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Die Wechselwirkungen zwischen den Gefühlen und dem Körper sind noch lange nicht erforscht. Ein Einblick in den Mikrokosmos der Emotionen.

Zarte Blüten in Pastellfarben, frischer Duft nach Gras, Vogelgezwitscher in Gärten und Parks - die heurige, besonders lange Wintersaison weckt die Sehnsucht nach Frühlingsboten. Nach dem Stimmungstief in der grauen Jahreszeit sind nun Aufbruch und Freude angesagt. Und die Euphorie stellt sich tatsächlich ein - unter dem Einfluss von Licht und Wärme. Doch was passiert im Gehirn, wenn sich die Launen wandeln? Und wie schlagen sich veränderte Stimmungen und Gefühle im Körper nieder?

Für Gernot Sonneck, Vorstand des Instituts für Medizinische Psychologie an der Universität Wien, ist das Zustandekommen von Stimmungen und Gefühlen ein unendliches, kaum zu ergründendes Thema. Fest steht: Von den 100 Milliarden Nervenzellen, die sich im Gehirn aneinander drängen, spielen jene des limbischen Systems eine tragende Rolle für das Entstehen von Gefühlen, wobei man die kurzzeitig auftretenden Emotionen, die Affekte, von den längerfristigen, den Stimmungen oder Befindlichkeiten, unterscheidet. Das limbische System liegt an der Basis des Großhirns - Gefühle wie Angst, Wut oder Freude gehen von ihm aus. Viele Drogen und Psychopharmaka entfalten ihre Wirkung im limbischen System, eine Störung in diesem Bereich führt zu Aggressivitätshandlungen und Panikattacken.

Emotionale Behinderung

Der präfrontale Cortex hingegen - an der Stirnseite der Großhirnrinde gelegen - verarbeitet sensorische Signale und versetzt den Menschen in seine gegenwärtige Gefühlssituation. Wie sich eine Schädigung in diesem Bereich auswirken kann, zeigt exemplarisch der Fall des us-amerikanischen Eisenbahnarbeiters Phineas Gage aus dem Jahr 1848: Bei einer Spreng-Unfall verlor er genau diesen Teil des Gehirns. Eine Metallstange durchschlug seinen Kieferknochen und trat am Hinterkopf wieder aus. Wie durch ein Wunder überlebte Gage die schwere Verletzung und blieb unbehindert - beinahe. Gage, von seinen Bekannten vor dem Unfall als angenehmer, gewissenhafter Mitmensch bezeichnet, hatte zwar weder physische noch intellektuelle Fähigkeiten eingebüßt, aber seine Emotionen verloren. Er war gefühlskalt und unstet geworden. Frauen riet man, ihn wegen seiner unflätigen Sprache zu meiden.

Wie ist es aber umgekehrt möglich, dass Gefühle körperliche Funktionen verändern - sich also die Psyche im Körper (Soma) niederschlägt? Wie kommt es, dass das Herz vor Freude einen Satz macht, man einen "nervösen Magen" bekommt oder der Angstschweiß aus den Poren tritt? Die Antwort klingt banal: Der für die Steuerung der vegetativen Vorgänge zuständige Hypothalamus im Zwischenhirn ist der untere Nachbar des limbischen Systems. Die engen anatomischen Verhältnisse sind also schuld daran, dass Gefühle sich über Sympathikus und Parasympathikus auf die Hormonlage, das Schmerzempfinden und das Immunsystem auswirken.

Wenn ein Mensch Freude empfindet, steigert sich nicht nur seine Herzfrequenz, auch die Pupillen erweitern sich, die Aktivität mimischer Muskeln nimmt zu, die Atmung wird beschleunigt und Endorphine werden ausgeschüttet. Diese körpereigenen Opiate rufen gleichsam als körpereigene Drogen Glücksgefühle hervor, womit Prozesse, die auf molekularer Ebene stattfinden, auf die Psyche zurückwirken.

