Budgetdebatte als Chance

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Nächste Woche hält Finanzminister Pröll im Nationalrat seine erste Budgetrede. Fünf Wochen später wird abgestimmt. Anhand des Zahlenwerkes wird erkennbar, welche Art von Politik die große Koalition verfolgt. Große Aufgaben gäbe es.

Sobald Finanzminister Josef Pröll nächste Woche vor dem Nationalrat seine Budgetrede beendet hat, werden nicht nur die Konturen seiner Politik klarer erscheinen, sondern es wird eine der wichtigsten politischen Debatten dieses Landes beginnen: Das Budget eines Staates ist nun einmal seine in Zahlen gegossene Politik. Diese Politik steht vor schwierigsten Problemen, die sie mit einer Fortsetzung ihrer bisherigen Arbeitsweise nicht nur nicht lösen, sondern sogar noch verschärfen wird. Es geht dabei um nicht weniger als um die längst fällige Abkehr von einer überwiegend berufsständisch orientierten Klientelpolitik hin zu einer an Themen und Problemstellungen ausgerichteten Arbeitsweise. Nicht dass sich der eine oder andere aus dem politischen Establishment nicht objektiver, sachlicher Problematik zugewandt hätte. Aber der innere Kompass, dem Politiker auf ihrer ständigen Suche nach Mehrheiten zu folgen pflegen, hat eben noch immer das berufsständische Wesen und die darauf aufbauenden Interessen- und Wählergruppen zum magnetischen Nordpol.

Wer ohne Lobby ist, wird vergessen

Bemerkenswerte Studien, allesamt dieser Tage erschienen, belegen einen tristen Befund aus den zu wenig wahrgenommenen Schichten und Zuständen unserer Gesellschaft: Es gibt Armut, und sie wird teils vererbt. Und es gibt einen krassen Mangel an Bildung. Der wird ebenfalls vererbt. Beides tritt gehäuft unter Migranten auf, also Zugewanderten, beziehungsweise ihren Kindern. Die Zuwanderer sind genau jene Menschen, die wir wegen des geringen Wachstums an Bevölkerung für die Wirtschaft und das Sozialsystem brauchen. Doch genau diese Personen erhalten zu wenige Chancen, in dieses System einzusteigen. Ganz im Gegenteil: Jetzt, wo es empirisch, amtlich, gar notorisch ist, wie sehr dieser Bevölkerungsgruppe aktive Hilfe des aufnehmenden Staates nottut, gibt es kaum öffentliche Akzeptanz dafür. In dem von einer ausländerfeindlichen rechten Propaganda angefachten politischen Gegenwind werden die Großkoalitionäre kaum ein Budget beschließen, dessen deklarierter Schwerpunkt die Förderung von Ausländern oder Zugezogenen ist. So falsch es auch sein mag, diese Unterlassung zu begehen.

Eine mutigere, von Fesseln befreite Politik fiele leichter, gäbe es Einsicht in die Ursachen für die Angstlähmung mancher Entscheidungsträger. Die blicken ja weniger auf die Problem-, sondern mehr auf die Wählergruppen. Das mag legitim sein, löst aber das genannte Problem erst aus. Weil nur jene Interessen vertreten werden, für die sich Interessenvertreter - nicht zuletzt in üppiger Zahl im Parlament - finden, bleiben die Interessen anderer ausgeblendet. Im Klartext: Alle Berufsgruppen, alle Besitzenden werden in ihren Anliegen berücksichtigt, doch wer keine Lobby hat, der wird vergessen. Das sind die Zuwanderer und ihre Kinder, die Armen und ihre Sprösslinge, das sind die im Wettbewerb Ausgeschiedenen, Übriggebliebenen.

Krise lockert die Redeverbote

Die Politik, so scheint es, hat diese Menschen zu wenig im Fokus. Die berufsständische Realverfassung unserer Gesellschaft fördert eine Politik, die weniger dem Gemeinwohl als mehr den organisierten Einzelinteressen dient. Das schadet aber dann doch wieder dem Gesamten, denn gerade für Bildung und Soziales wird in Österreich mehr als im Durchschnitt vergleichbarer Staaten ausgegeben. Aber offenbar nicht wirksam genug. Sonst gäbe es nicht die festgestellte Armut, die erhobenen Mängel an Bildung.

Die von der Finanz- auf die Realwirtschaft durchgeschlagene, inzwischen auch in Österreich angekommene Krise rüttelt zumindest einige Zeitgenossen wach, lockert etwas die Rede- und Denkverbote. Man wird hören, was die 183 Abgeordneten zum Nationalrat in ihren Beiträgen zur Budgetdebatte in den Ausschüssen und im Plenum aus ihrem Mandat machen. Ihr Beschluss ist in Zahlen gegossene Politik, die es möglich machen könnte, Mängel zu beseitigen und Chancen zu nutzen. Wenn man nur will.

* claus.reitan@furche.at

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