Philosophicum_neuhäuser - <strong>Reichtumskritik</strong><br />
Aus demokratischer Sicht lässt sich eine ethisch-moralische Reichtumskritik formulieren: Es bedarf einer Entmächtigung der Reichen, um republikanische Gleichheit wieder herzustellen, argumentiert Christian Neuhäuser. (Bild: Dagobert Duck, die „reichste Ente der Welt“) - © picturedesk.com / Everett Collection

Dagoberts Schattenseiten

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Die Machtkonzentration von Superreichen unterminiert die Voraussetzungen einer stabilen sozialliberalen Demokratie, meint Christian Neuhäuser. Deshalb solle übermäßiger Reichtum verboten werden.

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Die Machtkonzentration von Superreichen unterminiert die Voraussetzungen einer stabilen sozialliberalen Demokratie, meint Christian Neuhäuser. Deshalb solle übermäßiger Reichtum verboten werden.

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Kann man zu reich sein? Viele Menschen würden das verneinen. Ihnen scheint es mit Reichtum so zu sein wie mit Gesundheit oder Ehre: Davon kann man einfach nicht genug haben. Doch seit den Anfängen der Philosophie haben viele Denker immer wieder dieser angeblichen Selbstverständlichkeit widersprochen. Dabei sind zwei Argumente von zentraler Bedeutung. Erstens kann Reichtum für die reichen Menschen selbst schädlich sein. Ihr Streben nach immer mehr Geld lenkt sie dann davon ab, was wirklich wichtig ist im Leben. Statt sich um ihre Freunde, ihre Familie, um Bildung und andere ­intrinsische Werte zu kümmern, gieren sie einfach nur nach Reichtum. Sie verfehlen das gute Leben.

Zweitens kann Reichtum schädlich sein für andere Menschen. Der Reichtum einiger Menschen und ihr Streben nach Reichtum und immer mehr Geld schädigt dann andere Menschen. Das ist fraglos eine sehr kontroverse, aber gesellschaftspolitisch ebenso wichtige These. Ich möchte sie mit drei Argumenten verteidigen. Relativer Reichtum, der auf die relative Armut anderer angewiesen ist, unterwandert soziale, wirtschaftliche und politische Gleichheit. Er steht im Widerspruch zum republikanischen Selbstverständnis des modernen Menschen und höhlt die Voraussetzungen einer stabilen sozialliberalen Demokratie auf dreifache Weise aus.

Penthäuser statt Familienwohnungen

Was sind diese drei Probleme des Reichtums? Erstens geht Reichtum mit großer sozialer Macht einher. Reiche Menschen bestimmen als Gruppe, was es heißt, ein gutes Leben zu führen und soziale Anerkennung verdient zu haben. Das drückt sich darin aus, wie sie wohnen, wie sie sich kleiden, wo sie Urlaub machen und was sie essen. Ihr Reichtum muss natürlich nicht so plakativ zur Schau gestellt werden, wie es Neureiche mit ihren Sportwagen und edlen Handtaschen tun. Aber auch bei der richtigen Mischung aus vornehmer Zurückhaltung und selbstverständlicher Wahl hochwertiger Waren geht es immer nur um Distinktion. Diese Deutungshoheit über den richtigen Stil und erlesenen Konsum im öffentlichen Raum ist nicht unschuldig.

Denn damit gehen auch Urteile darüber einher, was es braucht, um als gleichwertiges Gesellschaftsmitglied anerkannt zu werden. Reiche Menschen bestimmen so, was es braucht, um dazu zu gehören. Damit üben sie eine erhebliche soziale Macht aus, die letztlich die gleiche Würde aller Menschen untergräbt. Denn nicht nur bestimmen sie, wer über eine angemessen soziale Würde verfügt, um als gleichwertiges Gesellschaftsmitglied geachtet zu werden. Sie bestimmen auch, was es für diese soziale Würde überhaupt braucht. Das ist eine undemokratische Form der Beherrschung.

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