, das auf dem Papier allen gehört, auf gleichberechtigter Ebene zu bestimmen, was die Leistungen sind, die dann erreicht werden und dann auch professionell überprüft werden sollen.

Die Furche: Jemand aus der Wirtschaft würde da einwerfen, dass Entscheidungsprozesse schwerfällig werden.

Hausjell: Es ist richtig, dass es auf der einen Seite schwerfälliger wird - insbesondere in der Übergangsphase. Diesem berechtigten Einwurf ist entgegenzuhalten, dass auf der anderen Seite dafür eine wesentlich größere Stärkung eines bislang umstrittenen Modells passiert, weil dann ein großer Teil der Bevölkerung dahintersteht und sagt: Ich weiß, warum mir das der ORF wert ist - ich habe eine praktische Chance, meine Interessen einzubringen.

Die Furche: Gerade staatsnahe Unternehmen stehen im Geruch, ineffizient zu sein. Gibt Public-Value-Management nicht all jenen recht, die meinen, in einem privaten Unternehmen würde das alles schlanker sein, schneller gehen?

Hausjell: Haben wir diesen Eindruck nicht deswegen, weil die gegenwärtige Politik stark mit dem Begriff "Lähmung" belegt ist? Gerade im Bereich der Medien sehe ich die große Chance darin, eine möglichst große strukturelle Politikferne zu erreichen - nicht eine Entpolitisierung, aber dass die Politik nicht so stark die Rahmenbedingungen bestimmt. Ein weiterer wichtiger Schritt ist möglichst große Autonomie gegenüber einzelnen Gruppen, etwa der Wirtschaft. Allzu große Abhängigkeit gegenüber der steuernden Wirtschaft über Werbung ist auch nicht das Modell, das man gegen politische Abhängigkeit eintauschen möchte.

Die Furche: Der ORF ist aber eine mischfinanzierte Institution. Wie soll dieses System funktionieren, wenn ein Gutteil der Einnahmen aus dem kommerziellen Bereich kommt, für den die Quote schlagend ist? Wie kann man da von Public-Value-Management sprechen?

Hausjell: Erstens kann man deswegen davon sprechen, weil es nur die Hälfte der Finanzierung betrifft. Man hat auf jeden Fall einen deutlich größeren Spielraum als der privatwirtschaftliche Rundfunk. Dass in der kleinstaatlichen Strukturierung Österreichs dieses spezielle Modell negative Seiten hat, will ich nicht verschweigen. Die Frage ist, ob man sich im Zuge des Public-Value-Managements Modelle vorstellen kann, bei denen man strukturell ein Stück davon wegkommt.

Die Furche: Glauben Sie im Ernst, dass ein Unternehmen, das Werbeeinnahmen lukriert, von sich aus sagt: Verzichten wir auf die Werbung?

Hausjell: Wenn ich dadurch was gewinnen kann, ja - wenn der Auftrag insgesamt an mich lautet, darauf ein Stück zu verzichten, um ein anderes Ziel leichter zu erreichen.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

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