Brüsseler Armutszeugnis

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Jahrelanges Tauziehen - und dann das: Was zur Pulverisierung des Transitvertrags gesagt werden kann, gilt unter anderen Vorzeichen auch für die Biopolitik der EU. Seit Herbst 2002 währte ein - durch Österreich erwirktes - Moratorium auf die Förderung der ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellforschung. Bis Ende 2003 wurde sie vom gemeinsamen Fördertopf weggesperrt. Spätestens dann sollte eine Kompromisslösung zur Verfügung stehen.

Falsch gedacht: Mittwoch vergangener Woche scheiterten die 15 EU-Forschungsminister beim Versuch, sich auf grundlegende Rahmenbedingungen zu einigen. Der restriktive, von Österreich unterstützte Vorschlag der italienischen EU-Präsidentschaft - nur solche Projekte sollten EU-Gelder erhalten, die mit Stammzellen arbeiten, die vor dem 3. Dezember 2003 aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden - ging der knappen Mehrheit von acht Ländern zu weit.

Damit ist eingetreten, was die zuständige österreichische Ministerin Elisabeth Gehrer als Super-GAU europäischer Biopolitik beschrieben hat: ein Zustand, in dem es keine Auflagen gibt. Von nun an hat EUForschungskommissar Philippe Busquin freie Hand: Schon bald will er dem wissenschaftlichen Ausschuss für das 6. EU-Rahmenprogramm konkrete Projekte für die Forschung an embryonalen Stammzellen vorlegen.

Auch wenn Österreichs Familien-Bischof Klaus Küng vergangenen Sonntag meinte, die Brüsseler Nicht-Lösung sei "kein Unglück", weil bei jedem einzelnen Projekt eine mühsame Diskussion nötig sei, so ist die Kompromissunfähigkeit der Biopolitiker doch ein Armutszeugnis für die gesamte EU. Angesichts unterschiedlicher Rechtsnormen und moralischer Grundsätze haben sich die Mitgliedsstaaten in der für sie offenbar erträglichsten Ecke verschanzt: im rechtsfreien Raum.

doris.helmberger@furche.at

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