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Im Schuljahr 1966/67 übernahm die Leitung der Lehranstalt für gehobene Sozialberufe Frau Dr. A. Bitterer. Es war nun ihre Aufgabe, der Schule einen modernen Rahmen zu geben. Die Beschaffung von Geräten, die einen erfolgreichen Unterricht gewährleisten sollen, war das erste Beginnen. Hemach mußten die Räumlichkeiten der Schule den neuen Bedürfnissen angepaßt und Möbel, Tafeln usw. erneuert werden. Sicherlich sind diese Dinge, gemessen an den großen Aufgaben, die noch zu bewältigen waren, geringerer Natur, aber sie mußten vorhanden sein. Es war oft ein mühseliger Weg bis wieder ein Stück erworben werden konnte.

Bald warf das neuzuerstellende Schulgesetz seine Schatten voraus. Viele Konferenzen und private Gespräche waren notwendig und entwickelten neue Anregungen und Gedanken. So wuchs das neue Programm in großer Schnelligkeit Es fand im Jahre 1962 seinen Niederschlag in der gesetzlichen Form. Darnach änderte die Schule ihre bislang geführte Bezeichnung: „Soziale Frauenschule“ in „Lehranstalt für gehobene Sozialberufe“ und wurde „eine den Akademien verwandte Lehranstalt“.

Die Lehranstalt für gehobene Sozialberufe hat die Aufgabe, aufbauend auf dem Bildungsgut einer höheren Schule das für die Ausübung einer gehobenen Berufstätigkeit auf dem Gebiet der Sozialarbeit erforderliche Wissen und Können zu vermitteln. Sie hat die Studierenden zur pfflichtfreudigen und verantwortungsbewußten Lebenshaltung und Berufsausübung zu führen (Schulorganisa-'tionsgesetz, BGBL. 242/1962).

Um diese Zielsetzung zu verwirklichen, steht lediglich ein Zeitraum von zwei Jahren für Maturanten und ein Zeitraum von drei Jahren für Nichtmaturanten — durch Vorschaltung eines Vorbereitungslehrganges mit allgemeinbildenden Unterrichtsgegenständen — zur Verfügung. Dies ist wahrhaft eine sehr schwere Aufgabe.

Weiters sieht das neue Schulgesetz in genauester Form die zu lehrenden Unterrichtsgegenstände wie die zu absolvierenden Praktika in festgelegtem Ausmaß vor.

Wie vielfältig und interessant die theoretische und praktische Ausbildung ist, geht aus dem Rahmenlehrplan hervor, der zur Information einer breiteren Öffentlichkeit im folgenden wiedergegeben werden soll.

Rahmenlehrplan der Lehranstalten für gehobene Sozialberufe

A. Pflichtgegenstand StundenausmaB

Religion................ 64

Einführung in die Sozialphilosophie ... 32

Einführung in die Psychologie..... 128

Einführung in die Pädagogik ....... 128

Einführung in die Psychiatrie...... 32

Einführung in die medizinischen

Fachgebiete............. 256

Einführung in die rechitskundlichen

Fachgebiete.............. 288

Einführung in die soziologischökonomischen Fachgebiete...... 128

Methodik der Sozialarbeit........ 400

Musische Unterrichtsgegenstände .... 64

Leibeserziehung.............. 128

Seminare................. 300

Gesamtstundemzahl----......... 1948

B. Praktika

Woohenzahl Arbeitsstunden

I. Pflichtpraktika Gesundhedtsfürsorge: Krankenpfege (einschließlich Wochenbettpflege für weibliche Studierende)

.........4 Wochen ganztägig 180

Säuglings- und Kinderpflege (an Stelle von Säuglingspflege haben männliche Studierende ein Praktikum in der Behinderten- oder Erziehungsfürsorge abzuleisten) ... 4 Wochen ganztägig 180 Gesundheitsamt, einschließlich Tbc-u. Altersfürsorge . . 4 Wochen halbtägig 80 Erziehungaf ürsorge: Jugendamt, einschließlich Amtsvormundschaft, . . .6 Wochen ganztägig 270 Kindergarten . .,. 2 Wochen halbtägig 40

Zusammen .;............ 750

II. Alternative Pflichtpraktika Drei Praktika aus folgenden Gebieten:

1. Entweder a) orthopädische Abteilung oder Arbeitstherapie oder Rehabilitation oder Arbeitstherapie auf der Psychiatrie oder Hautklinik oder Krankenhausfürsorge . . 4—6 Wochen oder b) Berufsberatung und Trinkerfürsorge oder Betriebstfür-sorge oder Fabrikspraxis oder Gefangenenfürsorge oder Altersfürsorge oder Familienhilfe ........2—3 Wochen 80—120

