"Damit ist den Frauen nichts Gutes getan"

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Behindertenanwalt Herbert Haupt über das von ihm ersehnte "Sterbeglöckchen" für die embryopathische Indikation.

Die Furche: Herr Haupt, haben Sie das Gefühl, in Ihrer neuen Position als Behindertenanwalt mehr für behinderte Menschen erreichen zu können als in Ihrer Funktion als Sozialminister?

Herbert Haupt: Ich habe jetzt jedenfalls die Chance, ohne den Zwang des Einstimmigkeitsprinzips einer Bundesregierung Missstände oder Diskriminierungen klar zu formulieren. Insofern ist es eine neue Tätigkeit in einem gewohnten Bereich.

Die Furche: Einer dieser Missstände ist nach Meinung vieler der bis zur Geburt straffreie Schwangerschaftsabbruch im Fall behinderter Kinder. Eine ministerielle Arbeitsgruppe hat Ihnen 2002 ein Papier mit Empfehlungen vorgelegt, das aber in der Schublade verschwunden ist ...

Haupt: Als ich diese Arbeitsgruppe eingerichtet habe, war ich gleichzeitig Gesundheits-, Frauen-und Sozialminister, daher haben mich diese Fragen betroffen. Durch den vorgezogenen Wahlkampf 2002 und die folgende Regierungsumbildung ist das Thema aber wieder eine Querschnittsmaterie geworden, woran die Fortführung gescheitert ist. Ich hoffe aber, dass irgendwann das Sterbeglöckchen für die embryopathische Indikation läutet, weil damit weder den Frauen noch der Gesellschaft etwas Gutes getan wird.

Die Furche: Manche Experten behaupten, die embryopathische Indikation sei verfassungswidrig, nachdem laut Paragraph 7 der Bundesverfassung niemand "wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" darf ...

Haupt: Artikel 7 zielt eindeutig auf bereits geborene Personen ab, aber es wäre erfreulich, wenn es zu einer Ausweitung auf werdendes Leben kommen würde. Derzeit ist im Justizministerium auch eine Arbeitsgruppe dabei, das schwierige Thema Sachwalterschaft, bei der Menschen mit geistiger Behinderung oft entmündigt werden, neu zu ordnen. Wenn das geklärt ist, sollte man sich auch für das werdende Leben neue Regelungen einfallen lassen.

Die Furche: Seit 1. Jänner ist das neue Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Sind Sie zufrieden?

Haupt: Ich bin einmal zufrieden, dass das Gesetz das Parlament passiert hat, weil damit die behinderten Menschen ein wichtiges Rechtsinstrument bekommen. Das Gesetz ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Ich werde etwa darauf hinweisen, dass ein schnelleres Tempo beim Abbau von Barrieren für behinderte Menschen ein Gebot der Humanität und auch eine Bereicherung der Gesellschaft wäre - von mehr Arbeitsplätzen bis hin zu mehr Menschlichkeit.

Die Furche: Was wünschen Sie sich bei der schulischen Integration?

Haupt: Ich wünsche mir, dass eine Reihe von Berufen aus dem Gesundheits-, Bildungs-und Justizbereich für behinderte Menschen geöffnet wird. Wir haben auch das Problem, dass manche schulische Vorschriften nicht mit den Wünschen der Behinderten übereinstimmen. Hier ist bei den Verantwortlichen mehr Fingerspitzengefühl notwendig. Sie sollten die Wünsche jener, für die sie da sind, mehr wahrnehmen als eigene Traditionen, die aus Zeiten stammen, als Behindertenintegration noch nicht gesellschaftsfähig war.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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