Dann öffnete sich auch eine Tür"

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Existenzängste und finanzielle Einbrüche sind nur ein Teil der Sorgen, die Frauen in Konfliktschwangerschaften bedrücken. Die "Aktion Leben" unterstützt Schwangere in Not auch finanziell und sucht dafür dringend Paten.

Jetzt durchlebe ich gerade alles noch einmal", erzählt Frau E., die ihre mittlerweile vier Monate alte Tochter auf dem Schoß hält. Vor genau einem Jahr befand sich die 27-Jährige "in einem dunklen Loch". Noch nie zuvor sei es ihr so schlecht gegangen. Der Grund: Frau E. war ungewollt schwanger geworden. Sie hatte sich kurz zuvor vom Vater des Ungeborenen getrennt, dann der positive Schwangerschaftstest, dann Tage der schrecklichen Entscheidungsfindung und schließlich der Entschluss. Das geschah alles vor einem Jahr.

"Ich hatte drei Termine für einen Abbruch", erzählt sie heute, alle drei ließ sie verstreichen. Einmal war sie sogar schon in der Klinik gewesen und wieder umgekehrt. Die fanatischen Aktivisten vor der Klinik hätten sie nur aggressiv gemacht. "Damals erlebte ich, wie wichtig es ist, ganz für sich ohne Druck eine Entscheidung zu fällen und sich in einer neutralen Zone zu bewegen", sagt Frau E., die prinzipiell die Fristenlösung für richtig hält. Ganz tief in ihr steckte aber ein Ja zu diesem Leben. "Es muss zu schaffen sein. Als die Entscheidung gefällt war, öffnete sich auch eine Tür."

Bereits im fünften Schwangerschaftsmonat suchte Frau E. die Beratungsstelle der "Aktion Leben" auf. "Ich brauchte jemanden zum Reden", erzählt sie. Die junge Frau hatte zwar eine Entscheidung getroffen, die enormen Existenzängste quälten sie nach wie vor. Immerhin hatte sie bereits einen sechsjährigen Sohn von einer früheren Beziehung. Die neue Beziehung war auch gescheitert. Sie studiert Psychologie, bereits im letzten Drittel, aber ohne Universitätsabschluss sieht sie wenig Aussichten auf einen guten Arbeitsplatz. Und nun die erneute Schwangerschaft. "Es hat mich niemand unter Druck gesetzt, aber es hat sich im Familienkreis auch niemand gefreut. Auch bei mir selbst hat es einige Zeit gedauert, bis ich das Kind als Geschenk begreifen konnte."

Bei den Beraterinnen von "Aktion Leben" konnte Frau E. die Gefühle der letzten Monate nochmals durchbesprechen. Es wurden finanzielle Hilfsangebote aufgezeigt. Die junge Wienerin wird von einem Paten unterstützt, sie erhält 110 Euro im Monat. Pate und Frau E. werden sich nicht kennen lernen, Beteiligte bleiben anonym. Der Pate bekommt von "Aktion Leben" aber Berichte, wie es Mutter und Kind (ohne Angaben von Namen) geht. Die Spende sei sehr wichtig für sie, sagt die junge Mutter: Für ihren Sohn bekommt sie zwar Unterhalt, nicht aber für ihre kleine Tochter, denn der Vater ist selbst Sozialhilfeempfänger. Und wenn keine Aussicht auf Rückzahlung besteht, leistet der Staat auch keinen Unterhaltsvorschuss, so die viel kritisierte Regelung.

"Das Patenschaftsprojekt ist nur eines unserer Hilfsangebote", berichtet die Sozialarbeiterin Christine Loidl, die Schwangere in Not berät: "Wenn Frauen sich in einer Konfliktschwangerschaft an uns wenden, wird meistens ein Konglomerat an Problemen sichtbar." Eine ungewollte Schwangerschaft trete oft ganz zu Beginn einer Beziehung, am Ende oder in einer "Seitensprung"-Beziehung auf, sagt die Sozialarbeiterin.

"Aktion Leben" bietet den Frauen sozialrechtliche Beratung sowie eine psychologische Begleitung während der Schwangerschaft und den ersten zwei Lebensjahren des Kindes. Darüber hinaus gibt es das Angebot von Sachspenden für das Kind. "Wir wollen die Frauen darin bestärken, ihren eigenen, für sie stimmigen Weg zu finden. Für Frauen, die durch die Schwangerschaft in eine schwere finanzielle Bedrängnis kommen, ist die Patenschaft ein Angebot der Unterstützung, eine wichtige Form der Hilfe, die ein Ja zum Kind erleichtert", sagt Loidl. Die Auswahl, wer von einer Patenschaft profitiert, sei sehr schwierig, erklärt Loidl. "Es gibt einfach zu wenige Paten und zu viele Schwangere in finanziellen Nöten", wie auch Martina Kronthaler, Generalsekretärin des gemeinnützigen Vereins, erklärt. Es seien viele Spitzenpolitiker angeschrieben worden, um eventuell einen Paten aus diesen Reihen zu gewinnen. Aber bisher war der Rücklauf dürftig.

Zu wenig Hilfsangebote?

Wiens Stadtregierung, die Frauenabteilung, schickte ebenso eine Absage. Die Stadt verweist auf Beratung und Hilfe im Magistrat Elf (Jugend und Familie), in den Frauengesundheitszentren "Fem" sowie auf das mehrsprachige "Infotelefon" im Rahmen des Wiener Programms für Frauengesundheit. "Aktion Leben" gibt aber zu bedenken, dass vom Wiener Jugendamt zunehmend Schwangere in finanziellen Engpässen an den Verein verwiesen würden, die Stadt also zu wenig Geld für Schwangere in Notsituationen bereitstelle.

Im Jahr 2006 wurden allein in Wien 5000 Frauen persönlich oder telefonisch beraten ("Aktion Leben" ist in allen Bundesländern vertreten). 170 Frauen oder Familien in Not wurden über Patenschaften unterstützt. Die Frauen bekamen zwischen 70 und 200 Euro im Monat, im Durchschnitt sechs Monate lang.

Ein paar Monate wird auch Frau E. noch unterstützt. Besonders Angst hat sie von der Zeit, wenn das Kinderbetreuungsgeld abgelaufen ist, also in etwa zwei Jahren. Trotz aller Zukunftssorgen meint die junge Frau ohne zu zögern: "Die Entscheidung war richtig." Aber Glücksgefühle und Existenzängste wechseln einander ab. Sie will ihr Studium abschließen. "Und wer weiß, wie ich in 30 Jahren auf diese Situation zurückblicke", lächelt sie.

Regine Bogensberger

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