Bläst bald kalter Wind in den Sozialeinrichtungen?

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Gerade in den klirrend kalten Jännertagen sind sie alle wieder erschienen: Kupfermuckn, Augustin, Megaphon, Asfalter, 20er und wie sie sonst noch heißen - die Straßenzeitungen der Obdachlosen in Österreichs Landeshauptstädten. Eigenartige schüchterne Blüten im großen Blätterwald, auf Umweltpapier, halb professionell gemachtund halb wie Schülerzeitungen, aber viel persönlicher, tiefgehender, berührender ....

Und eine doppelte Chance: für diejenigen, die schreiben, gestalten und vertreiben, die Möglichkeit zu ein wenig Zuverdienst, und aucheine praxisbezogene Chance aufBeschäftigungstherapie, Arbeitstraining und vielleicht sogar beruflichem Wiedereinstieg.

Eine Chance aber auch für diejenigen, die kaufen (oder abonnieren, auch das gibt's!) und vor allem lesen: auf Informationen aus wirklich erster Hand, ohne den Filter journalistischer beziehungsweise medialer Tricks, ohne Redaktions- oder Verlagslinie, ohne Rücksicht auf Auflagenhöhe. Informationen über das Leben am Rand unserer Gesellschaft, auf der Straße, inAbbruchhäusern, in Notquartieren. Über das Leben nicht nur ohne Wohnung, sondern auch ohne Arbeit und Familie, aber mit Alkohol und Drogen ... Wer dem Kolporteur nicht nur schweigend die Münzen in die Hand drückt, sondern ein wenig stehen bleibt, findet sich meist im Gespräch mit dem Verfasser eines Artikels, mit dem Fotografen oder dem Layouter.

Wobei die Redakteure immer jünger werden: die Linzer Zeitschrift Kupfermuckn etwa hat seit Ende desVorjahres eine Jugendbeilage namens Kupfermücklein, und das signalisierteine Verlagerung des Obdachlosen- beziehungsweise Wohnungsnotphänomens auf mittlerweile fast ein Viertel unter Dreißigjährige beziehungsweise über fünf Prozent unter Zwanzigjährige. Genaue Zahlen fehlen, aber Experten wissen schon längst, daß es Straßenkinder nicht nur in Brasilien oder Rumänien gibt, sondern auch schon bei uns.

Darauf haben aber schon bisher Sozialpolitik und Sozialverwaltung nur in bescheidenen Ansätzen reagiert - und das ist in Anbetracht der Temperaturen ebenso sehr ein Problem wie angesichts der Befürchtungen, den Sozialeinrichtungen könnte demnächst ideologisch ein kalter Wind ins Gesicht blasen.

Die Autorin ist Professorin für Soziologie an der Universität Linz.

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