"Da hätte es klingeln müssen"

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Vertrauen ist gut, Kontrolle wäre besser. Der Generaldirektor der S Versicherung, Michael Harrer, über den Fall Riegerbank.

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Vertrauen ist gut, Kontrolle wäre besser. Der Generaldirektor der S Versicherung, Michael Harrer, über den Fall Riegerbank.

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dieFurche: Ein Bankdirektor verschwindet und hinterläßt ein konkursreifes Unternehmen. Wirtschaftsprüfer bemerken nichts von Bilanzfälschungen ... Muß man sich angesichts der Affäre Riegerbank in Zukunft fragen, ob man Banken noch vertrauen kann?

Generaldirektor Michael Harrer: Man darf in dieser ganzen Sache die Größenordnung nicht vergessen. Im Falle der Riegerbank handelt es sich um ein kleines Institut, es sind nur wenige Personen betroffen. Das Institut hat keine Spareinlagen entgegengenommen, sondern nur Anleihen über die Diskontbank begeben.

dieFurche: Es geht ja nicht nur darum, ob sehr viele oder - quantitativ gesehen - nur wenige Anleger geschädigt wurden. Es geht um etwas ganz Wesentliches in der Marktwirtschaft, nämlich um das Prinzip Vertrauen.

Harrer: Das stimmt. Andererseits ist es nicht ungefährlich, bei einer Bank Geld anzulegen, die keinen bekannten Namen hat und wo man die Gesellschafter und die Aktionäre nicht kennt. Da sollte man halt vorsichtiger sein.

dieFurche: Ex-Finanzminister Hannes Androsch saß im Aufsichtsrat. Manche Anleger haben in Interviews gemeint, der Name habe in ihren Augen für Qualität gebürgt.

Harrer: Das sollte man meinen. Aber Herr Androsch hat ja sein Mandat schon im Frühjahr zurückgelegt. Da hätte es doch bei einigen klingeln müssen.

dieFurche: Offensichtlich hat es weder bei den Anlegern noch bei den Aufsichtsbehörden geklingelt.

Harrer: Gefälschte Unterlagen, gefälschte Bilanzen - davor ist niemand gefeit. Die Aufsichtsbehörde hat offensichtlich genügend Anzeigen gegen die Riegerbank gemacht, die gerichtlichen Verfahren sind im Laufen. Aber wie gesagt - auch die sachkundigsten Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Aufsichtsbehörden können vorsätzlichen Betrug nicht ohne weiteres erkennen. Bis so etwas erkannt werden kann, dauert es eine ganze Weile.

dieFurche: Wenn schon bekannte Namen kein Vertrauen schaffen können, wie kann man sich als Anleger absichern?

Harrer: Man sollte sich zunächst einmal informieren, wer hinter einer Bank steht. Und - man sollte vielleicht auch nicht so geldgierig sein. Vorsicht ist immer wichtig, wenn hohe Renditen versprochen werden. Denn es können auch hohe Verluste entstehen.

dieFurche: Liegt das nur an der Arglosigkeit der Anleger?

Harrer: Das liegt hauptsächlich daran, daß es noch immer viel zuwenig Aufklärung in der Öffentlichkeit gibt. Das beginnt bei den Schulen, setzt sich fort an den Universitäten. Es wird zuwenig über wirtschaftliche Zusammenhänge informiert.

Außerden muß man die Versicherungs- und Bankenmitarbeiter darauf aufmerksam machen, daß sie ihre Kunden auch auf die Risken, die in den Veranlagungen stecken können, aufmerksam machen. In einem Sparbuch steckt kein Risiko, aber in einer Aktie schon. Und es ist sehr schlecht, wenn die Bankberater die Risken den Kunden aus Scheu oder sonstigen Gründen verschweigen. Deshalb gibt es bei den Banken ja auch diese Beraterunterlagen, wo jeder Mitarbeiter verpflichtet ist, auf solche Risken aufmerksam zu machen.

dieFurche: Ein wirklich gutes Beratungsgespräch hat aber Seltenheitswert in österreichischen Instituten.

Harrer: Ich glaube schon, daß von der Ausbildung her die Mitarbeiter inzwischen bereit sind, ein solches Beratungsgespräch zu führen.Es ist halt immer nur die Frage, ob die Kunden wirklich etwas wissen wollen. Viele wollen einfach nur etwas haben, wollen aber keine Zeit opfern, um sich genau zu informieren.

Ein gutes Gespräch hängt also von beiden Seiten ab. Die Mehrzahl der Mitarbeiter ist sicherlich gut geschult. Aber viele Kunden schieben die Informationen einfach weg.

dieFurche: Mutet man uns nicht ohnehin schon sehr viel Übersicht und Kalkulationsfähigkeit zu? Wir sollen für unsere Pensionen vorsorgen, Finanzpolster für unsichere berufliche Zeiten anlegen etc, etc. (siehe Seite 14).

Harrer: Ich glaube, man muß wohl beiden etwas mehr Selbstverantwortung zumuten als bisher. Sowohl den Beratern als auch den Kunden, die sich nicht nur etwas erzählen lassen sollten. Überleg etwas! Versuche Dir selbst ein Bild zu machen - soweit man das als Kunde überhaupt machen kann. Das wäre wichtig. Gerade jüngere Menschen müssen sich mehr als bisher überlegen, was Sie tun. Verantwortung läßt sich nicht mehr auf andere abwälzen.

dieFurche: Via Werbung werden wir ständig aufgefordert, für unsere Zukunft finanziell vorzusorgen. Welche Entwicklungen sind denn nach menschlichem Ermessen überhaupt realistisch?

Harrer: Man muß aufgrund der demografischen Vorausschau sicherlich damit rechnen, daß die Pensionen nicht mehr in dem Ausmaß steigen können wie bisher, sondern gleichgehalten oder gekürzt werden müssen. Will man die vollen Leistungen der Pensionsversicherung aufrechterhalten, so müßte man eine Erhöhung auf 40 Prozent des Gehaltes akzeptieren. Das wird niemand tun.

dieFurche: Hat der Sparwille schon deutlich zugenommen?

Harrer: Ja. Wenn Sie vor zehn Jahren einem jungen Menschen gesagt haben, daß er für die Pension vorsorgen muß, dann wurden sie ausgelacht. Durch die Berichterstattung in den Medien hat sich hier einiges geändert. 60 Prozent der abgeschlossenen Verträge betreffen bereits diese Altersschicht. Nicht alle können sich das leisten, aber doch ein großer Teil.

dieFurche: Droht auch der große Finanzcrash, wie manche meinen?

Harrer: Ein Crash ist nicht voraussehbar. Aber wenn er eintritt, dann geht alles zugrunde, von den Aktien angefangen bis zu den Lebensversicherungen. Aber ich glaube nicht, daß das je passieren wird.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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