Pannonische Tafel  - © Foto: picturedesk.com / Weingartner-Foto

Bereit, sich helfen zu lassen?

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Wenn von „Hilfsbereitschaft“ die Rede ist, sind meist Menschen gemeint, die andere unterstützen. Noch herausfordernder ist freilich, selbst Hilfe anzunehmen. Über Charity, Stolz und die Kunst des Empfangens.

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Wenn von „Hilfsbereitschaft“ die Rede ist, sind meist Menschen gemeint, die andere unterstützen. Noch herausfordernder ist freilich, selbst Hilfe anzunehmen. Über Charity, Stolz und die Kunst des Empfangens.

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Kürzlich las ich bei dem Schriftsteller und Essayisten Franz Schuh, der heuer im März seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, folgenden Satz: „Die Fähigkeit, sich helfen zu lassen, nenne ich Hilfsbereitschaft.“ Ein bemerkenswerter Gedanke. Üblicherweise versteht man doch unter Hilfsbereitschaft die Bereitschaft und Fähigkeit, anderen zu helfen. Wer Hilfe in Anspruch nimmt, den bezeichnen wir als „hilfsbedürftig“. Er oder sie ist nach landläufiger Vorstellung Adressat der Hilfsbereitschaft, aber doch nicht das Subjekt.

Helfen ist menschlich, Hilfsbereitschaft und Güte eine Tugend. Wie alles im Leben, können sich aber auch die besten Absichten und Eigenschaften des Menschen in ihr Gegenteil verkehren. In der Beziehung zwischen Helfendem und demjenigen, dem geholfen wird, besteht ein Gefälle. Im Akt des Helfens, noch dazu, wenn die Hilfe auf längere Zeit beansprucht wird, entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis, das sich verfestigen kann. Wer aber möchte schon gern von anderen Menschen abhängig sein? Hilfsbedürftigkeit im üblichen Wortsinn wird als Schwäche erlebt, während das tätige Helfen, sofern es nicht als drückende Pflicht und als Zwang erfahren wird, das eigene Selbstwertgefühl steigert. Wer Gutes tut, fühlt sich dabei gut.

Es gibt genügend Beispiele dafür, wie sich Instrumentalisierung der Hilfsbedürftigen mit Voyeurismus paart, der sich womöglich noch am Elend der Anderen ergötzt. Zugleich lebt der Charity-Rummel der Seitenblicke-Gesellschaft vom Narzissmus der Spender, die bei ihrer Mildtätigkeit gesehen werden und dafür Applaus heischen wollen.

Zur Schau gestelltes Elend

Dass es in der Ökonomie der Aufmerksamkeit freilich nicht ohne Zuschauer geht, zeigt sich an verschiedenen Beispielen. Um Spenden für Notleidende zu akquirieren, muss auf ihre Not aufmerksam gemacht werden – auch wenn diejenigen, die mit dem eingeworbenen Geld Hilfe leisten wollen, sich nicht in den Vordergrund schieben. Die Grenze zwischen Information und Zur-Schau-Stellung ist nicht selten schmal. Ohne Emotionalisierung müssen Spendenaktionen misslingen. Auch der Bettler am Straßenrand, der seine verstümmelten Gliedmaßen zur Schau stellt, weiß das.

Bisweilen ist es aber auch vonnöten, diejenigen, die im Einsatz für andere Menschen stehen, ins Rampenlicht zu stellen. Die Corona-Pandemie hat dafür ein gutes Beispiel geliefert, als plötzlich die Frage auftauchte, welche Berufe eigentlich in Notzeiten wirklich „systemrelevant“ sind. Plötzlich wurde den Pflegekräften, aber auch Verkäuferinnen und Polizisten von Balkonen applaudiert. Allerdings ging die Welle der Sympathie dann doch nicht so weit, die Wertschätzung für Pflegekräfte auch in Gehaltserhöhungen zu übersetzen. Nun galt wieder das Motto: „Geld ist nicht alles.“

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