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Die Frauen auf den Inseln vor der Westküste Afrikas haben gelernt, vom Leben nicht zu viel zu wollen

Mit jedem Schritt wirbeln sie auf der unbefestigten Straße kleine Sandwölkchen hoch. Zwei aufrechte Gestalten, jede mit einem absurd großen Gefäß auf dem Kopf. Bei der einen ist es ein weißer Kanister, der wohl 25 Liter fasst, bei der anderen, die nicht älter als zwölf Jahre sein kann, und ihre Tochter sein dürfte, ein roter Plastikkübel. Das Mädchen winkt uns zu. Hinter der Wegbiegung steht das Wasserhaus, eine Steinhütte mit abblätterndem weißen Verputz, umlagert von Frauen und Mädchen, die noch darauf warten, dass ihre Gefäße gefüllt werden.

Nur die wenigsten Menschen auf Cabo Verde kennen den Luxus einer privaten Wasserleitung. Wasser ist hier generell Mangelware. Oft regnet es an den Ausläufern der Sahelzone pro Jahr nur zwei oder drei Mal, begünstigt ist, wer entlang der wenigen Ribeiras, der fast immer ausgetrockneten Flusstäler, wohnt. Denn hier gibt es etwas Grundwasser.

Der Ort, zu dem das Wasserhaus in der gelb-braunen Hügellandschaft gehört, heißt "Pensamento" - übersetzt: Gedanke. Nicht schlechter, noch guter Gedanke, auch nicht Hoffnung. Einfach Gedanke.

Sehen, was sich tut ...

Man hat gelernt, nicht zu viel zu wollen. Zu warten und zu sehen, ob sich etwas tut. Manche haben es - zumindest für westliche Vorstellungen - zu gut gelernt. Auch Konkurrenz und Wettbewerb sind weitgehend unbekannt. Nicht übergroßes Angebot, sondern Mangel ist das Problem. Viele Männer gehen weg, ein Teil von ihnen schickt Geld, von einem anderen Teil verliert sich jede Spur. Frauen und Kinder bleiben häufig zurück.

Frauen sind es, die sich nicht nur um das Haus, sondern auch um Wasser und das kümmern, was sich anbauen, vielleicht sogar auf Märkten verkaufen lässt. Fischfrauen gehen von Haus zu Haus und bieten ihre Ware an. Kleinere Fische tragen sie in einem Plastikschaff auf dem Kopf, bei ganzen Thunfischen reichen ihnen bisweilen ein paar bunte Stoffstücke zwischen Kopf und Fisch.

Es sind die Frauen, die sich um die Grundbedürfnisse kümmern, und da deren Erfüllung auf Cabo Verde noch keine Selbstverständlichkeit ist, verleiht ihnen das eine starke Position. Sie sind - auch von den Männern unbestritten - zumindest auf dem Land die Chefinnen der Familie.

"Wenn du auf Cabo Verde etwas verbessern willst, mach es mit den Frauen", sagt Suzi, eine Mitarbeiterin des Kooperationsbüros für Entwicklungszusammenarbeit. Seit nun 20 Jahren versucht Österreich - gemeinsam mit anderen Staaten und internationalen Organisationen - diesem Land bei der "Entwicklung" zu helfen. Dass gut gemeint nicht immer gut ist, hat sich auch hier als richtig erwiesen. Jetzt setzen Karla Krieger und ihr - durchwegs caboverdisches - Team auf Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn es um Projekte zur Wasserversorgung, um Kurse für Landwirtschaft oder Fischerei geht - immer kommen die Frauen.

Fatima Alues von der überparteilichen Frauenorganisation Morabi weiß, dass es noch viel zu tun gibt. Da sind die öffentlichen Ämter, die nach wie vor von Männern dominiert werden. Da sind die fehlenden Arbeitsplätze. Während Männer auf Gelegenheitsarbeiten bei den staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammen hoffen, haben Frauen immer Arbeit - nur dass sie oft nicht bezahlt wird. Um ihnen mit dem nötigen Geld auch eigenständiges Überleben zu sichern, werden auch mit österreichischer Hilfe "Micro-Empresarias", Kleinstunternehmerinnen, ausgebildet. An sie gehen auch Micro-Kredite. In afrikanischen Staaten hätten Männer ihren Frauen das Geld weggenommen, werfe ich ein. Lucia dos Passos von Morabi schüttelt den Kopf. Hier würden sich Frauen das Geld nicht nehmen lassen, dafür seien sie zu stark.

Am Abend in der Hauptstadt Praia, "Quintal da Musica": Batucas haben sich angesagt. Die Frauen aus Santa Cruz bilden auf der Bühne des Innenhofs Vierer- oder Fünfergruppen und legen die großen Trommeln in die Mitte auf ihre Schenkel. Mit lauter, klarer Stimme beginnt der Vorsänger, die Frauen trommeln und fallen dann in den Gesang ein. Zwei von ihnen tanzen zu dem immer schneller werdenden Rhythmus. Das Becken bewegt sich vor und zurück, zuerst langsam, dann immer schneller, ruckartig. Um die Hüften haben sie ein traditionell gewebtes Tuch geschlungen, das sich löst, wieder fest gebunden werden muss. Immer schneller wird ihr Tanz, immer wilder kreist ihr Becken, immer lauter werden die Trommeln, immer schriller wird der Gesang. Kein Wunder, dass die Missionare ihnen das verboten hatten, denke ich. Soweit man da noch denken kann.

Nach mehr als einer Stunde verlassen sie erschöpft die Bühne. Jetzt gibt es etwas zu essen. Nun kommen mir die Frauen mit ihren weißen Kopftüchern, die lachen und auf einander in Kreolu einreden, nicht viel anders vor als Bäuerinnen aus unseren Breiten, die auf Ausflug sind. Sie sind sichtlich zufrieden mit ihrem Auftritt und haben wohl auch nichts dagegen, wieder einmal in der Hauptstadt zu sein. Einige der Zuhörerinnen sind elegant gekleidet, ihr dunkles Haar ist sorgfältig geglättet. Es gibt auch auf Cabo Verde eine kleine Oberschicht. Sicher werden diese Frauen beneidet. Bei ihnen bringt der Mann das Geld ins Haus, sie haben fließendes Wasser und Badezimmer. "Aber sie müssen so sein, wie der Mann sie will", sagt eine der Sängerinnen - und lacht.

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