BUCHEMPFEHLUNG Streitschrift gegen den "projektierten Tod"

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"Du bist wichtig, weil du eben DU bist, du bist wichtig bis zum letzten Augenblick deines Lebens, und wir werden alles tun, damit du nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben kannst", hat Cicely Saunders (1918-2005), die Begründerin der modernen Hospiz-und Palliativbewegung, geschrieben. Tatsächlich hat die Hospizidee bis heute viel erreicht. In Österreich etwa wurde 2004 ein abgestufter Hospiz-und Palliativplan beschlossen: Zwar ist der Bedarf an Palliativbetten bereits zu 89 Prozent gedeckt, jener an Tageshospizen jedoch erst zu 33 Prozent. Genau hier, an der zunehmenden Institutionalisierung, entzündet sich freilich auch Kritik. In ihrem neuen Buch "In Ruhe sterben. Was wir uns wünschen und was die moderne Medizin nicht leisten kann", sehen der deutsche Theologe und Soziologe Reimer Gronemeyer sowie der Wiener Palliative-Care-Experte Andreas Heller die Gefahr, dass die Hospizbewegung an ihrem eigenen Erfolg zugrunde gehen könnte. "Die Hospizbewegung hat sich unter dem von ihr empfundenen Professionalisierungsdruck das ganze Vokabular und die Vorgehensweise moderner Sozialtechnologien angeeignet", heißt es. Das Bedürfnis nach palliativer Versorgung auf höchstem Niveau werde zudem unbezahlbar werden und die Forderung nach der Begrenzung von Leistungen nach sich ziehen. Statt einer weiteren "Bürokratisierung des Sterbens" plädieren die Autoren für mehr (Gast-)Freundschaft gegenüber Sterbenden. Letztlich gehe es darum, das Sterben aus der "Versorgungsindustrie" wieder in die alten sozialen Kontexte zu holen - und eine "Sorgekultur in der Gemeinde" zu etablieren. (Die Zeitschrift "Praxis Palliative Care" widmet sich diesem Thema in ihrer Juni-Ausgabe.) Ein spannendes, zu Diskussionen reizendes Buch. (dh)

IN RUHE STERBEN Was wir uns wünschen und was die moderne Medizin nicht leisten kann. Von Reimer Gronemeyer und Andreas Heller. Pattloch 2014.304 S., geb., € 20,60

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