Das Böse sitzt gemütlich im vertrauten Heim

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„Väter sollte man weder sehen noch hören. Das ist die einzige geeignete Basis für das Familienleben“. Das Zitat von Oscar Wilde, das den Beginn von Heidi Kastners Buch ziert, macht deutlich, dass es hier um die dunklen Seiten des Vaterbildes gehen wird. Die Gerichtspsychiaterin, die vor allem durch ihre Gutachtertätigkeit im Fall Josef F. bekannt wurde, setzt sich in ihrem Buch „Täter-Väter“ mit der Gestalt des Vaters als Mörder, Missbraucher, Misshandler am eigenen Kind auseinander. Nach einer Einleitung zum Bild des Vaters führt die Autorin gleich mitten in das Verbrechen. Sie wechselt zwischen Fallbeispielen, Analyse, wissenschaftlicher Erklärung und persönlicher Einschätzung, was das Buch spannend und lesenswert macht. Tatsächlich erfährt man eine qualifizierte Differenzierung der einzelnen Krankheitsbilder und Motivlagen.

Fall Josef F. als Märchen

Im Marketing des Buches wird Kastner zwar als die „Gutachterin im Fall Josef F.“ vorgestellt, doch die Linzer Psychiaterin verzichtet darauf, den Amstettner Inzest- und Missbrauchsfall „auszuschlachten“. Sie erwähnt ihn in Form eines Märchens am Ende des Buches, das danach gedeutet wird. Natürlich weiß man, dass sich dieses Psychogramm auf Josef F. bezieht. Kastner erklärt dieses Vorgehen damit, dass sie die Anonymität der betreffenden Täter gewährleisten wollte, dies wäre bei Josef F. wegen seines Bekanntheitsgrades nicht möglich gewesen.

Auch Kastner greift auf das vage „Böse“ zurück, wenn sie etwa in Bezug auf den Protagonisten des Märchens schreibt: „Die ins ‚Böse‘ verdrängten Emotionen werden von der Selbstwahrnehmung abgespalten, werden als ich-dyston (abgekoppelt) beschrieben und zum Teil wohl sogar als bedrohlich erlebt. (...) Das Ergebnis dieser Entwicklung war ein Täter-Vater, der, versehen mit robuster psychischer Gesundheit und allzeit fähig, Recht von Unrecht zu unterscheiden, seine Handlungsentscheidungen traf, mit denen er schließlich von Amstetten aus die Schlagzeilen der Welt beherrschte.“

Das Buch muss trotz aller Differenzierung und Sachlichkeit mit der Gefahr leben, dass es in einer sensiblen Zeit, in der das Vaterbild Umbrüchen ausgesetzt ist, ungewollt überstrapazierte Klischees nährt, die Oscar Wilde im Zitat ausdrückt: Der gefährliche Vater. (bog)

Täter-Väter.

Väter als Täter am eigenen Kind

Von Heidi Kastner Ueberreuter 2009, 176 S., geb., e 19,95

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