Caspar Einem auf Christian Brodas Spuren

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Für den Einsatz der Justizpolitik als "Instrument der Gesellschaftspolitik" plädiert Caspar Einem, der in seinem neuen Buch auf den Spuren des früheren Justizministers Christian Broda wandelt (siehe dazu auch Dossier Seite 13-15).

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Für den Einsatz der Justizpolitik als "Instrument der Gesellschaftspolitik" plädiert Caspar Einem, der in seinem neuen Buch auf den Spuren des früheren Justizministers Christian Broda wandelt (siehe dazu auch Dossier Seite 13-15).

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Das Werk des Verkehrs- und Wissenschaftsministers trägt den programmatischen Titel: "Ein neuer Staat befreiter Bürger - Politik für eine veränderte Gesellschaft" (Molden Verlag 1999). Darin entwickelt er eine Art Konzept für eine sozialdemokratische, besser: sozialistische "Bürgergesellschaft", die eine Stärkung der sozial Schwachen im Lande zur Voraussetzung habe.

Jetzt gehe es "darum, daß sich die Bürgerinnen und Bürger, daß sich das Volk in seiner neuen Vielgestaltigkeit und Differenzierung die Gestaltung der Regeln des Zusammenlebens endlich selbst aneignet und zwar auch und nicht zuletzt im Interesse der Schwächeren und Benachteiligten - heute der älteren ArbeitnehmerInnen, der Frauen, der schlechter Ausgebildeten, der Ausländer - in der Gesellschaft." "Dezentralisierung von Teilhaberechten in Bereichen, in denen das bisher nicht geschehen ist", bedeute keineswegs "eine Auflösung der Staatsfunktion, die insbesondere im Interesse der schwächeren Mitglieder der Gesellschaft auch weiterhin unverzichtbar" bleibe. Denn der Staat sei "das einzige politische Instrument, das, bei demokratischer Gestaltung, einen Ausgleich zugunsten der Schwächeren herzustellen vermag": "Diese unverzichtbare Staatsfunktion gilt es zu stärken!"

Den "BürgerInnen" müsse "ein verändertes und verbessertes Instrumentarium an die Hand gegeben werden, mit dem sie sich selbst durchzusetzen vermögen". Einem dazu: "Das ist Aufgabe politischer Parteien, die an der Seite und zugunsten der Schwächeren Politik machen und machen wollen. Das ist in meinen Augen Aufgabe der Sozialdemokratie." Es gehe "um mehr Rechte in der Hand der einzelnen", aber auch "um Berücksichtigung der Tatsache von Ungleichheit". Ansonsten werde "der Abstand zwischen den Leistungsfähigsten und denen, die ein Handicap zu tragen haben, immer größer".

Fiktion von Gleichheit In dem Zusammenhang bringt Einem das Privatrecht ins Spiel, das in seiner bestehenden Form lediglich auf einer "Fiktion von Gleichheit der Beteiligten an der rechtlichen Auseinandersetzung" aufbaue. Als "allgemeines Bürgerrecht" sei es "deshalb nie wirklich gut geeignet gewesen, weil es den Gesichtspunkt der tatsächlichen Ungleichheit nicht angemessen berücksichtigt". Wörtlich schreibt der Minister: "Diese Schwäche ist allerdings keine notwendige, sondern folgt Interessen. In der Ausgestaltung etwa des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) sind es eindeutig Klasseninteressen. Privatrecht ist jedoch ein Instrument, das für Bürgerselbstgestaltung geeignet erscheint, wenn der Gesichtspunkt der Ungleichheit in der Ausgestaltung dieses Instrumentes Eingang findet. Und das ist möglich. Hier braucht es ein neues rechtspolitisches Konzept, Justizpolitik als Instrument der Gesellschaftspolitik für mehr Chancengleichheit und Gerechtigkeit."

Was da gemeint sein könnte? Einem ist um präzise Auskünfte nicht verlegen: "Bestehen - um ein Beispiel zu nehmen - für die Abwicklung bestimmter Rechtsgeschäfte Regeln, die dem Schutz des Schwächeren dienen sollen, so soll der Schwächere dann, wenn diese Regeln vom Stärkeren nicht eingehalten werden, seine Leistung nicht erbringen müssen, also etwa die Leistung gratis bekommen. Halten sich Immobilienmakler, Rechtsanwälte und andere nicht an ihr Standesrecht, soweit es zugunsten ihrer Kunden bzw. Klienten geschaffen wurde, so sollen sie auch kein Honorar bekommen. Oder hält etwa das gekaufte Produkt nicht, was die Werbung versprochen hat oder was man sich von einem solchen Produkt erwarten durfte, dann soll es der Konsument, wenn er will, dennoch behalten dürfen, ohne es bezahlen zu müssen."

Beweislastumkehr Mitunter werde es auch "nötig sein, die Beweislastregeln zu ändern": "Während es nicht vertretbar erscheint, dem Staat als Verfolger von Rechtsbrüchen der BürgerInnen, aber auch etwa der UnternehmerInnen, besondere Begünstigungen in der Beweisführung einzuräumen, ist Beweiserleichterung bzw. Beweislastumkehr ein anerkanntes Instrument, wenn es um die Stärkung der Position des typischerweise Schwächeren, zum Beispiel des Konsumenten, des Arbeitnehmers, des Geschädigten aus Umwelthaftungsansprüchen geht."

Auch hier folgt prompt "ein Beispiel": "Werden im Umkreis einer Fabriksanlage Kinder häufiger krank als anderswo, so sollen die Eltern nicht beweisen müssen, daß es diese Fabrik mit ihren Emissionen war, die die Krankheit der Kinder verursacht hat, sondern es soll reichen, daß sie beweisen, daß die Kinder in der Umgebung der Fabrik signifikant häufiger krank werden, als andere, um Ansprüche geltend machen zu können. Der Gegenbeweis ist vom Betreiber der Fabrik zu erbringen oder er ist schadenersatz-pflichtig ..."

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