Boten guter Laune

Botenstoffe oder Transmitter, wie diese zu den Hormonen zählenden Substanzen genannt werden, sind von entscheidender Bedeutung für die Befindlichkeit. Sie haben die Funktion von chemischen Brückenbauern, die im dreidimensionalen, haarfein verzweigten Netz der Nervenzellen Verbindungen herstellen. Wie das Fräulein vom Amt einst die richtigen Kabelenden einstöpselte, schließt ein Botenstoff die Synapsen, die Lücken zwischen den Neuronen. Immer dann - und nur dann -, wenn ein elektrischer Impuls von einer Nervenzelle zur anderen übertragen werden soll.

Zwei der Transmitter, Serotonin und Noradrenalin, sind für Gefühle und Stimmungen besonders wichtig. Bei Depressionen ist die Freisetzung dieser beiden Stoffe im limbischen System gestört. Genau in dieses stoffliche Ungleichgewicht greifen moderne Antidepressiva ein: Die ssri (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) verlängern gezielt die Verweildauer des Serotonins in den Synapsen, indem sie das Rückdiffundieren in die ausschüttende Zelle verhindern. Sie sind damit den herkömmlichen Antidepressiva überlegen, die zwar nach demselben Prinzip wirken, jedoch unspezifisch auf verschiedene Transmitter. Zudem rufen die ssri wesentlich weniger Nebenwirkungen hervor.

Gottlob ist nicht jedes Tief eine Depression. Wem etwa trübes Wetter vorübergehend aufs Gemüt drückt, der kann mit "Mood Food" seine Stimmung zu heben versuchen. Nahrung für die Seele - der Schokoriegel als Trostspender. Das funktioniert. Denn Kakaobohnen enthalten die essenzielle Aminosäure Tryptophan - die Vorstufe von Serotonin. Auch dem Capsaicin, das der Paprikafrucht seine Schärfe verleiht, wird eine stimmungsaufhellende Wirkung nachgesagt. Es steigert die Produktion von Glückshormonen im Gehirn. Und die in Fisch enthaltenen Omega-3-Fettsäuren senken nicht nur den Cholesterinspiegel, sondern kurbeln ebenfalls die Serotonin-Ausschüttung an.

Frustrierendes Fernsehen

Freilich können, abgesehen vom Wetter, viele andere exogene Faktoren auf die Stimmung schlagen. Fernsehnachrichten zum Beispiel lösen beim Zuschauer - nicht nur erfahrungsgemäß, sondern nachgewiesenermaßen - Niedergeschlagenheit, Irritation, Wut und Angst aus. Das hat jüngst der britische Stressforscher Attila Szabo im Rahmen einer Untersuchung an 170 Studenten der Universität Nottingham bewiesen. "Die Mehrheit der Nachrichten in der westlichen Welt ist negativ", sagt Szabo. Während der Zeitungsleser aber - im psychohygienischen Sinn - besonders deprimierende Berichte überschlagen könne, sehe der Fernsehzuschauer sich meist alles bis zu Ende an. Die lakonische Empfehlung des Wissenschafters: Wer gerade eine schwere Zeit in seinem Leben durchmache, sollte auf die Fernsehnachrichten besser verzichten.

Längst hat die Stimmungsforschung auch in das weite Feld der Wirtschaft Einzug gehalten. Hier betrachtet man Stimmungen als Informationsquellen, die man gezielt nützt. Wir kaufen nicht das Produkt, sondern die Stimmung, in die uns die Werbung für die betreffende Marke versetzt. Das gilt fürs Auto ebenso wie für die Zahnpasta (siehe auch Seite 24).

Wissenslücke im Gehirn

Zum Glück ist eine vollständige Manipulation aber unmöglich, denn die Forschung hat ihre Grenzen. Zwar weiß man über das Wie der Informationsverarbeitung im Nervensystem weitgehend Bescheid, die Frage nach dem Warum von Gefühlen und Stimmungen ist jedoch ungeklärt. Alfred Gierer, emeritierter Biophysiker des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen, drückt es so aus: "Der Code für die Umsetzung zwischen messbaren Zuständen im Gehirn und dem subjektiven Erleben bleibt ein Geheimnis."

BUCHTIPP:

GEFÜHLE.

Wie die Wissenschaften sie erklären. Von Martin Hartmann. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005. 184 Seiten, brosch., e 13,30.

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