"Buntheit ist etwas Positives“

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Als Putzfrau Mitzi Berger regt sie das Kabarett-Publikum an, über das Leben nachzudenken. Und als Trainerin lässt sie Frauen ihre eigene Stärke spüren. Was immer Gabriele Weinberger tut - ihr geht es um die Vermittlung von Werten, Kraft und Lebensfreude.

Der Arbeitskittel ist blümchenübersät, ebenso die bunte Rüschenbluse darunter. Selbstsicher und etwas trotzig blickt Mitzi Berger drein, während sie sich mit ihren knallgelben Gummihandschuhen auf einen Putzkübel stützt. Und dann legt sie los: Sie räsoniert über das Vertraute und das Fremde, über den Sinn des Lebens, die Liebe und ihren Mann Karli. Ihr Generalthema lautet "Inklusion“. "Buntheit ist etwas Positives“, sagt die Salzburger Kabarettistin Gabriele Weinberger, die in ihrem neuen Programm "Mitzi Bauer sucht das Glück“ die Welt durch die Brille einer philosophischen Raumpflegerin betrachtet. "Mit dieser Buntheit im Alltag zurechtzukommen, ist Herausforderung und Bereicherung zugleich. Darüber will Mitzi Berger mit dem Publikum ins Gespräch kommen, ohne Klischees zu bedienen.“

Seit 15 Jahren schon steht Weinberger als Solokabarettistin auf der Bühne. Zahlreiche unterschiedliche Figuren hat sie in dieser Zeit kreiert - doch die quirlige Putzfrau hat alle anderen überlebt. "Sie war einfach die Kreativste von allen“, meint die Künstlerin schmunzelnd. Außerdem verfüge diese Mitzi über jene Eigenschaft, die sie an Frauen besonders schätze und bestmöglich zu fördern versuche: Stärke.

Die eigene Kraft erkennen

Dass es so wenige Heldinnengeschichten gibt und Frauen häufig als wehrlose Opfer dargestellt werden - das ärgert Gabriele Weinberger nicht nur als Kabarettistin und Schauspielerin, sondern auch als ausgebildete Sozialarbeiterin und Trainerin. In jenen Selbstbehauptungs-, Selbstbewusstseins- und Selbstverteidigungskursen, die sie für Frauen jeglichen Alters anbietet, trifft sie immer wieder auf Persönlichkeiten die sich ihrer Stärke gar nicht bewusst sind. "Frauen schleppen über Jahrzehnte schwere Einkäufe nach Hause, sie tragen ihre Babys und Kleinkinder: Die Kraft dazu ist also da!“, sagt sie. Sobald die Frauen ihre eigenen Fähigkeiten und Grenzen wahrnehmen könnten, verändere sich auch ihr Selbstbild.

Ihre bisher älteste Teilnehmerin sei 85 Jahre alt gewesen - und habe nach dem Workshop keine Angst mehr gehabt, am Abend nach einem Theater- oder Kinobesuch an der Bushaltestelle zu warten. Ein andermal sei ein erst zehnjähriges Mädchen zu ihr gekommen, das von schulischem Mobbing berichtet habe. "Im Laufe des Trainings verändern sich Stimme und Haltung der Teilnehmerinnen“, erklärt Weinberger, "viele sagen zu mir:, Ich habe geglaubt, dass ich gar nichts richtig kann, aber nun traue ich mir alles zu!“ Ein Holzbrett zu zerschlagen wird hier zur leichten Abschlussübung.

Die 49-Jährige arbeitet gern mit jungen Menschen. Begeistert erzählt sie von der nachhaltigen Wirkung eines Theaterprojekts, das sie jüngst gemeinsam mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund erarbeitet hat. Die meisten hatten das gleiche Ziel: die Matura schaffen und dann studieren. Eine wollte Ärztin werden, um in ihrer ehemaligen Heimat Menschen zu helfen; ein anderer wollte sich als Rechtsanwalt für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Sehnsüchte, die Gabriele Weinberger gut verstehen kann: "Als ich fünfzehn war, sind meine Eltern knapp nacheinander verstorben“, erinnert sie sich. "Meine drei jüngeren Geschwister und ich sind allein dagestanden. Das sind Momente, in denen man glaubt, man stirbt.“

Gerettet habe sie damals, dass sie in ihrem Geburtsort Schwanenstadt in der Friedens- und Umweltbewegung aktiv gewesen sei und sehr gern gelernt habe. "Mein Blick hat sich dadurch geweitet: Es gab eine Gruppe, in der ich mich sehr wohlgefühlt habe, und es gab Visionen.“ In dieser Zeit nahm auch Weinbergers Theaterkarriere ihren Anfang: Weil die Schwanenstädter Aktivistinnengruppe mit ihren Podiumsdiskussionen "außer ein paar sehr netten Müttern“ kein weiteres Publikum erreichte, entwickelte die Laientruppe ein Theaterstück. Und prompt war der Pfarrsaal voll!

Aktiv werden, zur Praxis schreiten: Das war es, was sie von ihren unternehmerisch denkenden Eltern gelernt hatte - und was sie beim theorielastigen Psychologie-Studium in Wien vermisste. So wurde Salzburg ihre weitere Lebensstation, wo sie im Sozialbereich tätig wurde und in einer Notschlafstelle, in der Delogierungsprävention und in der Jugendbetreuung arbeitete. Durch einen Schauspielerkollegen erfuhr sie schließlich von der Möglichkeit, berufsbegleitend die Ausbildung zur diplomierten Sozialarbeiterin zu absolvieren. "Diese Jahre möchte ich nie missen“, erinnert sich Weinberger.

Seit 2001 wechselt sie nun als selbstständige Trainerin und Künstlerin zwischen Selbstbewusstseins-Workshops und Bühne - und erfreut sich abends an den farbenprächtigen Orchideen in ihrer Wohnung. "Diese Blumen blühen, vergehen und blühen wieder. Sie symbolisieren meine Arbeits- und Lebensphilosophie: Der Weg führt immer ins Positive.“ Auch ihrem 50. Geburtstag am 27. Oktober blickt sie zuversichtlich entgegen. Zwei Tage zuvor hat ihr neues Kabarettprogramm im "Kleinen Theater Schallmoos“ in Salzburg Premiere. Ob sie ihren Jubeltag mit ihrem Alter Ego, Mitzi Berger, feiern wird? "Nun ja“, antwortet die Schauspielerin lächelnd, "man muss es mit der Verbundenheit auch nicht übertreiben.“

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