2. Entweder a) Arbeit beim Kleinkind und Schulkind oder Arbeit im Kinderheim . . 6—8 Wochen oder b) Kindergarten . 2—3 Wochen und

Kinderheim . . 4—5 Wochen oder c) Kindergarten . 2—3 Wochen und

Kinderbeobachtungsstation oder Fürsorgeerziehungsheim oder Heim für Jugendliche oder Arbeit in Gruppen ........4—5 Wochen 120—160

3. Ergänzendes Praktikum entweder a) mit Kindern oder b) mit Jugendlichen, so daß jeder Ausbildungsteilnehmer mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat

. . . . . _____ 3 Wochen 60

Im Anschluß an diese Neuordnung bekam der Verwaltungsapparat der Schule notwendigerweise ein neues Gesicht, so daß die heutige nur mehr in den Grundfesten Ähnlichkeit mit der früheren Form hat.

Es ist daher durch diese Entwicklung nicht verwunderlich, daß sich zwei weitere Neuerungen ergaben.

Seit dem Schuljahr 1962/63 bildet die Schule auch Herren aus, die sich dank der großzügigen Stipendienaktion der niederösterreichischen Landesregierung nunmehr in größerer Zahl für den Beruf des Sozialarbeiters interessieren. Herren im Sozialberuf einzusetzen, ist im Ausland bereits selbstverständlich.

Ein zweiter Bildungsgang in den Sozialberufen

Seit 1963 entwickelten sich immer intensiver die Gespräche um die Möglichkeit des zweiten Bildungsganges in den Sozialberufen. Es wurde mit schon bestehenden Abendschulen (zum Beispiel in der Schweiz und Holland) Verbindung aufgenommen.

So entschloß sich die Caritas der Erzdiözese Wien zur Führung einer Abendschule. Nach Verhandlungen mit den zuständigen Stellen der Unterrichtsbehörde wurde mit Beginn des Schuljahres 1965/66 die Schule als „Versuchsform für Berufstätige“ genehmigt und am 4. November 1965 eröffnet.

Aufnahme finden solche Bewerber, die über die gesetzlichen Voraussetzungen der Tagesschule hinaus das 20. Lebensjahr im Jahr der Aufnahme vollenden und eine Berufsausbildung abgeschlossen haben oder in das Berufsleben eingetreten sind.

Die Lehranstalt für gehobene Sozialberufe — Versuchsform für Berufstätige — umfaßt fünf Semester für Maturanten und sechs Semester für Aufnahmewerber ohne Reifeprüfung einer höheren Schule.

Der Lehrplan der „Versuchsform für Berufstätige“ entspricht dem Normallehrplan; es entfällt lediglich der Unterricht in Leibesübungen.

Noch bleibt viel zu tun

Die „Lehranstalt für gehobene Sozialberufe der Caritas der Erzdiözese Wien“ präsentiert sich heute in folgender Form:

I. Tagesschule: Vorbereitungslehrgang für Nichtmaturanten

1. Jahrgang

2. Jahrgang

II. Versuchsform für Berufstätige: Vorbereitungssemester 1.—4. Semester

Im Schuljahr 1967/68 wird aufbauend noch das fünfte und sechste Semester dazukommen.

Ende dies Schuljahres 1967/68 werden die ersten Studierenden der „Versuchsform für Berufstätige“ die Abschlußprüfung ablegen und das Diplom erwerben.

Die Rückschau auf die Entwicklung dieser

Schule ist nicht eine historische Rückschau der Schule allein, sie ist im Rahmen einer Geschichte der Sozialarbeit zu werten.

Es wurde eine Zeit von 50 Jahren bewältigt. Noch viel bleibt zu tun. Gemessen an der Lage in anderen Ländern muß festgestellt werden, daß die Sozialarbeit in Österreich noch einer größeren Wertung und Anerkennung bedarf.

Der Einsatz darf sich nicht nur auf die traditionellen Zweige der Sozialarbeit erstrecken, sondern muß erweitert und den Anforderungen der heutigen Zeit angepaßt werden. Dadurch könnten die Berufungen auch in der heutigen jungen Generation zahlreicher und eine größere Schülerzahl Wirklichkeit werden wie bei unseren europäischen Nachbarn.

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