Brotlose Geisteswissenschaft

Werbung
Werbung
Werbung

Unter Berufung auf eine aktuelle Studie rät das Arbeitmarktservice Frauen zu naturwissenschaftlichen Studien. Expertinnen beklagen Rollenklischees.

Das hört sich fürs Erste doch gut an: In Österreich wird im europäischem Vergleich in den nächsten zehn Jahren das höchste Wachstum an hochqualifizierten Personen erwartet. Das prognostiziert die neu herausgegebene Studie des Arbeitsmarktservice (AMS) mit dem Titel "Längerfristige Beschäftigungstrends von HochschulabsolventInnen“. Die Jobaussichten seien auch nach wie vor "sehr gut“.

Doch dann kommt der große Wermutstropfen: Für Frauen wird sich die Arbeitssituation noch weiter verschärfen, da laut Studie vor allem die frauendominierten Bereiche der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften von atypischen Beschäftigungsverhältnissen, wie befristeten Dienstverhältnissen, Leiharbeit und geringfügiger Beschäftigung, gekennzeichnet sind.

Gebildet, weiblich, unterbezahlt - das ist das durchschnittliche Los einer Gewi-Absolventin. Dazu kommt noch: Die Zahl der Akademikerinnen steigt, trotzdem verdienen sie weniger als ihre männlichen Kollegen. Schuld daran sei die Wahl des Studiums, so das Arbeitsmarktservice. Noch immer gelinge es nicht, Frauen für naturwissenschaftliche und technische - also einkommensstarke - Studien zu begeistern. Obwohl mittlerweile mehr Frauen (53 Prozent) als Männer studieren, wählten nur 20 Prozent eine technische Studienrichtung. Umgekehrt bringt es die Veterinärmedizin auf einen Frauenanteil von 82 Prozent, die Geisteswissenschaften kommen auf 71 Prozent.

Ein tristes Fazit

Das Fazit der Studienautoren Regina Haberfellner und Rene Sturm fällt auch deshalb eher trist aus. Auch zukünftig werde sich durch die Konzentration auf wenige Studienrichtungen die Aufsplitterung des Arbeitsmarktes für Hochschulabsolventen nach Geschlecht weiter verfestigen.

Treibt das "falsche“ Studium die Einkommensschere noch weiter auseinander? Sicher ist: Bei den Geistes- und Sozialwissenschaftern gibt es keine Sicherheit über die Art der späteren Berufstätigkeit, wie sie etwa bei Lehrern, Medizinern oder Juristen gegeben ist. Darüber hinaus ist dieser Bereich nicht gerade für eine fürstliche Bezahlung berühmt. Viele Absolventen von Studienfächern wie etwa Soziologie, Kunstgeschichte und Kultur- und Sozialanthropologie verdienen in den ersten Berufsjahren laut AMS weniger als 1000 Euro netto.

"Das liegt aber nicht an den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern“, sagt Birgit Sauer, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Sie forscht unter anderem zu Politik und Geschlechterverhältnissen.

Zu wenig Aufklärung

Von Aussagen, wie Frauen wählen das falsche Studium, hält sie gar nichts. "Wir müssen uns vor Augen führen, dass Bereiche, in denen vermehrt Frauen zu finden sind, schon immer niedriger honoriert wurden als klassische Männerdomänen“. Dieses Phänomen sei historisch gewachsen und kein Problem der Geisteswissenschaften.

Es werde außerdem zu wenig getan, um Frauen in jungen Jahren für naturwissenschaftliche und technische Fächer zu begeistern. "Die Medien, Schulen, das Elternhaus müssten die Mädchen viel mehr zu naturwissenschaftlichen Fächern ermutigen“, sagt Sauer.Das wahre Problem sei, dass Kinder - noch immer - geschlechtertypisch aufwachsen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Buben schrauben und hämmern, die Mädchen schieben Puppenwagen und schminken ihre Barbys im Schönheitssalon.

Das setzt sich bei der Berufs-, aber auch bei Studienwahl fort. Junge Frauen studieren oft Germanistik, Pädagogik oder Psychologie, während die jungen Männer mehrheitlich in den volkswirtschaftlichen Fakultäten oder an den technischen Hochschulen ihre Zukunft suchen.

Mangel an positiven Vorbildern

Jene jungen Frauen, die sich allen Rollenklischees zum Trotz für ein Studium in einem traditionell "unweiblichen“ Fach entscheiden, fehlt es an positiven Vorbildern, sagt Eva Egger, Expertin für Arbeitsmarkt für Frauen. Frauen werde noch immer zu wenig zugetraut.

Doch selbst ein klassisch "männliches“ Studium schützt vor Lohndiskriminierung nicht: Laut Egger sei quasi egal, welches Studium beziehungsweise welchem Beruf Frauen ergreifen, sie verdienen bereits beim Einstieg um 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Nach fünf Jahren verdienen Männer laut AMS durchschnittlich 3.720 Euro brutto monatlich - Frauen nur 2.910 Euro.

Aber auch die Familienplanung bringe den Karriereknick für die Frau, meint die AMS-Expertin. Gerade für Naturwissenschafterinnen sei es besonders schwierig, Familie und Beruf zu vereinbaren. Während die Geisteswissenschafterin von zu Hause aus arbeiten kann, müssen Naturwissenschafterinnen am Arbeitsplatz präsent sein. Viele Frauen kehren deswegen laut Egger nach der Geburt eines Kindes nicht mehr Vollzeit in den Beruf zurück. Es fehle in Österreich - da sind sich Egger und Sauer einig - an genügend Kinderbetreuungsangeboten. Das hindert viele Frauen, trotz guter Ausbildung einen entsprechend guten Job anzunehmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung